Die Fondsmanager sehen erstmals seit über einem Jahr nicht mehr das Coronavirus als Risiko Nummer eins.
Gefahren mit Bezug zum Coronavirus rangieren nur noch auf Platz drei der Extremrisiken, vor denen sich die professionellen Investoren fürchten – dieses Bild ergibt die monatliche Umfrage von Bank of America (BofA) unter Fondsmanagern. Auf Platz eins der Risikoliste befindet sich nun eine höhere Inflation als erwartet. Danach folgt der schockartige Effekt einer restriktiveren Geldpolitik auf die Anleihenmärkte, was beim Taper Tantrum im Jahr 2013 zu hochschnellenden Renditen führte. Auf dem dritten Platz werden unerwartet negative Entwicklungen bezüglich der Covid-19-Impfungen genannt.
Seit April 2020 dominierten Ängste um Covid-19 die Fondsmanager. Im März und April 2019 waren die US-Wahlen der grösste Unsicherheitsfaktor. Zuvor wurde als wichtigstes Risiko während eineinhalb Jahren meistens der vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump angezettelte Handelskrieg genannt.
Kommt nun der Zinsschock, könnten die Aktienkurse stark leiden. Die Mehrheit der befragten professionellen Anleger sieht bei einer Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen von 2% eine Schmerzgrenze erreicht – dann würden die Börsen mehr als 10% korrigieren. Eine grosse Minderheit erachtet aber Renditen von mehr als 2% als nötig, um die Aktienkurse deutlich unter Druck zu bringen. Momentan notiert die Rendite um 1,6%.
Damit Staatsanleihen für Investoren attraktiver als Aktien sind, müsste die Rendite gar auf 2,5% steigen, glauben die meisten Befragten.
Der Vergleich der jetzigen Allokation der Fondsmanager mit dem historischen Durchschnitt zeigt ein deutliches Übergewicht in zyklischen Anlageklassen. Dabei erhalten Rohstoffe gemäss Z-Score – einem Mass, das die Abweichung ins Verhältnis zu den Schwankungen setzt – das grösste Übergewicht. Die Rohstoffallokation ist nun auf einem Allzeithoch: Im Saldo sagt eine Mehrheit von 28 Prozentpunkten der Befragten, dass sie Rohstoffe im Portfolio übergewichtet haben.
Industrie-, Bank- und Rohwarenaktien – ebenso wie die Aktienmärkte insgesamt – sind in den Portfolios deutlich übergewichtet. Dagegen werden defensive Werte gemieden: Titel der Sektoren Immobilien, Basiskonsum und Versorger sind in den Portfolios deutlich weniger vertreten als in der Vergangenheit.
Zunehmend unbeliebt sind die Technologievaloren, sie leiden unter höheren Zinsen besonders. So ist das Übergewicht dieses Sektors dramatisch abgebaut worden. Der Anteil der Befragten, die Tech übergewichten, ist mit einem Saldo von 8 Prozentpunkten so niedrig wie seit Januar 2009 nicht mehr. Bald könnte erstmals seit November 2008 die Mehrheit der Befragten diesen Wachstumssektor untergewichten.
Noch stärker werden Anleihen und Cash von den professionellen Anlegern gemieden. Gegenüber Februar hat sich der durchschnittliche Cash-Anteil in den Portfolios zwar erstmals seit Juli 2020 leicht erhöht, mit 4% liegt er aber immer noch sehr tief.
Das Übergewicht von Aktien zu Anleihen ist damit fast so ausgeprägt wie im Januar 2011, als die bisher höchste Präferenz für Aktien gemessen worden ist. Massstab ist dabei die Differenz der Anteile der Befragten.
Die Angst vor höheren Zinsen sieht man auch beim stark gestiegenen Vertrauen der Fondsmanager in günstige Value-Aktien. Eine Rekordmehrheit der Befragten glaubt, dass Value- die teuren Growth-Titel bei der künftigen Performance schlagen werden.
Vor elf Monaten sah die Allokation der professionellen Anleger noch ganz anders aus. Damals hielt man in den Portfolios viel Cash und defensive Titel wie Gesundheit, Basiskonsum und Versorger. Zwar sind Energiewerte jetzt immer noch nicht übergewichtet, aber die rekordmässige Untergewichtung vom April 2020 ist nun fast vollständig abgebaut.
Auch wenn die Investitionen in Technologieaktien erst jetzt abgebaut werden – schon seit längerem stehen diese Titel gemäss Umfrage im Verdacht, «Overcrowded» und damit zu beliebt bei den Anlegern zu sein. Gut ein Drittel hält Tech immer noch für eine überlaufene Position.
Auf Platz zwei folgt Bitcoin, auf Platz drei stehen nachhaltige Anlageprodukte, die unter dem Label ESG angeboten werden. Neu in der Liste finden sich zyklische Aktien, die immerhin von über 5% der Befragten schon als übermässig populär eingeschätzt werden.
Dabei sind sich die Befragten einig wie noch nie, dass die globale Wirtschaft in den nächsten zwölf Monaten boomen wird: Eine Mehrheit von 91 Prozentpunkten ist für das Wachstum optimistisch. Rund 63% der Befragten glauben gar, dass das globale Wachstum «viel stärker» sein wird.
Dieses Wirtschaftswachstum wird aber von Inflation begleitet werden – beide werden gemäss den Umfrageteilnehmern über dem Trend liegen. Solch ein Szenario hatte in der Zeitreihe von BofA erst zwei Mal eine Mehrheit gefunden: im März 2011 und im Dezember 2016. Sonst nahmen die Optimisten immer ein ideales «Goldilock-Szenario» mit höherem Wachstum und niedriger Inflation als wahrscheinlicher an.
Erstmalig seit Ausbruch der Coronapandemie glaubt die Mehrheit der professionellen Anleger, dass die Wachstumserholung steil verläuft. Statt dieser V-förmigen Erholung hatte zuvor ein weniger guter Wirtschaftsverlauf die Mehrheit der Befragten hinter sich – sie erwarteten eine Stagnationsphase (U-Form) oder einen neuerlichen Rückschlag (W-Form).
Mit mehr Wirtschaftswachstum sollten auch die Unternehmensgewinne wachsen. Bei dieser Frage zeigt sich ebenfalls ein Konsens der Fondsmanager, den die BofA-Analysten bisher noch nie beobachtet haben. Im Saldo erwartet eine Mehrheit von 89 Prozentpunkten, dass sich die Gewinne der Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten verbessern werden. Bisherige Höhepunkte im Dezember 2009 und im Februar 2002 werden damit überschritten.
Von den Unternehmensführern erwartet nun die Mehrheit der Investoren, dass sie das Geld für Anlageinvestitionen verwenden, um einen möglichst grossen Vorteil aus dem erwarteten Wachstumsschub zu ziehen. Mit 53% ist der Anteil der Investitionsbefürworter so hoch wie seit Januar 2017 nicht mehr.
Zuvor haben es die meisten professionellen Anleger wegen der Unsicherheit um die Coronapandemie lieber gesehen, wenn der Gewinn zum Schuldenabbau verwendet wurde. Schon in der Finanzkrise ab 2008 zeigte sich, dass in Krisenzeiten die Profis kurzfristig auf eine gute Bilanzqualität achten.
Weiterhin sehr tief ist der Anteil von Fondsmanagern, die gerne mehr Ausschüttungen von den Unternehmen sehen würden.
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