Zurück zur Übersicht
15:38 Uhr - 30.12.2016

Euro, Teuro, Schuldenkrise

Vor fünfzehn Jahren wurde das Euro-Bargeld eingeführt. Rückblick auf eine turbulente Geschichte.

Als im Jahr 1999 zwölf europäische Länder ihre Währungen abschafften und die Europäische Währungsunion gründeten, behielten sie sich den wesentlichen Schritt noch vor. Der Euro wurde nur als Buchgeld die neue Einheitswährung. Drei Jahre lang zahlten die Menschen weiterhin bar mit den alten nationalen Noten und Münzen. Erst danach gaben die Notenbanken das neue Eurobargeld in den Umlauf. Das war vor genau fünfzehn Jahren.

Ab dem 1. Januar bis Ende Februar 2002 wurden Noten und Münzen ausgetauscht.

Logistisch einwandfrei

Der logistische Aufwand sprengte alle Erfahrungen mit Währungsumstellungen der Vergangenheit.

Allein 116 Mrd. einzelne Münzen waren Ende Dezember 2001 im Umlauf. Sie mussten eingezogen und ersetzt werden. Am 1. März 2002, als die Umstellung abgeschlossen war, zirkulierten nur noch 36 Mrd. neue Euromünzen.

15 Mrd. neue Eurobanknoten wurden gedruckt. Zusammen mit dem alten Geld zirkulierten Anfang 2002 Noten im Wert von 403 Mrd. €. 28 Tage später war das Volumen auf 285 Mrd. € geschrumpft, weil die meisten alten nationalen Geldscheine aus dem Verkehr genommen worden waren. Das Bargeldvolumen schwankte beträchtlich: In den ersten Tagen der Umstellung lag es 6% höher als  im Vorjahr, danach fiel es 19% tiefer aus.

Trotzdem blieben Zwischenfälle aus. Es kam weder zu den anfangs befürchteten Engpässen, noch traten Fälschungen in grösserem Umfang auf. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Statistikämter der Mitgliedländer verwiesen darauf, dass sich auch die Inflation nicht verändert habe. Dabei unterschätzten sie jedoch die Wahrnehmung der Bürger.

Teuro und andere Sorgen

Wer in den ersten Monaten des neuen Jahres im Supermarkt einkaufte, ein Restaurant besuchte oder auch nur einen Kaugummi aus dem Automaten löste, bemerkte, wie stark die Preise aufgeschlagen hatten. Trotz der doppelten Preisauszeichnung in alter und neuer Währung nutzten zahlreiche Anbieter die Umstellung dazu, die Preise zu erhöhen. Statistisch sollten sich Auf- und Abrundungen auf die im Detailhandel beliebten «.99 €»-Preise ausgleichen, in der Praxis dominierten indes die Aufwärtskorrekturen.

zoom

Betroffen waren Güter und Dienstleistungen, die letztlich nur rund ein Viertel des Warenkorbs ausmachen, den die Statistikämter als Basis verwenden, um die Inflationsrate zu berechnen. Der Effekt verwässerte sich daher statistisch und wurde nicht in der Gesamtteuerung sichtbar. Trotzdem wurde er von den Bürgern wahrgenommen.

Während die Medien den Zorn der Leute aufnahmen und den Euro als Teuro anprangerten, argumentierten Experten mit den statistischen Fakten dagegen. Der Begriff der gefühlten Teuerung wurde geprägt. Den Unmut in breiten Kreisen der Bevölkerung – ob berechtigt oder nicht – dämpfte er nicht.

Mitten in diese öffentliche Auseinandersetzung platzte im Februar die Meldung, dass der Chef der EZB Mitte 2003 zurücktreten werde. Wim Duisenberg war 1999 der Wunschkandidat Helmut Kohls gewesen. Mit ihm wollte der deutsche Bundeskanzler verhindern, dass ein Franzose an die Spitze der neuen Zentralbank gewählt wird. Hinter den Kulissen war jedoch ein Deal ausgehandelt worden: Der Niederländer würde nach der Hälfte der achtjährigen Amtszeit einem Franzosen Platz machen. Noch stand nicht fest, dass Jean-Claude Trichet nachrückt. Er war daheim mit juristischen Problemen belastet. Der Chefökonom der HypoVereinsbank sprach von einer grossen Unsicherheit, die auf die EZB-Politik zukomme, und einem «Danaergeschenk für den Euro».

Die SNB hat ein Problem

Die Eurobargeldeinführung wirkte sich direkt auf die Schweiz aus. Die Nachfrage nach Frankenbargeld nahm im Vorfeld sowie im Januar und Februar 2002 kräftig zu. Besonders Tausendernoten waren gefragt. Viele benutzten sie als Absicherung für den Fall, dass sich die neue Gemeinschaftswährung doch nicht als stabil erweisen sollte.

zoom

Der Franken hatte sich wegen der Terrorattacken in New York und Washington vom 11. September 2001 bereits stark aufgewertet. Die Schweizerische Nationalbank (SNB (SNBN 1725 -0.29%)) senkte im Dezember die Zinsen, vermochte die Währung dadurch aber nicht abzuschwächen. Sie notierte Anfang 2002 weiterhin auf Rekordniveau: 1 € kostete 1.47 Fr. Wirtschaftsverbände beklagten sich über Auftragseinbussen. In einem damaligen Marktbericht von UBS (UBSG 15.88 -0.56%) Warburg ist zu lesen: «Immer mehr Interessenverbände (der Tourismussektor, Exporteure, die Maschinenindustrie, Gewerkschaften) und sogar die Schweizer Regierung beschweren sich über das aktuelle Wechselkursniveau.»

In den folgenden Jahren glich der Kursverlauf der Gemeinschaftswährung einer grossen Berg-und-Tal-Fahrt. Bis Herbst 2007 wertete sich der Euro bis 1.67 Fr. auf, dann setzte seine Talfahrt ein. Im Zuge der Staatsschuldenkrise, die im Mai 2010 in Griechenland ihren Ausgang nahm, wertete er sich immer mehr ab. Heute kostet 1 € nur 1.07 Fr., und das auch nur, weil die SNB regelmässig Devisen aufkauft. Ohne diese Interventionen läge der Wechselkurs vermutlich noch näher an der 1:1-Parität.

zoom

Der Euro heute: Stimmung schlecht – Umfragen gut

Mit fünfzehn Jahren ist der Euro erst ein Teenager, aber verglichen mit anderen Währungsunionen, die fast alle früher oder später auseinandergebrochen sind, befindet er sich bereits in einem fortgeschrittenen Alter. Heute warnen mehr Wirtschaftsexperten vor einem Scheitern als bei der Einführung. 2017 könnte zum Schicksalsjahr werden, weil bei den anstehenden Parlamentswahlen in Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden Parteien zulegen oder sogar an die Macht gelangen könnten, die offen für den Austritt aus der Währungsunion werben.

Aber das sind subjektive Urteile. Die repräsentativen Umfragen der EU, wie die Bürger zum Euro stehen, fallen günstiger aus. Aktuell bezeichnen 56% der Befragten die Gemeinschaftswährung als eine gute Sache. 2015 waren es zwar 61%.  Aber vor fünfzehn Jahren waren nur 51% dieser Meinung. Über die Jahre hat der Euro also EU-weit an Zuspruch gewonnen, nicht verloren.

Italien: mehr Eurokritiker als Befürworter

Das gilt nicht für Italien, wo die Eurobefürworter in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten von den Kritikern überholt wurden. 47% sagten damals, der Euro sei insgesamt vorteilhaft, heute sind nur noch 41% dieser Meinung. Der Anteil derjenigen, die ihn als Nachteil betrachten, hat von 39 auf 47% zugenommen.

Auch in Zypern und Litauen überwiegen die Stimmen, die den Euro als nachteilig empfinden.

In den übrigen Eurostaaten ist die Entwicklung umgekehrt, vor allem in Deutschland, wie das Eurobarometer zeigt: Die Befürworter waren dort anfangs in der Minderheit (42%). Heute halten 64% der Befragten den Euro für eine gute Sache. Der Anteil der Skeptiker ist von 52 auf 26% geschrumpft. Damit glänzt Deutschland als eine der solidesten Eurobastionen.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.