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18:45 Uhr - 26.02.2019

Wandel fordert Nestlé & Co.

Die Konsumgüterkonzerne werden von jungen Marken herausgefordert. Nicht alle können darauf reagieren.

Sie heissen Harry’s, Halo Top und Recess. Sie sind jung, vermarkten sich über soziale Medien und schnappen etablierten Marken die Kunden weg. Harry’s Rasierzeug von Gillette, die kalorienarme Eiscreme Halo Top von Ben & Jerry’s und Recess vom Getränkeanbieter San Pellegrino. Besonders unter Druck sind deshalb die Riesen der Branche: Procter & Gamble (PG 98.91 -0.92%), Unilever sowie Nestlé (NESN 90.12 -1.25%). «Grösse ist im Markt der schnelllebigen Konsumgüter kein Vorteil mehr», schreiben die Analysten von Berenberg. Da sie die Agilität bremse, werde sie mehr und mehr als ­Hindernis wahrgenommen.

Dem Trend nach lokal hergestellten Gütern, die im Einklang mit der Umwelt produziert wurden sowie möglichst nur gesunde und natürliche Inhaltsstoffe enthalten, kann sich kein Konsumgüterhersteller entziehen. Nicht alle sind aber gleich stark betroffen. Zudem hatten die Konzerne in den vergangenen Jahren Zeit, auf die Entwicklung zu reagieren. Respektive hätten die Zeit dazu gehabt. Denn beispielsweise Kraft Heinz (KHC 32.2 -2.78%) hat es verpasst. Die Quittung dafür erhielt der amerikanische Konzern an der Börse.

Kostenfokus führt ins Leere

Seit der Präsentation der Quartalszahlen am vergangenen Freitag verlor Kraft Heinz 17 Mrd. $ an Wert – oder 29% der Börsenkapitalisierung. In weniger als zwei Jahren haben die Aktien zwei Drittel verloren. Der Grund liegt auf der Hand. Mit Heinz Ketchup, das zu ein Viertel aus Zucker (Zucker 0.1288 -1.68%) besteht und Kraft’s Mac & Cheese, deren Käsesauce 22 Inhaltsstoffe enthält, trifft der Konzern den Geschmack der Zeit nicht mehr. Deshalb musste der Goodwill auf den Marken Kraft und Oscar Meyer (Fleischprodukte) im vierten Quartal um 15,4 Mrd. $ abgeschrieben werden.

Heinz übernahm 2015 Kraft. Angeführt von den brasilianischen Investoren 3G schlug der Konzern einen harten Sparkurs ein. In den zwei folgenden Jahren stieg die operative Marge auf über 27% und übertraf die Konkurrenz damit deutlich. Im vergangenen Jahr knickte die Gewinnspanne ein und auch im laufenden Jahr wird mit einem Rückgang gerechnet. Anders sieht es bspw. bei Kon­kurrent Nestlé aus. Analysten rechnen mit einer steigenden Profitabilität.

Zukäufe sind der Schlüssel

Auch daran zeigt sich, dass sich der Schweizer Konzern besser an die veränderten Konsumentenbedürfnisse anpasst. Er hat das Kaffeegeschäft ausgebaut. 2017 übernahm er die kalifornische Kette Blue Bottle Coffee und den Kaffeehersteller Chameleon Cold-Brew. Zudem kaufte er im vergangenen Jahr die Vermarktungsrechte für die Konsum- und Gastronomieprodukte der Kaffeehauskette Starbucks (SBUX 70.15 -1.39%). Ausgenommen davon sind die Cafés und Ready-to-Drink-Produkte.

Noch besser hat sich laut den Analysten aber Unilever auf die Veränderungen eingestellt. «Unilever macht die grössten Schritte, die Agilität des Geschäftsmodells zu verbessern, die Kosten zu senken, den Onlinehandel zu stärken und das Portfolio für die Zukunft fit zu machen», schreiben die Analysten. Dazu passt auch, dass Unilever 2016 bereit war, das Jungunternehmen Dollar Shave Club für angeblich 1 Mrd. $ zu übernehmen. Seither hat der britisch-niederländische Konzern diverse weitere junge Unternehmen übernommen. Beispielsweise das 2010 in New York gegründete Sir Kensington’s, das unter anderem vegane Mayonnaise herstellt.

Am meisten Zeit gelassen bei der Anpassung an den Wandel haben sich die US-Konzerne. Sie haben diesbezüglich noch Aufholbedarf. Am Aktienkurs lässt sich gut ablesen, wo diese Unternehmen stehen. Die Titel von Kraft Heinz, Campbell Soup und Kellogg befinden sich seit Jahren im Rückstand. Die Trendwende geschafft hat hingegen Procter & Gamble – zumindest, was den Aktienkurs betrifft. Denn der US-Konzern befindet sich weiterhin im Umbau.

Nestlé und Unilever in Front

Procter & Gamble hat mit den Quartalszahlen die Erwartungen übertroffen. Organisch legte der Hersteller von u.a. Gillette-Rasierklingen und Pampers-Windeln in acht der zehn Produktkategorien zu. In den USA verlangsamte sich das organische Wachstum hingegen.­ ­Joseph Altobello, Aktienanalyst von ­Raymond James, bleibt skeptisch. Er ­beurteilt das Unternehmen zwar leicht positiver, aber in Anbetracht der Unsicherheit bezüglich Preissetzung, Währungseinflüsse und Rohstoffkosten empfiehlt er die Titel nicht zum Kauf.

Die besten langfristigen Aussichten haben Investoren mit den Aktien von Nestlé und Unilever. Die Konzerne sind zwar gross und müssen in vielen Produktsegmenten ihre Marktposition gegenüber neuen Herausforderern verteidigen, doch haben sie sich den wandelnden Umständen gut angepasst und zeigen sich weiterhin innovativ. Das spiegelt sich auch in der Bewertung der Aktien (vgl. Tabelle). Qualität hat seinen Preis.

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