Der Optimismus am Ölmarkt ist bereits wieder verflogen. Opec-Generalsekretär Mohammed Barkindo unterstreicht mit einer ungewöhlichen Bitte die schwierige Situation.
Die Sorge vor einer weiteren Ölpreiskorrektur treibt die Opec zu einem ungewohnten Schritt: Am Dienstag bat Mohammed Barkindo, Generalsekretär der Organisation erdölexportierender Länder (Opec), die Konkurrenz aus den USA öffentlich darum, das Fördervolumen zu reduzieren. Gleichzeitig mahnte er bei seiner Rede am indischen Energieforum in Neu-Delhi, dass eine Stabilisierung des Markts 2018 «aussergewöhnliche Massnahmen» erfordern werde.
Die Warnung Barkindos ist bezeichnend für den Stimmungswandel am Ölmarkt. Der Opec-Generalsekretär ist eher für starren Optimismus als für eine warnende Stimme bekannt. Noch im September betonte er die gute Nachfragesituation und prognostizierte eine Markterholung.
Umso ernster nahmen die Marktteilnehmer Barkindos jüngste Aussage: Die Angst vor einem anhaltenden Überangebot ist zurück. Der Preis für ein Fass Nordseeöl der Sorte Brent fiel zum Wochenauftakt auf gut 55 $ je Fass. US-Leichtöl kostet nur noch knapp 50 $ je Fass.
Ölpreiserholung gestoppt
Damit ist die Ölpreiserholung gestoppt. Im Sommer hatte sich Brent von 44 $ auf knapp 59 $ je Fass Ende September verteuert. Grund dafür war der unerwartet hohe Bedarf an Rohöl in Europa. Die Internationale Energieagentur (IEA) revidierte die globale Nachfrage nach oben. Zwischen Juli und September resultierte das zweite Quartal in Folge ein leichtes globales Angebotsdefizit.
Der Lagerbestand der OECD-Länder nähert sich langsam dem Fünfjahresschnitt, dem Ziel der Förderkürzung, wie aus den Zahlen der IEA hervorgeht. Die seit Anfang Jahr geltende Förderquote der Opec und weiterer Ölförderer zur Stabilisierung des Fasspreises schien endlich zu wirken.
Saudi-Arabien exportiert weniger
Saudi-Arabien, der grösste Produzent innerhalb des Ölkartells, exportierte täglich 1 Mio. Fass weniger Rohöl. Denn obwohl der inländische Bedarf in den Sommermonaten traditionell hoch ist, passte das Königreich die Förderung dieses Jahr nicht an.
Unterstützend auf die Notierung wirkte zudem die Drohung der türkischen Regierung, Ölgeschäfte aus der kurdischen Autonomieprovinz im Nordirak nur noch mit der irakischen Zentralregierung in Bagdad abschliessen zu wollen. Über eine Pipeline werden täglich 0,5 Mio. Fass Rohöl an den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan geliefert. Am 25. September hatten sich mehr als 90% der Kurden im Nordirak für einen unabhängigen Staat ausgesprochen. Weder Bagdad noch die Nachbarländer Türkei und Iran erkennen dies an.
Kein schneller Lagerabbau
Doch Schätzungen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge ist das Exportvolumen der Opec-Staaten im September bereits wieder gestiegen. Damit dürfte die Produktion des Ölkartells die Nachfrage nach Opec-Öl im gesamten zweiten Halbjahr fast decken. Dies spricht gemäss den Analysten von Commerzbank gegen einen schnellen Lagerabbau.
Hinzu kommt, dass der höhere Fasspreis die Profitabilität der US-Schieferölförderer erhöht. Zwar hatten die Wirbelstürme «Harvey», «Irma» und zuletzt «Nate» zwischenzeitlich für Produktionsausfälle gesorgt, doch die Infrastruktur scheint nicht beschädigt worden zu sein. Das spricht für einen weiteren Ausbau der Ölproduktion in den kommenden Monaten, glauben die Analysten von Commerzbank: «Mit der üblichen Verzögerung von drei Monaten dürften die Bohraktivitäten, die in den Sommermonaten stagniert hatten, wieder zunehmen.»
Rekordproduktion erwartet
Noch lassen die Zahlen der US-Energiebehörde EIA keine abschliessende Prognose zu, aber verschiedene Rohstoffexperten wie Nitesh Shah von ETF Securities gehen davon aus, dass das Fördervolumen noch diesen Herbst den Allzeitrekord von 9,6 Mio. Fass pro Tag aus dem Jahr 1970 übertreffen wird.
Vor diesem Hintergrund überrascht die Bitte von Opec-Generalsekretär an die Adresse der USA nicht. Dass sie erhört wird, ist angesichts der wirtschaftlichen Lage eher unwahrscheinlich. Zwar leiden auch die US-Förderer unter dem tieferen Ölpreis. In den vergangenen Jahren konnten sie ihre Kosten aber stetig senken. Einige können gemäss Schätzungen des Öldienstleisters Rystad bereits bei einem WTI-Preis von 50 $ je Fass rentabel Öl aus dem Schiefer lösen.
Damit bleibt der Opec wenig Spielraum. Zwar zeigte sich Barkindo optimistisch, dass die Förderquote über März 2018 hinaus weitergeführt werden. Angesichts der Marktprognose der IEA wäre aber eine deutlichere Drosselung der Produktion nötig, um ein stabiles Gleichgewicht bei einem Brentpreis oberhalb von 50 $ je Fass zu erreichen.
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