Die globale Konjunktur wartet zurzeit mehrheitlich mit positiven Signalen auf. Das dürfte auch dem heissgelaufenen Aktienmarkt eine gewisse Stütze verleihen.
Zinssenkungen, Wertschriftenkäufe, Kapitalinfusionen – gleich mit einer ganzen Reihe von Stimulanzien wurden die Finanzmärkte über die letzten Jahre vollgepumpt. Wie empfindlich die heissgelaufenen Aktienbörsen auf den kommenden Entzug reagieren werden, ist dabei kaum abzuschätzen. Nur eines scheint sicher: Ohne eine solide Wirtschaftsentwicklung wird die Hausse kaum eine Überlebenschance haben.
Anleger dürfen allerdings beruhigt sein. Auf globaler Ebene sehen die Konjunktursignale durchaus ermutigend aus. So konnten die Wachstumsprognosen über die vergangenen Monate stetig erhöht werden. Inzwischen trauen Ökonomen dem weltweiten Bruttoinlandprodukt (BIP) im laufenden und nächsten Jahr ein Plus von 3,4 respektive 3,5% zu. Dieser Trend ist zudem breit abgestützt: Erstmals seit der Finanzkrise befinden sich alle 35 Nationen der OECD zur selben Zeit auf dem Expansionspfad.
Industrieproduktion steigt
Positiv zu werten ist auch, dass die Industrieproduktion vor allem in den entwickelten Volkswirtschaften zugelegt hat. Parallel dazu hat sich die globale Handelsaktivität intensiviert. Das ist am RWI/ISL Container Throughput Index abzulesen, der den Containerumschlag in der Frachtschifffahrt misst und im Juli einen neuen Rekord markiert hat. Da zur gleichen Zeit die Mai- und Juni-Werte nach oben korrigiert wurden, deutet das auf eine nachhaltige Ausweitung des Welthandels hin.
Eine gewisse Unsicherheit geht von der Geldpolitik aus: Die meisten Notenbanken befinden sich weiterhin im Expansionsmodus. Ob die Volkswirtschaften fähig sind, ohne Stimulus zu prosperieren, ist schwierig abzuschätzen.
Eine zentrale Rolle im globalen Aufschwung spielt zurzeit Europa, das wiederum vom Wirtschaftsmotor Deutschland profitiert: Eurolands wichtigste Nation, die fast ein Drittel zur Wirtschaftsleistung des Währungsraums beiträgt, expandiert vor allem dank einer kräftigen Binnennachfrage. Der Trend ist so stark, dass jüngst das IfW-Institut gar vor einer Überhitzung warnte. Entsprechend hat die Ratingagentur Moody’s die BIP-Prognose für das laufende und nächste Jahr von 1,6 auf 2,2 respektive 2% angehoben. Davon dürften auch Nachbarländer wie die Schweiz oder Österreich profitieren.
Es ist nicht die einzige positive Überraschung aus der Währungsunion: Sowohl für Italien als auch für Frankreich hat Moody’s die BIP-Prognosen angehoben. Die Daten zur französischen Industrieaktivität deuten eine graduelle Verbesserung an, was laut HSBC (5 734.8 0.82%) die Chancen auf eine weitere Aufwärtsrevision erhöht. Zudem hat Präsident Macron jüngst seine Pläne zur Arbeitsmarktreform vorgelegt, die auf längere Sicht der Wirtschaftsentwicklung zugute kommen sollte.
Ein weiterer Faktor, der positiv für die gesamte Eurozone zu werten ist, ist die Entwicklung der Kreditvergabe an Unternehmen und Konsumenten, die sich endlich beschleunigt hat. Gleichzeitig sind jedoch auch Indikatoren zu sehen, die zur Vorsicht mahnen – so etwa die Neubestellungen von Investitionsgütern in Deutschland, die angesichts der starken Marktstellung aussagekräftige Rückschlüsse auf den internationalen Konjunkturtrend zulassen. Bereits seit Mai hat sich das Nachfragewachstum aus dem Euroraum nach deutschen Kapitalgütern abgeschwächt. Womöglich könnte die Erholung den Zenit also bereits überschritten haben.
Trump bringt’s nicht
Eingetrübt haben sich die Rahmenbedingungen dagegen auf der anderen Seite des Atlantiks: US-Präsident Donald Trump hat bislang nicht geliefert, was sich die Märkte von der neuen Administration erhofften – weder ein Infrastrukturprogramm noch eine wirtschaftsfreundliche Steuerreform. Stattdessen stehen die Zeichen auf politischen Stillstand. Moody’s hat die Wachstumsprognosen deshalb vor Kurzem um 0,2 Prozentpunkte reduziert. Damit befinden sich die USA in einer kleinen, aber unfeinen Runde mit Indien, Saudi-Arabien und Südafrika, deren Prognosen ebenfalls gesenkt wurden.
Wenig beeindruckt von Trump zeigen sich die Nachbarstaaten Kanada und Mexiko – obwohl ein verschärfter Protektionismus sowie eine Kündigung der Freihandelszone Nafta beide belasten würde. Kanadas Wirtschaft präsentiert sich momentan so stark, dass die Bank of Canada am vergangenen Mittwoch den Leitzins weiter erhöhen konnte. Begünstigt wurde die Straffung von robusten Konsumausgaben sowie einem soliden Stellen- und Lohnwachstum.
Mexikos Währungshüter schraubten in dieser Woche die Wachstumserwartungen für 2017 und 2018 ebenfalls nach oben. Die Notenbank erwartet neuerdings eine Expansion zwischen 2 und 2,5%. Deutlich zeigen sich die optimistischeren Aussichten in der Lokalwährung Peso, die seit dem Amtsantritt Trumps gegenüber dem Dollar fast stetig an Wert gewonnen hat.
Gute Signale kommen aus Japan: Immer mehr festigen sich Zeichen, dass es Regierungschef Shinzo Abe tatsächlich gelungen ist, das Land mit seinen «Abenomics» aus der deflationären Stagnation zu führen. In der jüngsten BIP-Lesung musste zwar der erste überoptimistische Bericht nach unten korrigiert werden. Das annualisierte Wachstum von 2,5% sowie steigende Industrieinvestitionen stimmen aber dennoch zuversichtlich.
In den Emerging Markets präsentiert sich – mit den üblichen regionalen Unterschieden – die Situation grundsätzlich solid. Den Schwellenländern innerhalb der G-20-Gruppe wird für dieses und nächstes Jahr ein BIP-Wachstum von über 5% zugetraut. Unter anderem scheint das langjährige Sorgenkind Brasilien endlich aus der Rezession herausgefunden zu haben. Das zweite Quartal in Folge steigerte die grösste Volkswirtschaft Südamerikas die Wirtschaftsleistung – wenn auch mit 0,2% auf bescheidenem Niveau. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit und unausgelasteten Produktionskapazitäten bleibt die Teuerung deutlich unter dem Zielwert – und lässt den Währungshütern damit die Tür für weitere Zinssenkungen offen.
China bleibt ein Risiko
Vorteilhaftes kommt zu guter Letzt auch aus China. Statt 6,6% prognostiziert Moody’s für 2017 neu ein Wachstum von 6,8%. Der Internationale Währungsfonds hat seine Prognosen für 2017 bis 2021 ebenfalls erhöht, wobei die Revision unter anderem auf grössere Infrastrukturausgaben im Reich der Mitte zurückzuführen ist. Hier liegt freilich die Krux – ist China doch dazu gezwungen, irgendwann den hohen Verschuldungsgrad auch wieder abzubauen. Erst im Mai hatte Moody’s die Kreditwürdigkeit des Landes mit Verweis auf den gestiegenen Leverage reduziert.
Der schwierige Balanceakt der Entschuldung könnte die umliegenden Staaten in Mitleidenschaft ziehen – und wird von Moody’s als Risikofaktor genannt, der die globale Konjunkturerholung aus der Bahn werfen könnte. Zu dieser Gefahrenliste zählen ausserdem die geopolitischen Spannungen rund um Nordkorea, eine drastische Erhöhung der Volatilität auf den Finanzmärkten sowie – ausgehend von den USA – eine verstärkte Rückkehr des Protektionismus.
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