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11:06 Uhr - 01.03.2021

Verwaltungsräte brauchen eine Talentstrategie

Die Entwicklung und die Förderung von Talenten sind ein wichtiger Erfolgsfaktor für jedes Unternehmen. Deshalb gehören sie auf die Agenda des Verwaltungsrats.

Ein Schweizer KMU in der Maschinenindustrie sucht einen neuen Finanzchef, weil der jetzige Ende Jahr in den Ruhestand tritt. Ein Beispiel, wie es immer wieder vorkommt. Bevor der Suchprozess eingeleitet wird, will die Verwaltungsratspräsidentin – nennen wir sie Colette Zwyssig – in Absprache mit dem CEO im Verwaltungsrat (VR) ein paar Grundsatzfragen diskutieren: Welchen Anforderungen muss der neue CFO genügen? Was für eine Persönlichkeit passt in die Geschäftsleitung? Wie sieht es bei dieser Stellenbesetzung mit der Geschlechterfrage aus? Käme auch ein interner Kandidat in Frage?

Solche Fragen stellen sich nicht nur Colette Zwyssig und ihrem VR. Gemäss aktuellem swissVR Monitor – einer Umfrage von swissVR in Zusammenarbeit mit Deloitte und der Hochschule Luzern unter vierhundertzwanzig Verwaltungsräten in der Schweiz – ist der regelmässige Austausch über personalpolitische Fragen einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren, wenn VR ihre Unternehmen personell zukunftsfähig aufstellen. Die Umfrage zeigt: Die überwiegende Mehrheit der VR-Mitglieder sieht das eigene Unternehmen für die Herausforderungen des Talentmanagements gerüstet.

Talent-Strategie kaum Thema im VR

Dieser Optimismus ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Unternehmen vor grosser Herausforderungen stehen: unter anderem einem absehbaren Fachkräftemangel in Teilen der Wirtschaft, dem demografischen Wandel, der zunehmenden Alterung und der Notwendigkeit, das eigene Personal aufgrund des technologischen Fortschritts weiterzuentwickeln. Daraus ergeben sich Risiken, die jeder VR für das eigene Unternehmen identifizieren und abschätzen sollte. Colette Zwyssig diskutiert solche Fragen regelmässig im Gremium – genauso wie zwei Drittel der Befragten. Nur ein Achtel teilt die Meinung, sie hätten im VR eine Talentmanagementstrategie formuliert und würden die Erreichung der darin formulierten Ziele regelmässig prüfen.

Wie ist dieser geringe Anteil zu erklären? Dies kann daran liegen, dass der VR zwar Grundsatzfragen zum Talentmanagement diskutiert, entsprechende Strategien und Massnahmen jedoch auf Ebene der Geschäftsleitung oder der Human Resources formuliert und umgesetzt werden. Die Umfrage zeigt auch, dass rund ein Drittel der Meinung ist, ihr VR setze sich eher zu wenig mit Talentrisiken auseinander. Und zwei Fünftel meinen, ihr VR könnte mehr Zeit für die Auseinandersetzung mit dem Talentmanagement einsetzen. Die Befragten sehen somit Handlungsbedarf.

Talent heisst auch Förderung

Eine Talentstrategie ist wichtig, damit sich der VR systematisch damit auseinandersetzt, wie der zukünftige Personalbedarf gedeckt wird. Diese Strategie formuliert die Grundsätze für das Talentmanagement und insbesondere für die Förderung von Führungsnachwuchs. Eine effektive Talentstrategie enthält Personalmassnahmen mit Zielsetzungen, deren Erreichung der VR regelmässig überwacht. Ein wichtiges Ziel jeder Talentmanagementstrategie ist es, die Kompetenzen der Mitarbeitenden im Unternehmen zu entwickeln.

Laut Umfrage wollen VR vor allem, dass die Eigenverantwortung, das unternehmerische Denken sowie die digitalen und technologischen Fähigkeiten bei den Mitarbeitenden gestärkt werden. Dazu müssen Unternehmen Rahmenbedingungen schaffen, die es Mitarbeitenden ermöglichen, diese Kompetenzen auszubauen, und es braucht eine Unternehmenskultur, welche dies fordert und fördert. Einige Fähigkeiten, wie digitale und technologische Kompetenzen, können in entsprechenden Weiterbildungen vermittelt werden.

Den Blick weiten

Bei der zukünftigen Besetzung von Geschäftsleitungspositionen wollen VR stärker darauf achten, dass die einzelnen Persönlichkeiten zueinander passen. Ausserdem möchten Verwaltungsräte künftig in der Geschäftsleitung mehr auf Diversität und Vielfalt setzen und öfter interne Talente für Führungspositionen rekrutieren. Dies bedeutet, dass Colette Zwyssig und ihr CEO bei ihrer Suche nicht nur die «üblichen Verdächtigen» wie bereits etablierte Finanzchefs aus anderen Unternehmen berücksichtigen, da diese Kandidaten meist weniger divers in Bezug auf Geschlecht, Alter und kulturellen Hintergrund sind. Hier gilt es den Blick zu weiten – auch in die eigene Organisation hinein – und bei der Rekrutierung neue Wege zu gehen.

Wenn Colette Zwyssig sich bei der Stellenausschreibung am swissVR Monitor orientieren würde, dann stünden bei den wichtigsten Kompetenzen einer Führungskraft Kommunikationsfähigkeit, Überzeugungskraft und strategisches Denken im Stelleninserat für den neuen CFO. Diese Fähigkeiten werden in vielen Studien intensiv diskutiert: Sie sind essenziell, wenn es darum geht, die eigenen Mitarbeitenden zu führen und andere Hierarchieebenen respektive Stakeholder zu managen. Weniger oft werden die fachlichen Kompetenzen genannt. Diese werden vorausgesetzt.

Personalbedarf sichern

Motivierte und geeignete Mitarbeitende zu gewinnen und zu entwickeln ist ein Erfolgsfaktor für jedes Unternehmen. Deshalb gehört die strategische Auseinandersetzung mit diesem Thema auf die Agenda des VR. Colette Zwyssigs Diskussion mit dem CEO und dem Verwaltungsrat über das Anforderungsprofil für die Nachfolge des Finanzchefs hat auch einige Grundsatzfragen hervorgerufen: Wie genau sieht unsere Personalplanung auf Ebene der Geschäftsleitung aus? Und wie steht es um die Personalplanung für den Verwaltungsrat selbst?

Daher setzt Colette Zwyssig zuerst einen Workshop mit allen Mitgliedern der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats an, um diese wichtigen Fragen in Form einer neuen Talentmanagementstrategie zu klären. Erst nachdem sie ihr Unternehmen personalpolitisch auf die Zukunft vorbereitet hat, macht sie sich auf die Suche nach geeigneten Kandidaten für die offene Stelle.

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