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15:54 Uhr - 06.08.2014

PageGroup-CEO: «Wir halten an organischem Wachstum fest»

Steve Ingham, CEO der PageGroup, erklärt im Interview mit FuW, warum er wenig von Übernahmen hält und er im Schweizer Adecco-Konzern nur eine potenzielle Gefahr sieht.

Zur PersonAls eines der wesentliches Merkmale der Kultur der PageGroup nennt Steve Ingham (51) die Loyalität. Er selbst kam, nach seinem Abschluss in Metallurgie und Materialkunde an der Universität von Notthingham, 1987 zum Unternehmen, das damals einen Gewinn von weniger als 1 Mio. £ erzielte. 2006 übernahm er das Amt des CEO. Wie der ehemalige Rugby-Spieler und Vater dreier Töchter bemerkt, sei auch sein gesamtes Managementteam innerhalb der PageGroup gross geworden.Für Steve Ingham unterscheiden sich der von ihm geführte  spezialisierte Fachkräftevermittler PageGroup und ein Generalist wie Adecco (ADEN 69.7 0.8%) stark. Ähnlich ist ihre Konjunkturabhängigkeit.

Herr Ingham, im März hat die damalige Hauptaktionärin von Adecco, die Jacobs- Gruppe, ihre Beteiligung grösstenteils verkauft, mit Verweis auf die hohe Volatilität der Aktien. Hören Sie von Investoren oft, dass die Titel von Personalvermittlern zu schwankungsanfällig sind?
Wenn die Leute über die Volatilität besorgt sind, können sie ja Aktien von Wasserunternehmen kaufen. Klar, wir als Personalvermittler können nicht viel dagegen tun, dass unsere Kunden sich in einem konjunkturellen Abschwung vor Neuanstellungen hüten und die Arbeitnehmer in solchen Phasen ungern ihre Stelle wechseln. Natürlich haben unsere Aktien eine höhere Volatilität als die aus anderen Sektoren. Aber unsere Investoren beklagen sich nicht darüber.

Lesen Sie hier mehr zum ThemaPageGroup kommt in SchwungDie Kursentwicklung bei PageGroup hat in dieser Dekade nicht wirklich beeindruckt. Seit Anfang 2010 haben die Aktien unter hohen Schwankungen 13% zugelegt, klar weniger als der Markt. Welche Investoren sollten sich heute dafür begeistern lassen?
Ich glaube, wir sind in einem frühen Stadium des Konjunkturzyklus. Speziell in Europa sehen wir eine sehr langsame Erholung, sie verläuft zudem nervös. In unserer Branche zeigt sie sich, was typisch für ein Frühstadium ist, vor allem in der Zeitarbeitsvermittlung und bei Festanstellungen in niedrigen Lohnsektoren. Der Fokus der PageGroup liegt aber auf der Vermittlung von höherqualifizierten Fachkräften. In der Folge sind unsere Wachstumsraten in der jüngeren Vergangenheit insgesamt nicht so hoch ausgefallen, was die Aktienkursentwicklung gehemmt hat. Aber das wird sich in dem Masse verbessern, wie sich die Wirtschaft erholt. Übrigens haben wir sehr loyale Aktionäre. Als Folge davon sehen wir im Aktionariat wenig Verschiebungen. Auch darum sind die Handelsvolumen in unseren Aktien tief.

Das Verhältnis von Festanstellungen zu Zeitarbeitsvermittlung signalisiert also, wo wir im konjunkturellen Zyklus stehen.
Zuerst gilt es da festzuhalten, dass es in Schwellenländern wie China, unserem drittgrössten Markt, oder in Lateinamerika kaum Zeitarbeit gibt. Wenn wir in China wie im zweiten Quartal 37% wachsen, ist das also kein Zeichen dafür, wo wir im Zyklus stehen. Anders ist es in Europa. Wenn hier die Zeitarbeitsvermittlung schneller wächst als der Bereich der Festanstellungen, bedeutet das normalerweise: Wir sind in einem frühen Stadium des Konjunkturzyklus. Wenn die Festanstellungen schneller zunehmen, heisst das normalerweise: Wir sind in einem späten Stadium des Zyklus. In Europa signalisiert das Verhältnis zurzeit, dass wir uns in einem sehr frühen Stadium befinden.

In welchen Ländern im alten Kontinent ist die Erholung schon etwas in Schwung gekommen, und was braucht es, damit auch die anderen in die Gänge kommen?
In Italien und Spanien sind wir zuletzt 17 respektive 18% gewachsen, in Portugal noch mehr. Alle diese Länder haben Reformen im Arbeitsmarkt durchgeführt. In Frankreich und Deutschland hat es dagegen noch wenig Reformen gegeben. Speziell in Frankreich sehen wir eine grosse Disparität im Verhalten von Festangestellten und dem von Zeitarbeitern. Unser Segment Page Personnel, in dem wir Fachkräfte auch für Zeitarbeit vermitteln, wuchs dort im zweiten Quartal 11%. Michael Page (MPI 453 0.29%), unser Festanstellungsgeschäft, schrumpfte 8%. Solch eine starke Polarisierung sieht man immer dort, wo eine strenge Gesetzgebung den Arbeitsmarkt wie in Frankreich unflexibel macht. Bis die Unternehmen bezüglich der wirtschaftlichen Aussichten nicht sehr zuversichtlich  gestimmt sind, vermeiden sie Festanstellungen. Stattdessen stellen sie lieber Zeitarbeiter an.

Was für Massnahmen erwarten Sie denn nun von der französischen Regierung?
Als Engländer habe ich von der französischen Regierung nichts zu erwarten. Aber hoffen darf ich. So erhoffe ich mir, dass die französische Regierung den Arbeitsmarkt flexibilisiert. Offen gesagt, denke ich, das ist der einzige Weg für das Land, um in Europa wettbewerbsfähig zu bleiben. In Spanien haben wir solche Reformen gesehen und als Resultat davon erholt sich die dortige Wirtschaft viel schneller als die französische.

Was werden denn in nächster Zeit die Wachstumstreiber für die PageGroup sein?
In Bezug auf die Branchen läuft es in den technischen Disziplinen gut, in den Ingenieur-Berufen, rund um die Produktion, speziell auch im Gas- und Ölsektor. Wenig Bewegung sehen wir in Europa noch in den Finanzdienstleistungen. In Bezug auf die Regionen ist einer unserer grossen Wachstumstreiber das Geschäft in Asien, speziell in China, wo wir über 400 Leute in zehn Filialen beschäftigen. Ein anderer Treiber ist die Region Americas. Auf längere Sicht gesehen ist Deutschland für uns ein wichtiger Zielmarkt. Es ist die grösste Wirtschaft in Europa, aber der Markt für Arbeitsvermittlung ist dort noch unterentwickelt. Speziell in der Vermittlung von Festangestellten sehen wir grosse Chancen.

Wo sehen Sie die grossen Herausforderungen für die Personalvermittlungsbranche?
Eine grosse Herausforderung besteht darin, mit den Veränderungen in der digitalen Welt Schritt zu halten. Die PageGroup betreibt über 300 Stellenbörsen weltweit. Einige davon sind moderner, andere werden wohl verschwinden. Wir müssen uns stets fragen, was geht, was nicht, welche sozialen Medien laufen gut. Wir nutzen immer noch traditionelle Medien wie Zeitungen. Es braucht einen komplexen Mix von Medien, um jeweils die richtigen Kandidaten für eine Stelle zu erreichen. Wir müssen es auch schaffen, Vorteile daraus zu ziehen, dass speziell im Segment der am höchsten qualifizierten Fachkräfte die Mobilität zunimmt. Junge Berufstätige wechseln von einem Ort der Welt zum anderen. Warum sollten sie auch in einem Land versauern, wo die Wirtschaft sich gerade schlecht entwickelt?

Adecco hat versucht, in der Fachkräftevermittlung stärker Fuss zu fassen. Alistair Cox, CEO ihres direkten Rivalen Hays, sagte vergangenes Jahr aber zur FuW, Adecco sei für sein Unternehmen nach wie vor kein bedeutender Konkurrent. Stimmen Sie zu?
In Europa stehen wir mit Adecco manchmal im Wettbewerb um Kunden, wenn es um die Vermittlung  niedriger qualifizierter Fachkräfte geht. Aber im Bereich der höher qualifizierten Fachkräfte sind sie kein Konkurrent für uns. Ausserhalb von Europa konkurrenzieren wir uns eigentlich überhaupt nicht. Es besteht ein grosser Unterschied zwischen den Generalisten Adecco, Manpower (MAN 0 0%) und Randstad und der Welt der spezialisierten Fachkräftevermittler, der von Hays, Robert Half und Michael Page. Aber Adecco ist ein grosses Unternehmen, mit viel Geld zum Investieren. Darum müssen wir sie immer als eine potenzielle Gefahr sehen.

Anfang Jahr gab es Gerüchte über eine Übernahme von Hays, als Interessent wurde Adecco gehandelt. Sehen Sie eine weitere Konsolidierung in der Branche?
Unsere Industrie ist immer im Ruf gestanden, sehr fragmentiert zu sein. Es gibt viele kleinere Wettbewerber. Ich bin nicht sicher, ob sie sich weiter erfolgreich weiterentwickeln können. Die Unternehmen agieren bei der Beschaffung von Arbeitskräften heute sehr professionell. Als Personalvermittler müssen sie viel in die Kundenbeziehung investieren. Und die Veränderungen in der digitalen Welt verkomplizieren alles, auch sie erfordern Investitionen. Für ein Fünf- oder Zehnmannunternehmen ist das kaum zu stemmen. Insofern wird es eine Konsolidierung geben, aber vor allem im Sektor der Generalisten.

Halten Sie auch eine grössere Übernahme eines spezialisierten Fachkräftevermittlers für möglich? 2008 versuchte Adecco ja schon mal, Michael Page zu übernehmen.
Persönlich glaube ich, es ist schwierig, einen grösseren Fachkräftevermittler wie Hays oder uns zu übernehmen. Letztlich übernimmt ein Käufer ja vor allem die Mitarbeiter, sie vor allem sind unsere Aktiven. Es ist möglich, Hays oder die PageGroup zu übernehmen, aber nur auf eine freundliche Weise. Wenn beide Parteien übereinstimmen. Sonst wäre es verrückt. Denn bei einer unfreundlichen Übernahme riskiert der Käufer, die Aktiven des Übernahmeobjektes, die Mitarbeiter, zu verlieren.

Doch PageGroup will selbständig bleiben.
Es ist eine strategische Frage. Warum sollten wir in eine Übernahme einwilligen? Es ist nur sinnvoll, wenn es ein starkes strategisches Argument dafür gibt, dass die Geschäfte beider Parteien davon profitieren. Heute und hier kann ich aber kein solches strategisches Argument erkennen. Ich kann keine Vorteile darin sehen, die Unabhängigkeit aufzugeben. Würde uns eine grössere Organisation übernehmen wollen, kann es eigentlich nur eine mit einem Volumengeschäft sein. Aber ich sehe nicht, wie die Verbindung unseres Geschäfts mit einem Volumengeschäft uns helfen könnte.

Ist es weiterhin die Politik der PageGroup, nur organisch zu wachsen und sich von Übernahmeaktivitäten fernzuhalten?
Politik ist dafür nicht das richtige Wort. Ja, wir haben keine Übernahmen getätigt. Wir sind gut in dem, was wir tun. Aber wir wären wohl nicht gut darin, andere zu übernehmen. Wir haben keine Erfahrung im Integrieren von Unternehmen. Die Vorteile des organischen Wachstums  liegen darin, dass wir überall, in jedem Bereich, in jedem Teil der Welt die gleiche Unternehmenskultur, die gleiche Marke besitzen. Unsere Strategie ist überall konsistent, weil wir nicht eine Übernahme getätigt haben. Dazu kommt, dass es in Regionen wie Asien und Lateinamerika, in Ländern wie Mexiko, China oder Indonesien, die wir im Visier haben, buchstäblich nichts zu kaufen gibt. Wir sagen niemals nie. Aber an der Strategie des organischen Wachstums halten wir fest.

Wachstum braucht die PageGroup, um die hohe Börsenbewertung zu rechtfertigen.
Wenn, und das ist ein grosses Wenn, wenn sich die Wirtschaft über die nächsten fünf Jahre erholt, besitzen wir mit unseren Marktstellungen das Potenzial, noch viel grösser zu werden, als wir es heute schon sind. Auf dieser Erwartung basiert unsere Börsenbewertung. Wir müssen nur von den wirtschaftlichen Unsicherheiten wegkommen, speziell in Europa. Dann wird es rasch aufwärtsgehen und dann wird unsere Bewertung bald gerechtfertigt.

PageGroup kommt in SchwungZu den grossen Drei in der Welt der Personaldienstleister gehören die schweizerische Adecco, die niederländische Randstad und die amerikanische Manpower. Als Generalisten sind sie weiter stark in der klassischen Zeitarbeit verankert und betreiben ein Volumengeschäft. Umsatzmässig kleiner, aber klar profitabler sind die auf Fachkräftevermittlung spezialisierten Unternehmen: Unter ihnen zählen die PageGroup und Hays aus Grossbritannien und die amerikanische Robert Half zu den Leadern.

Gemäss Steve Ingham ist die von ihm geführte PageGroup unter den spezialisierten Fachkräftevermittlern die Nummer eins etwa im Heimmarkt Grossbritannien sowie in Asien und Lateinamerika. Konkurrent Robert Half halte die Spitzenposition in Nordamerika und Hays in Deutschland.

Die 1976 gegründete Michael Page wurde 2012 in PageGroup umfirmiert. Diese führt drei Marken: Page Executive für die Vermittlung von Führungskräften und Entscheidern im Top-Management, Michael Page für die Vermittlung von Fach- und Führungskräften für Festanstellungen als auch auf Projektbasis sowie Page Personnel für die Vermittlung qualifizierter Fachkräfte und junger Berufstätiger für Festanstellungen sowie im Rahmen von Zeitarbeit.

Die PageGroup ist zusehends in Schwung gekommen. Im dritten Quartal 2013 sank ihr Bruttogewinn zu konstanten Wechselkursen noch 0,2%. Seither verzeichnet sie ein Wachstum, das sich von Quartal zu Quartal beschleunigt hat, von 0,3 über 6,8 auf zuletzt 8,9%. Besonders stark expandiert sie etwa in China, aber auch in Nordamerika, wo sie nun schon in fünf aufeinanderfolgenden Quartalen Zuwachsraten von über 20% verzeichnet hat.

Im Sektor weisen die Aktien Michael Page die höchste Bewertung auf (vgl. Tabelle). Darin spiegeln sich die hohen Wachstumserwartungen. Adecco versuchte 2008, den Spezialistenvermittler zu übernehmen – doch die Preisvorstellungen der Briten waren den Schweizern zu hoch.
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