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15:17 Uhr - 05.02.2015

Volldampf in der Derivatküche

Individuelle Rezepte ganz nach Geschmack und Bedürfnis des Kunden – ein Blick hinter die Kulissen.

Mit Struki zum ZielDieser Artikel wird in der FuW-Sonderbeilage «Strukturierte Produkte» erscheinen. In der Beilage finden Sie unter anderem Beiträge zu den folgenden Themen: Gibt’s ein Leben ohne Struki? – Rendite trotz Nullzinsen – Was, wenn die Barriere fällt? – Asymmetrisch ins Glück – Der grosse Plattformenvergleich – Zur Innovation verpflichtet – Nur die Dividende zählt – Anlegerschutz ja, aber anders.Sie galten einst als elektronische Beigabe für die Berater anspruchsvoller Anleger, die mithilfe strukturierter Produkte ihr Portfolio steuern: Structuring-Plattformen. Sie ermöglichen es, Wunschprodukte masszuschneidern, ganz nach individuellem Geschmack und Risikoappetit. Bei Gefallen genügt ein Mausklick, und das Produkt ist in kürzester Zeit im Depot des Kunden verbucht.

Auf welcher Plattform der Kunde die Konstruktion vornahm, war bis vor zwei, drei Jahren festgeschrieben: auf derjenigen des Emittenten. Individuelle «Haute cuisine» wurde nur dort offeriert. Vor geraumer Zeit hat sich dieser Modus verändert. Viele Emittenten haben begonnen, die Exklusivität zu überdenken. «Der Wettbewerb zwischen den Plattformen hat zugenommen. Die strategische Ausrichtung der einzelnen Anbieter wird immer differenzierter», so Willi Bucher (BUCN 229.9 0.13%), Head Structured Products Distribution bei der Bank Julius Bär (BAER 42.01 0.1%). Sein Haus betreibt mit der Derivative Toolbox seit dem Jahr 2008 eine eigene Structuring-Plattform.

«Am auffälligsten sind an dieser Stelle die zwei Weiterentwicklungstrends – entweder in Richtung Metaplattform oder Single-Issuer-Plattform», ergänzt Gian-Marc Albertini, Plattform-Manager bei der Bank Julius Bär. Je länger, je mehr möchte so mancher Emittent beim Thema Structuring-Plattformen nicht mehr zwingend seine eigene Suppe kochen. Zwar gilt nach wie vor die Überzeugung «Hausgemacht schmeckt dem Kunden am besten», doch ist die Öffnung für übergreifende Marktplätze nicht mehr aufzuhalten.

Struki-Plattformen im Vergleichzoom

Digitaler Vertrieb

Beim Stichwort digitaler Vertrieb muss vermehrt sondiert werden, wo überall die strukturierten Produkte eines Emittenten offeriert werden. Das Zauberwort heisst Multi-Issuer-Plattform. Darunter versteht man das übergreifende Aufschalten von unterschiedlichen Emittenten. Das Prinzip gleicht einem Supermarkt für strukturierte Produkte. Der Kunde wird mit vergleichbaren Preisen überzeugt und muss nicht mehr der alleinigen Quotierung eines Emittenten abnehmen, dass es sich um den besten Preis handelt. «Dank Multi-Issuer-Plattformen sind die Transparenz und die Vergleichbarkeit der Produkte weiter erhöht worden. Die Kunden profitieren von kompetitiveren Preisen und können das Emittentenrisiko einfacher diversifizieren», erklärt Robin Lemann, Head of Public Distribution bei UBS (UBSG 15.97 -1.48%) in Zürich. Die UBS ist Pionierin bei der Digitalisierung des Vertriebs strukturierter Produkte und ist bereits seit über zehn Jahren mit ihrer Plattform (heutiger Name: UBS Investor) aktiv. Seit März 2014 ist sie auch Teil der Multi-Issuer-Plattform Deritrade, die von der Bank Vontobel (VONN 32.6 -1.21%) verwaltet und gesteuert wird.

Die Bank Vontobel gehört mit Deritrade ebenfalls zu den ältesten Anbietern von Structuring-Plattformen. Dort hat man früh auf eine Öffnung der Plattform gesetzt – gemeinsames Showcooking statt allein am Herd. So wird Deritrade derzeit von der Bank Vontobel selbst, Deutsche Bank (DBK 27.148 0.26%), Morgan Stanley (MS 34.77 -0.77%), Société Générale, wie erwähnt der UBS und seit Ende Oktober 2014 auch von der Zürcher Kantonalbank (ZKB) aktiv zum Produktvertrieb genutzt. Die Privatbank Vontobel scheut ganz offenbar weder Geld noch Mühe, um die derivative Showküche um weitere Spitzenköche zu erweitern. «Wir entwickeln Deritrade gemeinsam mit den Partnern aktiv weiter. Konkret gehören dazu Funktionalitäten rund um den Produktlebenszyklus sowie Ergänzungen im Produktangebot», gibt Patrick Stettler, Head Sales Europe Multi Issuer Platform bei der Bank Vontobel, einen Vorgeschmack.

Bewegung auf der Menükarte

Doch es gibt auch andere Sichtweisen, welche strategischen Zutaten künftig zum Einsatz kommen. «Zum einen entwickeln sich Multi-Issuer-Plattformen langsamer, als von vielen erwartet wurde. Andererseits wurden von der Buy- wie auch der Sell-Seite in Asien verschiedene Initiativen angestossen, bei denen sich mehrere Emittenten zusammenschliessen, um durch Automatisierung die Kosten pro strukturiertes Produkt weiter zu reduzieren. Es bleibt abzuwarten, welche Initiative sich durchsetzen wird», erklärt Michael Hartweg, Founding Partner und Verantwortlicher für strategische Innovation bei Leonteq (LEON 217.3 -0.09%). Dort (Plattform Constructor) bedient man seit knapp zwei Jahren – neben Schweizer Kunden – auch asiatische Geschmäcker.

Alles andere als langsam entwickelt die Commerzbank (CBK 11.12 -0.45%) eine Multi-Issuer-Plattform. «Primegate ist als unabhängiger Marktplatz konzipiert. Das äussert sich in einem fairen und transparenten Preiswettbewerb aller Emittenten», so Philipp Kalb, Projektleiter Primegate. Anders als bei anderen Multi-Plattformen kann auf Primegate direkt zwischen dem Käufer und dem Emittenten abgewickelt werden. Es gibt also keinen Zwischenhändler. Des Weiteren gelten dort, ganz demokratisch, für alle angeschlossenen Emittenten die gleichen Plattformgebühren.

Welche Häuser auf Primegate starten, ist noch ein Betriebsgeheimnis, die üblichen Verdächtigen hüllen sich bis dato in Schweigen. «Die Commerzbank wurde bereits angeschlossen. Weitere Emittenten sollen in diesem Jahr folgen», gibt Plattformspezialist Kalb einen Ausblick.

Hauptargument der Multi-Issuer-Plattformen ist bisher die Best Execution, sprich: Der Kunde erhält den besten Preis für sein massgeschneidertes strukturiertes Produkt. Das trifft in den meisten Fällen auch zu, aber nicht immer. Insbesondere dann, wenn unterschiedliche Plattformgebühren je Emittent zur Anwendung kommen, muss genau hingeschaut werden.

Vielfältige Aspekte

Doch es gibt weitere Aspekte. «Die Client Suitability ist ebenfalls eine regulatorische Anforderung, die zunehmend in den Fokus von Structuring-Plattformen rücken wird», gibt Michael Hartweg zu bedenken.

Ähnlich sieht man das bei der UBS. «Der Weiterentwicklungsbedarf intensiviert sich neben der Produkt- und der Angebotsseite vermehrt auch bei der verbesserten Prüfung der Kundeneignung oder der Integration in den Beratungsprozess», so Lemann. Eine neue Perspektive ergibt sich auch, wenn man die Plattformdaten intelligent aufbereitet. So lässt sich aus den Hunderten von Konstruktionen, die jeden Tag von Kunden kreiert werden, wertvolles Material veröffentlichen.

Derartige Daten könnten Anlegern vielfältige Inspiration bieten. Manche schrecken davor zurück, zu kaufen, was die Masse kauft. Andere handeln bewusst diejenigen Zutaten, die bald ausverkauft sind. Die nächste Zeit verspricht auch weiterhin viel Dampf in der Derivatküche.

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