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17:46 Uhr - 13.09.2016

Kevin Hasset: «Auch ein Donald Trump regiert nicht im Alleingang»

Der US-Ökonom und Politikberater Kevin Hasset lehnt die Ideen von Hillary Clinton ab und bevorzugt tiefere Steuern sowie weniger Regulierung, wie Donald Trump sie in Aussicht stellt.

Der Präsidentschaftskandidat Donald Trump werde nach den Vorwahlen seriöser und berechenbarer, war vermutet worden. Doch das hat sich als Illusion erwiesen. Nun ist fraglich, ob er als Präsident eine vorhersehbare und effektive Wirtschaftspolitik verfolgen würde, auf die sich auch Partnerländer verlassen können. Ebenso unklar ist, wohin die als «sozialistisch» kritisierte Politik von Hillary Clinton die Wirtschaft und die Finanzmärkte führen würde.

Antworten darauf gibt der Ökonom Kevin Hassett von der konservativen Denkfabrik American Enterprise Institute (AEI). Hasset war leitender Wirtschaftsberater der republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain und Mitt Romney.

Zur PersonDr. Kevin Hassett zählt zu den einflussreichsten konservativen Nationalökonomen in den USA. 2012 diente Hassett, der zuvor Senior Economist bei der US-Notenbank in Washington war, als Wirtschaftsberater des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney. Während der beiden vorangegangenen Kampagnen hatte Hassett geholfen, die wirtschaftspolitischen Programme der Kandidaten George W. Bush (2000 und 2004) und John McCain (2008) zu formulieren.

Heute ist Hassett Direktor der wirtschaftspolitischen Abteilung bei dem traditionsreichen Think Tank American Enterprise Institute (AEI) in Washington. Der Volkswirt, der an der renommierten Universität von Pennsylvania promovierte, ist Autor zahlreicher Bücher, unter anderem über spekulative Exzesse und Preisblasen (Dow 36 000), die verteilungpolitischen Aspekte der Steuerpolitik und die Wettberwerbsfähigkeit der US-Industrie.
Bild: ZVG
Herr Hassett, könnte der Kongress Alleingänge von Donald Trump blockieren, etwa das angedrohte Aufschnüren multilateraler Handelsabkommen wie Nafta?
Beruhigend ist immerhin, dass ein Präsident, auch ein Donald Trump, nicht im Alleingang regieren kann. Um neue Abkommen zu ratifizieren oder bestehende aufzukündigen, benötigt er die Zustimmung des Kongresses. Entscheidend wäre natürlich, ob es dort zu einer Kräfteverschiebung kommt oder ob die Republikaner in beiden Kammern die Mehrheit behaupten, womit einem Präsidenten Trump die Umsetzung seiner Handels- und Steuerpolitik deutlich leichter gemacht würde.

Blieben die USA unter Präsident Trump ein verlässlicher Partner für Europa?
Aus europäischer Sicht gibt es meines Erachtens so oder so wenig zu befürchten. Trump hat klargemacht, dass seine Handelspolitik fast ausschliesslich darauf ausgerichtet wäre, die Wettbewerbsposition amerikanischer Exporteure gegenüber China zu verbessern, das er wiederholt der Währungsmanipulation bezichtigt hat. Gegenüber China wäre in der Tat mit einer harten Gangart zu rechnen, deren Folgen schwer abzusehen wären.

Halten Sie Trump, wie gemäss Umfragen die Mehrheit der Wähler dies tut, in wirtschaftspolitischen Fragen für kompetenter als Hillary Clinton?Klammert man den Bereich Handelspolitik aus, dann auf jeden Fall. Trump erkennt insbesondere die Bedeutung einer Herabsetzung des Körperschaftssteuersatzes – dies ist der Hauptgrund für die Kapitalflucht aus den USA. Blicken wir dann auf Arbeitsplatzbeschaffung: Clinton will den Arbeitsmarkt beleben, indem sie den gesetzlichen Mindestlohn anhebt. Das grenzt an wirtschaftspolitisches Analphabetentum. Die höheren Arbeitskosten würden nämlich das Gegenteil bewirken und Stellen vernichten. Ein höherer Mindestlohn liesse sich vielleicht während eines Wirtschaftsbooms rechtfertigen, nicht aber in einer Zeit, wo die Wachstumsrate bei 1% liegt.

Für die zweite Jahreshälfte wird mit einer deutlich höheren Wachstumsrate gerechnet.
Darauf warten wir aber nun schon seit acht Jahren. Die strikte Finanzmarktregulierung und staatliche Eingriffe in jedem denkbaren Wirtschaftsbereich haben das Wachstum abgewürgt, und diese Poltik will Clinton nicht nur fortsetzen, sondern eher noch verschärfen. Zudem will sie unerschwingliche Infrastrukturinvestitionen forcieren und Grenzsteuersätze anheben. Ich kenne kein ökonomisches Modell, wonach höhere Steuersätze wachstumsfördernd sind.

Trotz Regulierung ist die Erholung am Arbeitsmarkt, die Clinton beschleunigen will, unbestreitbar.
Es kommt ganz darauf an, wie man das berechnet und welches die wirklichen Ursachen sind. Man sollte nicht vergessen, welche Rolle nicht etwa die Regierung, sondern vielmehr die US-Notenbank mit ihrer überaus akkommodierenden Geldpolitik bei der Belebung des Arbeitsmarktes gespielt hat. Unterm Strich gibt es jedenfalls nichts Verdienstvolles an Hillary Clintons Wirtschaftspolitik, es ist nichts weiter als linksliberales Geschwätz.

Was würde Präsident Trump ändern?
Trump will immerhin Steuern senken, das Steuersystem vereinfachen, die Finanzmärkte deregulieren und staatliche Eingriffe in die freie Marktwirtschaft deutlich reduzieren.

Wer würde das Staatsdefizit effektiver bekämpfen? Bei der Einkommenssteuer will Trump den Höchstsatz senken, Clinton dagegen will einen Aufschlag für Jahreseinkommen über 5 Mio. $.
Die Neuverschuldung zu verringern, wird weder Trump noch Clinton gelingen. Clintons Steuerreform würde nicht ausreichen, um die defizitären Folgen ihrer massiven Ausgabenprogramme abzufedern. Allein ihre Infrastrukturinvestitionen würden über 1 Bio. $ kosten. Trump hingegen würde sich für Steuersenkungen starkmachen, die für den Fiskus Einnahmenverluste von 1 bis 2 Bio. $ zur Folge hätten. In diesem Punkt würden sich die beiden also in etwa die Waage halten.

Welcher Kandidat hat das bessere Rezept gegen sogenannte Inversionen, bei denen sich US-Konzerne mit ausländischen Unternehmen zusammenschliessen und die Firmenzentrale ins Ausland verlegen, um Steuern zu umgehen?
Erneut Vorteil Trump. Clinton will Unternehmen, die auf diesem Weg Gelder am US-Finanzamt vorbeischleusen, bestrafen. Das ist aus mehreren Gründen problematisch. Zum einen sind die Inversionen rechtlich gesehen völlig legal, und legale Transaktionen sollten nicht mit Sanktionen geahndet werden. Zudem wären solche Strafen vermutlich ein Verstoss gegen bestehende Handelsabkommen. Trump macht einen vernünftigen Vorschlag. Er will schlicht und ergreifend die US-Körperschaftssteuer, die übrigens die höchste aller OECD-Länder ist, so weit herabsetzen, dass unsere Multis wieder international konkurrenzfähig sein können. Es ist aberwitzig, dass die USA einen höheren Satz haben als selbst die «sozialistischsten» Länder Europas. Clintons Ansinnen, auch auf diesem Wege ins freie Marktgeschehen eingreifen zu wollen, ist geradezu marxistisch.

 Das ist eine gewagte Behauptung, schliesslich sind die Einkommenssteuersätze in Europa deutlich höher als in den USA, und unter Clinton blieben sie für alle ausser für die Superreichen unverändert.
Das ist richtig, doch bei Inversionen sprechen wir über die Besteuerung von Kapital. Wenn dieses allzu hohen Sätzen unterliegt, dann hat das volkswirtschaftlich einen deutlich schädlicheren Effekt als höhere Einkommenssteuersätze.

 Sie stehen Clintons Ausgabenprogrammen besonders kritisch gegenüber. Trump aber will den Rüstungsetat und damit den grössten diskretionären Ausgabenposten aufstocken. Wäre das nicht mindestens genauso teuer?
Nur schon weil Clintons Programme bereits so detailliert sind, vermute ich, dass sie teurer sein werden. In diesem Punkt muss ich konzedieren, dass Trump ironischerweise davon profitiert, dass er nicht konkret geworden ist und man beispielsweise nicht weiss, wie viel er fürs Militär ausgeben würde.

Reizthema Finanzmarktregulierung: Clinton will das Dodd-Frank Gesetz eher noch verschärfen. Trump will die Zügel deutlich lockern, da befürchten Analysten neue spekulative Exzesse. Spricht nicht einiges für Clintons Position?
Keineswegs. Die grösste wachstumshemmende Belastung für die US-Wirtschaft ist derzeit die Überregulierung der Finanzmärkte. Die tragische Ironie besteht darin, dass sich die Behörden auf die Grossbanken konzentriert haben, gleichzeitig aber mit ihren teuren Auflagen und Regulierungen die Kommunalbanken und kleinere Kreditinstitute in den Konkurs getrieben haben, die das Rückgrat und die wichtigste Finanzierungsquelle unserer Klein- und Mittelbetriebe sind. Die Zahl der Pleiten unter den kleineren Banken hat bekanntlich den höchsten Stand aller Zeiten erreicht. Das geht auf das Konto von Dodd-Frank, und unter Hillary Clinton würde es nur noch schlimmer werden.

Halten Sie es für möglich, dass Trump ungeachtet der aktuellen Umfragen und dank der Gegner des Establishments doch gewinnt, ähnlich, wie es bei der Brexit-Abstimmung geschah?
Durchaus. Ich halte es nicht nur für möglich, sondern kann mir sehr gut vorstellen, dass es am 8. November genau so kommen wird.

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