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11:40 Uhr - 02.03.2020

Soziale Verantwortung notwendig

Verwaltungsräte sehen den Nutzen gesellschaftlicher Verantwortung. Themenführung ist für die Umsetzung nötig.

Eine auf Werten basierende und gegenüber Mensch und Umwelt verantwortungsvolle Unternehmensführung wird immer mehr zu einer Grundvoraussetzung modernen Wirtschaftens. Die Erwartungen der Öffentlichkeit und der Investoren an die Unternehmen, diese Verantwortung wahrzunehmen, steigen.

Milton Friedmans in den Siebzigerjahren aufgestelltes Diktum, die Gewinnerzielung und die Steigerung des Unternehmenswerts seien die einzige gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, scheint ausgedient zu haben. Wirtschaftlicher Erfolg wird immer mehr mit gesellschaftlichem Engagement und verantwortungsvollem Umgang mit ökologischen Herausforderungen verknüpft. Die neuesten Beispiele solcher gesellschaftlich orientierter Unternehmensstrategien sind die Ankündigung von BlackRock (BLK 463.01 -2.69%), Nachhaltigkeit selbst zu ihrem neuen Investmentstandard zu machen, oder das ambitiöse Ziel von Microsoft (MSFT 162.01 2.42%), bis 2030 CO2-negativ zu werden.

Auch Schweizer Verwaltungsräte scheinen die Zeichen der Zeit zu erkennen und beschäftigen sich verstärkt mit der ethischen Verantwortung und dem gesellschaftlichen Engagement ihres Unternehmens. Dies ist eine der zentralen Erkenntnisse des aktuellen SwissVR Monitor – einer Umfrage der Vereinigung SwissVR, Deloitte und der Hochschule Luzern. 429 VR-Mitglieder von Schweizer Unternehmen verschiedener Grössen und Branchen haben teilgenommen.

Mitarbeiter im Fokus

Auf die Frage, welche Aspekte der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen für sie wichtig seien, nennen 89% der befragten VR-Mitglieder die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, 84% die für ethisches Wirtschaften und 64% die gegenüber dem Kunden. Damit werden «unternehmensnahe» Aspekte klar priorisiert. Die Verantwortung gegenüber Natur und Umwelt (47%) wird als weniger wichtig erachtet, und noch tiefere Priorität hat die Verantwortung gegenüber dem Unternehmensstandort (34%) und dem Staat (22%). Dieses Bild bestätigt sich bei der Frage, welche Themenfelder beim gesellschaftlichen Engagement des Unternehmens Top-Priorität haben. Am häufigsten genannt werden das Engagement für die Mitarbeiter (69%), für Bildungsmöglichkeiten (59%) und für Gesundheit und Wohlbefinden (48%). Themenfelder wie verantwortungsvoller Verbrauch und Produktion (42%) oder Klimaschutz (31%) finden sich deutlich weniger unter den Top-Prioritäten. Die tiefe Priorisierung von ökologischen Aspekten mag angesichts der aktuellen Diskussionen über den Klimaschutz überraschen. Allerdings heisst das wohl nicht, dass diese Aspekte in den Programmen zur gesellschaftlichen Verantwortung oder Corporate Social Responsibility (CSR) von Unternehmen nicht berücksichtigt werden. Die grosse Mehrheit der Befragten erkennt in CSR eine wichtige Differenzierungschance und ein mögliches Alleinstellungsmerkmal, um die Attraktivität ihres Unternehmens als Arbeitgeber zu erhöhen (92%), die Reputation zu stärken (87%) und Wettbewerbsvorteile zu schaffen (85%). Sie sehen aber auch die Zielkonflikte zwischen Kosten und Nutzen der Wahrnehmung von gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung: 32% der VR-Mitglieder finden, dass CSR-Aktivitäten Kosten verursachen, die entweder denn Gewinn schmälern, die Produkte verteuern oder die Gehälter reduzieren. Und ein weiteres Drittel findet, Unternehmen sollten sich in erster Linie auf wirtschaftliche Aufgaben fokussieren und nicht Zeit und Geld in soziales Engagement stecken. Zu beachten gilt wohl, dass Kosten-Nutzen-Einschätzungen auch davon abhängen, welche Elemente überhaupt gemessen werden (können) und wie hoch die Diskrepanz zwischen den nötigen kurzfristigen Investitionen und dem langfristigen Nutzen ausfällt.

Handlungsbedarf

Positiv stimmt, dass bei 81% der VR-Mitglieder CSR schon Bestandteil der Unternehmensstrategie ist. Die Finanzdienstleistungsindustrie (88% der Befragten) liegt hier am weitesten über und die Informations- und Kommunikationstechnik (69%) am weitesten unter dem Durchschnitt. Über ein Drittel der Befragten ist der Meinung, ihr Verwaltungsrat verfüge nicht über genügend Ressourcen und Fachwissen, um das Thema umzusetzen. Und nur die Hälfte meint, der VR nehme sich genügend Zeit, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wie sich zeigt, scheinen hier kleine und mittlere Gesellschaften grösseren Handlungsbedarf zu haben als Grossunternehmen.

Viele tun sich auch schwer damit, die für sie wichtigen CSR-Themen zu definieren, die Zielsetzungen der CSR abzustecken und die Zielerreichung zu messen: Nur bei 46% der VR-Mitglieder haben die Unternehmen Themen definiert, und nur bei 36% haben sie Ambitionen und Zielsetzungen für ihr gesellschaftliches Engagement festgelegt. Klare Themenfokussierung und ein strategisches Controlling mit Zielsetzungen und Messung der Zielerreichung sind jedoch wichtige Voraussetzungen, um CSR systematisch und nachhaltig umzusetzen. Damit gesellschaftliche Unternehmensverantwortung nicht einfach eine schöne Plattitüde und eine PR-Aufgabe bleibt, sondern ein integrales Element modernen Wirtschaftens wird, braucht es in vielen Verwaltungsräten noch ein konsequenteres Umdenken.

Der VR ist im Lead

Der Verwaltungsrat ist unter anderem für Unternehmenspolitik und -strategie, die Festlegung und die Überwachung der obersten Unternehmensziele sowie die Identifizierung von Chancen und Risiken verantwortlich – und somit auch für CSR. Verfolgt ein Unternehmen keinen gesellschaftlich orientierten Unternehmenszweck, liegt es am VR, die Weichen zu stellen. Bei Gesellschaften mit einem starken CSR-Fokus ist es wichtig, dass der VR nicht nur die Strategie erarbeitet und auf die richtigen Themen fokussiert, sondern auch sicherstellt, dass das Unternehmen die CSR-Ziele implementiert, die Zielerreichung misst und periodisch eine Standortbestimmung zum gesellschaftlichen Engagement und zu den damit verbundenen Chancen und Risiken vornimmt.

Je nach Art und Umfang des Engagements lohnt sich die Einrichtung eines speziellen CSR-Komitees auf Ebene des Gesamtunternehmens. Solche Komitees unterstreichen das Bekenntnis an der Unternehmensspitze und stellen sicher, dass die gesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen wird und die CSR-Programme richtig umgesetzt werden.

Bei der Nachhaltigkeits- oder CSR-Berichterstattung setzt die Schweiz bis anhin auf Selbstregulierung – anders beispielsweise als die EU, wo gewisse kapitalmarktorientierte Unternehmen zu einem transparenten Reporting von Leistungen gegenüber Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt verpflichtet sind.

Einige kotierte Schweizer Unternehmen publizieren aber schon freiwillig einen Nachhaltigkeitsbericht nach einem international anerkannten Standard. Ein – allenfalls einfach gehaltenes – Nachhaltigkeitsreporting kann auch für kleinere Unternehmen eine Chance sein, um glaubwürdig darzulegen, dass sie ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und welchen Nutzen sie damit bewirken. Solche Transparenz schafft Vertrauen und macht unverhältnismässige Regulierungen – wie beispielsweise die Konzernverantwortungsinitiative sie fordert – unwahrscheinlicher.


Verhaltene Konjunkturaussichten


Wie der aktuelle SwissVR Monitor 2020 in seiner regelmässigen Befragung zeigt, schätzen die 429 befragten Teilnehmer die konjunkturellen Aussichten für die Schweiz weiterhin zurückhaltend ein. Im Vergleich zum vergangenen SwissVR Monitor (II/2019) werden die Konjunkturerwartungen für die Schweiz von etwas weniger Verwaltungsratsmitgliedern als positiv eingeschätzt. Der Ausblick für die eigene Branche und das eigene Geschäft wird hingegen weiterhin als stabil und optimistisch eingeschätzt.

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