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00:01 Uhr - 20.08.2015

China verunsichert US-Notenbank

Die Währungshüter in den USA sorgen sich um die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft. Ihre Pläne für eine baldige Zinserhöhung könnten sich damit verzögern.

Der Countdown läuft. Noch vier Wochen geht es bis zur nächsten Sitzung der amerikanischen Notenbank. Rund um den Globus sehen Investoren dem Treffen mit wachsender Spannung entgegen, könnten die US-Währungshüter doch erstmals seit der Finanzkrise die Zinsen erhöhen. Wie aus dem Protokoll ihrer letzten Zusammenkunft von Ende Juli hervorgeht, wird der Entscheid äusserst knapp ausfallen.

Die meisten Teilnehmer «befanden, dass die Bedingungen für eine Straffung der Geldpolitik noch nicht erfüllt worden sind. Sie hielten aber fest, dass die Bedingungen sich diesem Punkt nähern», heisst es in den FOMC Minutes, die jeweils drei Wochen nach einer Zinssitzung des Federal Reserve veröffentlicht werden.

Angst vor einem «China-Effekt»

In den vergangenen Tagen sind im Fed weitere Nachrichten eingetroffen, die den Entscheid an der nächste Sitzung vom 16. und 17. September beeinflussen werden. Dazu zählt vor allem die Abwertung der chinesischen Währung, die Bedenken zur Verfassung der chinesischen Wirtschaft verstärkt hat und für erhöhte Nervosität an den Finanzmärkten sorgt.

Obschon das Fed am letzten Treffen noch nichts von dieser überraschenden Massnahme Pekings wusste, gab China bereits damals zu reden. Die Währungshüter hielten die Auswirkungen des Kurseinbruchs an der chinesischen Börse zwar für begrenzt. «Mehrere Mitglieder bemerkten aber, dass eine materielle Abkühlung der chinesischen Wirtschaft ein Risiko für den Konjunkturausblick in den USA bedeuten könnte», hält das Sitzungsprotokoll fest.

Unsicherheit um Inflation

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist der Crash im Rohstoffsektor. Öl der Referenzsorte WTI ist am Mittwoch unter 41 $ gefallen. Das ist der tiefste Stand seit mehr als sechs Jahren und spricht nicht für ein rasches Anziehen der Inflation. Im Juli ist der Index der Konsumentenpreise lediglich 0,1% zum Vormonat gestiegen, was unter den Erwartungen der Ökonomen lag. Die Kernteuerungsrate der Konsumentenausgaben verharrt zudem seit über drei Jahren konstant unter den 2%, die das Fed anvisiert.

«Einige Teilnehmer waren der Ansicht, dass die eintreffenden Informationen bislang noch keine Basis für ausreichende Zuversicht legen, dass die Inflation auf mittlere Sicht zurück auf 2% steigt», steht dazu in den Sitzungsunterlagen. «Der Ausblick zur Inflation könnte deshalb noch einige Zeit die Voraussetzungen nicht erfüllen, die das Fed für den Beginn zur Straffung der Geldpolitik festgelegt hat.»

Signal zur Vorsicht

Offiziell protokollieren die FOMC Minutes lediglich die Diskussion unter den Währungshütern. Sie werden vor der Veröffentlichung jedoch mehrfach überarbeitet und vom Federal Reserve als Mittel zur Kommunikation mit den Märkten benutzt. Investoren interpretierten die Unterlagen als Signal, dass eine Zinserhöhung im September weniger sicher ist als bislang erwartet.

«Die Messlatte für eine Zinserhöhung ist nun etwas höher angesetzt worden», meinen beispielsweise die Ökonomen der Bank Barclays. Sie rechnen zwar weiterhin damit, dass die US-Notenbank nächsten Monat ernst machen wird. Die FOMC Minutes in Kombination mit den tieferen Energiepreisen und der moderaten Eintrübung der internationalen Wirtschaftslage hätten jedoch das Risiko erhöht, dass ihre Prognose nicht eintreffen könnte, relativieren sie.

Dollar sackt ab

Der US-Leitindex S&P 500, der am Mittwoch gegen Mittag zunächst tief im Minus notiert hatte, zog nach der Publikation des Protokolls an. Er büsste dann allerdings wieder Terrain ein und schloss 0,8% leichter auf 2079,61. Deutlich reagierte der Dollar. Er verlor gemessen an den wichtigsten Währungen 0,6% und ging zu 1.04 $ pro Franken aus dem Handel. Am Bondmarkt gab die Rendite auf zehnjährige US-Staatsanleihen 7 Basispunkte auf 2,13% nach.

Die Spekulationen um die Pläne des Federal Reserve werden sich in den kommenden Wochen weiter intensivieren. Keine Anhaltspunkte zur US-Geldpolitik wird es dieses Jahr aus Jackson Hole geben. Fed-Chefin Janet Yellen nimmt nicht am hochrenommierten Wirtschaftssymposium teil, zu dem sich Top-Geldpolitiker aus der ganzen Welt jeweils Ende August am Fuss der Rocky Mountains treffen. Gut möglich, dass ihr Fernbleiben damit zusammenhängt, dass sie dem Entscheid des Fed-Gremiums nicht vorgreifen will.

Heisse Debatte im Fed

Während sich Yellen bedeckt hält, sind in den vergangenen Tagen andere Vertreter aus dem Fed-Vorsitz an die Öffentlichkeit gegangen. Dazu zählt Narayana Kocherlakota, Präsident der Fed-Distriktnotenbank Minneapolis. Er warnte am Mittwoch in einem Gastkommentar im «Wall Street  Journal» vor den Konsequenzen einer übereilten Zinserhöhung. Zudem betonte Notenbankgouverneur Jerome Powell unlängst, dass im Fed-Vorsitz bislang kein Beschluss gefasst worden sei.

Deutlich für einen baldige Zinserhöhung haben sich hingegen Dennis Lockhart und James Bullard ausgesprochen, die den Distriktnotenbanken von Atlanta respektive St. Louis vorstehen. Keine klare Stellung nahm Bill Dudley vergangene Woche ein, der dem einflussreichen New York Fed vorsteht und zum inneren Führungszirkel um Yellen zählt.

An den Terminmärkten Chicagos, wo Investoren auf die künftige Entwicklung der US-Geldpolitik wetten, belaufen sich die Chancen für einen Zinsschritt im September aktuell auf 45%. Den letzten Zyklus in der Geldpolitik hat das Federal Reserve im Sommer 1994 eingeleitet. Seit Ende 2008 hält es den Leitzins auf nahezu null gedrückt.

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