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08:20 Uhr - 17.10.2017

Brexit wird zur Chefsache

Theresa May schaltet sich mal wieder in die Brexit-Verhandlungen ein. Ob das wirklich eine gute Idee ist?

Seit Wochen erzielen Grossbritannien und die Europäische Union bei den Austrittsverhandlungen keine Fortschritte mehr. Die Positionen sind bezogen, keine Partei will von den ihrigen abweichen. Die Unterhändler David Davis und Michel Barnier kommen sich nicht näher. Dabei sollte dieses Duo die Details der zukünftigen Handelsbeziehungen zwischen der EU und Grossbritannien bis Frühling 2019 klären.

Premierministerin Theresa May möchte wieder Schwung in die Verhandlungen bringen. Aus diesem Grund traf sie am Montagabend EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel zum Dinner. Ersten Kommentaren zufolge sei das Gespräch konstruktiv verlaufen. Dennoch gibt es keine Anzeichen, dass der Stillstand bei den Verhandlungen gebrochen werden konnte.

Erinnerungen an April 

Das wundert die Beobachter allerdings nicht. Bereits im Vorfeld war gerätselt worden, ob der Zug von May wirklich geschickt war. Die Experten erinnerten an April – kurz nach der Anrufung von Artikel 50 des Lissaboner Vertrags zum Verlassen der Union. Damals hatte May ebenfalls Juncker zum Essen getroffen.

Allerdings endete das Treffen in einem kommunikativen Debakel. Gemäss offizieller Erklärung sei das Treffen damals konstruktiv verlaufen. Wie sich aber dank Indiskretionen Beteiligter gegenüber der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» herausstellte, entsprach diese Version nicht der Wahrheit.

Beteiligte sprachen damals von einer frostigen Atomsphäre, die Briten seien über den Ausgang des Gesprächs aufgebracht gewesen. Es war ein misslungener Auftakt zu Verhandlungen gewesen, die eigentlich schnell und effizient ablaufen müssten.

Geglättete Wogen

Inzwischen haben Grossbritannien und die EU die Wogen etwas geglättet. Nur in einem Punkt gehen die Vorstellungen noch immer meilenweit auseinander – in der Frage, wie viel Geld die Briten der EU nach dem Austritt infolge weiterlaufender Verpflichtungen noch schulden.

Erste Forderungen der EU an die Briten hatte bei 100 Mrd. € gelegen. Inzwischen hat die europäische Seite ihre Wünsche deutlich reduziert. Grossbritannien hingegen ist nur bereit, einen Bruchteil davon zu zahlen. Bestärkt werden die Briten durch einen kürzlich publizierten offenen Brief von Daniel Gros. Der Chef des Think Tank Centre for European Policy Studies hat die Verpflichtungen der Briten auf maximal 10 Mrd. € berechnet.

Übergangsfrist wohl unumgehbar

Solange aber die Frage dieser «Brexit Bill» nicht geklärt ist, will die EU nicht die grundsätzlichen Fragen der künftigen Handelsbeziehungen besprechen. Nach fünf Besprechungsrunden hatte vergangene Woche EU-Chefunterhändler Barnier gesagt, man sei in einer Sackgasse gelandet. Daran hat auch die erneute Einmischung von Premierminsterin May nichts geändert, wie ersten Kommentaren in britischen Medien zu entnehmen ist.

Derweilt tickt die Uhr weiter. In weniger als eineinhalb Jahren ist der formale Prozess der Scheidung von der EU abgeschlossen – unabhängig davon, ob sich die EU und Grossbritannien auf einen Deal einigen können. Derzeit läuft alles darauf hinaus, dass nach der offiziellen Scheidung eine mindestens zweijährige Übergangsfrist angehängt wird. Ohne sie würden die Austrittsgespräche wohl ergebnislos enden.

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