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09:52 Uhr - 30.01.2019

Wer gute Chancen auf den CEO-Job hat

Für Finanzchefs und Frauen ist es eher schwer, an die Konzernspitze zu kommen. Manager mit Markt- und Gewinnverantwortung sind im Vorteil.

Der Finanzchef oder Chief Financial Officer (CFO) wird in der Konzernhierarchie als Nummer zwei neben dem Chef, dem Chief Executive Officer (CEO), wahrgenommen. Der CFO ist seine rechte Hand, Erster Offizier und Co-Pilot. So erschien es wenig überraschend, als im Dezember 2018 Andreas Müller, derzeit noch Finanzchef der Industriegruppe Georg Fischer (FI-N 879 1.21%), zum CEO und Nachfolger von Yves Serra ernannt wurde. Doch ein solcher Fall ist eher selten.

In grossen Schweizer Gesellschaften, wie sie etwa im Swiss Leader Index (SLI)  zusammengefasst sind, bilden ehemalige Finanzchefs, die es auf den Chefsessel geschafft haben, die grosse Ausnahme. Gerade mal Nestlé-Chef Mark Schneider, Tidjane Thiam von der Credit Suisse (CSGN 12.32 0.04%) und David Arnott vom Softwarehersteller Temenos (TEMN 134.6 0.45%) sind aus einer CFO-Position direkt in den CEO-Job gerückt. Schneider und Thiam bei ihren früheren Arbeitgebern, Fresenius (FRE 44.19 -0.18%) bzw. Prudential (PRU 16.845 -2.94%).

Lieber ein «Gestalter»

Die Mehrheit der amtierenden Konzernlenker hatte vor dem Top-Job eine Funktion als Divisions- oder Spartenleiter, Regionen- oder Länderchef inne. Ebenfalls augenfällig: An der Spitze der dreissig wichtigsten Publikumsgesellschaften ist keine einzige Frau. Dass sie ganz fehlen, überrascht wenig. Dass die ehemaligen Finanzchefs so rar gesät sind, hingegen schon. «Geht es um die Umsetzung einer Wachstumsstrategie, hat der CFO einen Nachteil, weil er keinen direkten Zugang zu Markt und Kundenbeziehungen hat», sagt Rafael Paravicini, Partner bei beim Personalberater Heidrick & Struggles.

Auch die Unternehmensstruktur spielt eine Rolle. Handelt es sich um ein Portfoliounternehmen, das aus einzelnen Einheiten besteht – wie Georg Fischer –, wird der Konzern von einer kleinen Zentrale aus gelenkt. Das Operative wird in den Divisionen abgewickelt. «Hier eignet sich ein ehemaliger CFO, der den finanziellen Gesamtüberblick hat, als Konzernchef besonders gut», sagt Guido Schilling, Chef des gleichnamigen Rekrutierungsspezialisten. In einem integrierten Konzern habe ein «strategischer Gestalter aus der Linie» mit Markt- und Gewinnverantwortung einen Vorteil, stellt er fest.

Neben ihrer Marktferne haben CFO-Kandidaten  auch andere Nachteile. «Der Finanzchef ist neben der Langfristplanung im Tagesgeschäft in einem kurzfristigen, auf Quartale ausgerichteten Umfeld tätig. Er ist auch stärker regelgebunden und hat weniger Möglichkeiten, kreativ zu sein», sagt Clemens Hoegl, Partner bei Egon Zehnder (ZEH 34.6 -1.56%). «Von einem CFO erwartet man nicht zu viel Optimismus. Er hat weniger Möglichkeiten, Visionen oder kommerzielle Ziele zu definieren.»

Es gibt aber Situationen, die Finanzchefs in die Hände spielen: «Befindet sich das Unternehmen in einem Turnaround, ist der CFO in einer starken Ausgangslage, um das Ruder zu übernehmen», sagt Rafael Paravicini. Diese Konstellation war etwa bei der Privatbank EFG (EFGN 5.95 0.85%) gegeben, als Giorgio Pradelli 2018 CEO wurde.

Es gibt Ausnahmen. Mit Marco Gadola bei Straumann (STMN 710.5 -0.56%) und Dieter Weisskopf bei Lindt & Sprüngli (LISN 72500 -0.14%) wurden zwei ehemalige CFO bei wachstumsträchtigen, erfolgreichen Unternehmen zum Konzernchef ernannt. Trotzdem gilt: Übernimmt der CFO, handelt es sich in sechs von zehn Fällen um einen Kandidaten, der aus dem Unternehmen selbst kommt und sich dort gut auskennt.

Noch seltener als ehemalige CFO sind Frauen im Topjob anzutreffen. Dass sie im SLI als CEO gar nicht vorkommen, ist kein Zufall: Die Frauen fehlen auch in den Geschäftsleitungen. Und ihr Anteil dort wird nicht etwa grösser, sondern geringer.

Frauen kaum präsent

Gemäss Schilling-Report wurden 2018 mit einem Anteil von 8% deutlich weniger Frauen als im Vorjahr (21%) berufen. Der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen der hundert grössten Schweizer Unternehmen sank von 8 auf 7%. Knapp 60% haben gar keine Frau im Gremium.«Der Pool an qualifizierten Managerinnen ist viel zu klein, um frei werdende Jobs prioritär auf GL- oder CEO-Stufe mit Frauen besetzen zu können», sagt Schilling, man müsse um jedes Profil kämpfen. Seine grösste Sorge neben schulischen Tagesstrukturen und Kinderbetreuung ist aber das gesellschaftliche Klima in der Schweiz: «Frauen, die einen Topjob in der Wirtschaft anstreben, wird nicht applaudiert, eher das Gegenteil», sagt der HR-Profi. Eingriffe sieht er aber skeptisch: «CEO- oder GL-Posten unbedingt mit Frauen besetzen zu wollen, wäre reine politische Zwängerei.»

Trotz allem, die langfristigen Aussichten für Frauen – wie auch CFO –, öfter für den Topjob berücksichtigt zu werden, sind nicht schlecht. Die Frauen werden aber noch viel Geduld brauchen. «Sie sind am Kommen, das zeigt die Statistik. Doch es könnte noch fünfzehn bis achtzehn Jahre dauern, bis sich ihre Präsenz auch auf oberster Ebene substanziell und nachhaltig spürbar macht», sagt Schilling.

Auch die Finanzchefs dürfen hoffen. Dank der fortschreitenden Digitalisierung der Finanzprozesse wird sich das Aufgabenfeld des CFO erweitern, sagt Rafael Paravicini. Der Finanzchef wird immer mehr für sämtliche Wertsteigerungsmassnahmen im Unternehmen verantwortlich sein. In den letzten Jahren wurden CFO schon öfters auch für zentrale Funktionen wie  IT, Rechtsdienst oder Personal verantwortlich gemacht. «Finanzchefs werden künftig gesuchter sein für den CEO-Job», prophezeit Clemens Hoegl. CFO würden sich immer mehr zu strategischen Partnern der Konzernchefs entwickeln. Und damit zu einem echten Co-Piloten für den CEO werden.

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