Bei der Kreditvergabe nutzen immer mehr Anleger und Schuldner Crowdlending-Plattformen. Das Volumen dürfte sich dieses Jahr vervielfachen.
Die Suche nach Rendite drängt institutionelle Investoren verstärkt in neue und unkonventionelle Anlagemöglichkeiten – so auch in die des Crowdlending. Dies sind Plattformen, die Konsum- und Unternehmenskredite über Investoren finanzieren und diesen eine Rendite im mittleren einstelligen Prozentbereich versprechen.
Mit einem rekordhohen Zufluss an Investorengeldern rechnet Christoph Müller, Chef der Crowdlending-Plattform Creditgate24. Er erwartet für die kommenden Monate knapp eine Verzehnfachung der Geldzuflüsse. «Unser Ziel bis Ende Jahr ist ein Kreditvolumen von 200 Mio. Fr.», bestätigt Müller. In den ersten zwei Jahren ihres Bestehens hat Creditgate24 Kredite in der Höhe von 23 Mio. Fr. je hälftig an Private sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vermittelt.
Die meisten Schweizer Crowdlending-Plattformen sind erst in den vergangenen zwei Jahren entstanden und werden von Fintech-Start-ups geführt. Sie haben das Ziel, gegen die hohen Margen der Kreditbanken anzukämpfen. Davon soll einerseits der Kreditnehmer mit günstigeren Zinsen profitieren, andererseits bieten sie Anlegern eine Möglichkeit, Geld in Kredite zu investieren und auf diese Weise eine Rendite zu erwirtschaften.
Konkret funktioniert das so: Anleger können auf den Plattformen auswählen, in welchen Kredit sie Geld investieren wollen. Je nach Bonität der Schuldner liegt die erwartete Rendite zwischen 2 und 10%. Trotz der Vergabe von mehreren tausend Krediten hat bislang noch keine Plattform einen Zahlungsausfall registriert.
Von 8 auf 250 Mio. Fr.
Auch andere Crowdlending-Plattformen gehen von einer massiven Zunahme an Investoren und Kreditsuchenden in den kommenden Monaten aus. «Die Zahl der angefragten Kredite hat sich im Januar gegenüber dem Vorjahr verfünffacht», sagt Andy Siemers von Lend. Auch Michael Borter, der mit Cashare vor neun Jahren als erster Crowdlending-Anbieter in der Schweiz an den Start ging, verzeichnet einen deutlichen Schub seiner Zahlen. «2016 konnten wir so viele Kredite vermitteln wie in den acht Jahren zuvor», sagt er. Für dieses Jahr erwartet er eine Fortsetzung des Wachstums.
Creditgate24 wiederum will hauptsächlich bei den institutionellen Investoren punkten. «Wachstum und hohe Volumen sind enorm wichtig, um das Geschäft profitabel betreiben zu können», sagt Müller. Er konnte zuletzt namhafte Investoren an Bord holen, unter anderem Leonteq-Mitbegründer Michael Hartweg oder Ex-UBS-Risikochef Joseph Rickenbacher.
Während 2015 gemäss «Crowdlending-Report» des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) knapp 8 Mio. Fr. Kredite auf diese Weise vergeben wurden, dürften es im vergangenen Jahr rund 50 Mio. Fr. gewesen sein. 2017 dürfte sich diese Zahl nochmals auf 200 bis 250 Mio. Fr. vervielfachen. «Der Markt nimmt langsam Fahrt auf», sagt IFZ-Vertreter Andreas Dietrich. Allerding seien die Volumen im Vergleich zum herkömmlichen Kreditgeschäft verschwindend klein. Jährlich vergeben Banken Konsumkredite in der Höhe von 4 Mrd. Fr.
Die Kreditbanken verfolgen diese Entwicklung, sehen aber noch keinen Handlungsbedarf. «In der Schweiz wird Crowdlending in den nächsten fünf bis zehn Jahren kaum Marktanteile gewinnen. Aufgrund des geringen Potenzials ist ein Einstieg für uns nicht interessant», sagt Robert Oudmayer, CEO der grössten Schweizer Kreditbank Cembra. Die Migros Bank verfolgt die Entwicklung, sieht aber im Crowdlending ebenfalls noch keine «ausgeprägte Konkurrenz», wie ihr Sprecher ausrichtet. Die Zurückhaltung lässt sich aber auch mit den weiterhin hohen Margen im Kreditvergabegeschäft erklären.
PostFinance hält sich zurück
Auf globaler Ebene ist Crowdlending bereits heute ein Milliarden-Business geworden. 2016 wurden Kredite für 119 Mrd. $ von Privat zu Privat vermittelt, bis 2020 erwartet Morgan Stanley (MS 44.7127 0.19%) eine Verdoppelung. In Europa ist Grossbritannien mit einem Volumen von 7 Mrd. $ führend.
In der Schweiz wird das Wachstum auch durch den Eintritt neuer Plattformen getrieben. Der jüngste Zugang ist der Schweizer Ableger der deutschen Crowdlending-Plattform Lendico, die in Kooperation mit PostFinance mit Investorengeldern Kredite an Unternehmen vermittelt. Die Ankündigung der Zusammenarbeit eines Fintech-Start-up mit einem grossen, etablierten Finanzinstitut hatte im Herbst für Aufsehen gesorgt. Denn PostFinance wäre mit ihren Milliarden an Kundengeldern in der Lage, einen grossen Teil des Marktvolumens auf die eigene Plattform zu lenken. Derzeit ist davon aber noch nichts zu sehen. «Bisher hat PostFinance keine Produkte der Lendico Schweiz aktiv ins Portfolio übernommen», sagt ein PostFinance-Sprecher. Es sei aber das Ziel, Crowdlending in der Schweiz aus dem Nischenstatus in den Massenmarkt zu heben.
Derweil versuchen die Anbieter, mit neuen Ansätzen Investoren zu finden. Creditgate24 hat einen Sekundärmarkt eingeführt, in dem Anleger vorzeitig aus einem Kredit aussteigen können, falls sie einen Abnehmer finden. Auch grundpfandbesicherte Kredite sind immer mehr am Kommen. Swisspeers wiederum setzt auf Personen wie den früheren Schweizer 100-Meter-Rekordhalter Dave Dollé, die mit dem Namen zu ihrem Kredit stehen.
Um künftiges Wachstum sicherzustellen, müssten aber zwei Voraussetzungen erfüllt sein: einerseits die Aufhebung der Verordnung, dass maximal zwanzig Anleger einen Kredit finanzieren dürfen, andererseits die Gewährleistung von genügend vielen Kreditprojekten. «Das ist der Knackpunkt», sagt Dietrich. Denn Investoren liessen sich derzeit problemlos finden.
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