Zurück zur Übersicht
15:34 Uhr - 09.06.2015

«Eine weitere Aufwertung des Dollars steht bevor»

Luca Bindelli, Chef Foreign Exchange Analysis der Credit Suisse, erläutert Interview mit der FuW, dass sich die US-Währung zum Euro und zum Franken noch rund 10% aufwerten wird.

Herr Bindelli, im Sog des jüngsten, scharfen Renditeanstiegs an Europas Bondmärkten zeigt der Euro aufwärts. Hat er seine Schwäche überwunden?
Das glauben wir nicht. Der Euro hat zwar von den steigenden Renditen deutscher Staatsanleihen Unterstützung erhalten, die Geldpolitik der EZB wird aber den Abwärtsdruck auf den Zinsen aufrechterhalten, was weitere Kapitalabflüsse aus der Eurozone in Länder mit höheren Zinsen erlaubt. Darüber hinaus wird sich die Divergenz bei den relativen Zentralbankbilanzen zu Gunsten des Dollars und somit gegen den Euro weiter fortsetzen. Die erwartete Ausweitung der Bilanz der Europäischen Zentralbank um gesamthaft 60 Mrd. € pro Monat und die stabile Bilanzgrösse der US-Notenbank sind konsistent mit einer Abschwächung des €/$-Kurses in Richtung Parität über ein Jahr.

Wohin fliesst das Kapital, das aus Bonds aus Euroland abgezogen wird, ausser in den Dollar? Lässt sich dafür ein generelles Währungsmuster ableiten?
Es ist schwierig, mit Sicherheit zu wissen, wohin das Kapital fliesst, da entsprechende Daten fehlen. Für die EZB-Staatsanleihenkäufe scheinen ausländische Investoren die wichtigsten Verkäufer zu sein. Sie hielten per September 2014 rund 2.5 Bio. € vom Bestand ausstehender Staatsanleihen der Eurozone von 7.3 Bio. €. Wir wissen auch, dass die EZB-Anleihenkäufe rund 50 Mrd. € pro Monat betragen. Wenn die EZB somit Anleihen proportional von der Investorenbasis kauft, würden rund 17 Mrd. € von ausländischen Anlegern monatlich kommen. Natürlich wenden sich nicht alle Verkäufer von der Eurozone ab.

Aber?
Eine möglicherweise bedeutsamer Anteil dürfte gänzlich aus dem Euro rausgehen. Dabei handelt es sich um ausländische Zentralbanken, die einen hohen Anteil ihrer Währungsreserven – mehr als 1 Bio. €  der nachgewiesenen Reserven – in Euro halten, vorwiegend Staatsanleihen der Eurozone. Ausländische Zentralbanken haben bereits in den letzten Jahren den Euroanteil beträchtlich reduziert, als die kurzfristigen Zinsen sich zu Gunsten des Dollars entwickelten.

Zum Beispiel China.
Auch, ja. Ausländische Notenbanken dürften ihren Anteil in Euro weiter verringern, indem sie Obligationen aus der Eurozone verkaufen und andere Reservewährungen berücksichtigen, den Dollar, aber möglicherweise auch das britische Pfund, den kanadischen und australischen Dollar und den Franken. Anleger dürften auf der Suche nach Rendite ebenfalls zu Kapitalabflüssen beitragen. So betrugen im März die Kapitalabflüsse von EWU-Investoren im festverzinslichen Bereich 42 Mrd. €, was über dem Leistungsbilanzüberschuss der Eurozone über die gleiche Periode lag.

Was nimmt der Euro an politischer Entwicklung in der Griechenlandfrage vorweg?
Der Euro hat sich zuletzt widerstandsfähig gezeigt. Unser Hauptszenario unterstellt eine Einigung zwischen Griechenland und seinen Gläubigern, gefolgt von Verhandlungen über ein drittes Rettungspaket. Der Euro könnte sich in diesem Fall kurzfristig erholen, da Wechselkursabsicherungen dann aufgelöst würden.

Was wäre das Worst-Case-Szenario?
Obwohl nicht unser Hauptszenario, wäre der Worst Case, dass Griechenland Zahlungstermine verpasste, und dass Unfähigkeit oder fehlender Wille auf beiden Seiten einer Einigung im Wege stünden. Das könnte eine Kettenreaktion von Ereignissen auslösen, die zu Kapitalverkehrskontrollen, Instabilität im Finanzsektor und möglicherweise sogar einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone führen könnte. Unter diesen Umständen würde sich der Euro deutlich abschwächen.

In Europa scheinen sich immerhin die Deflationskräfte zu verflüchtigen. Könnte es, wenn nicht heute, dann in sechs bis zwölf Monaten, zu einem Paradigmenwechsel am Devisenmarkt kommen: fester Euro, schwacher Dollar?
Dass sich die Deflationskräfte zu verringern scheinen, ist ein gutes Zeichen, dass die quantitative Lockerung der EZB zu funktionieren beginnt. Damit es aber zu einem Paradigmenwechsel kommt, müssten sich Erwartungen aufbauen, dass das QE rückgängig gemacht wird, oder die EZB beabsichtigt, das Programm vor dem geplanten Zeitpunkt im September 2016 zu  beenden. Solche Erwartungen würden sich bilden, wenn die Inflation stärker steigen und über dem EZB-Inflationsziel am Ende ihres Prognosezeitraums liegen würde. Wir erwarten jedoch nicht, dass dies passieren wird.

Weshalb nicht?
Die Wirtschaft der Eurozone befindet sich deutlich unter ihrem langfristigen Potenzialswachstum. Das deutet an, dass sich kaum inflationärer Druck bilden wird, auch nicht, wenn der preisdämpfende Effekt des tieferen Erdölpreises auf die Teuerung nachlässt.

Wie weit wird die Dollaraufwertung gehen, zum Euro, zum Franken?
Wir erwarten eine Dollaraufwertung zu Euro und Franken um je rund 10%. Eine Bewegung darüber hinaus würde bedeuten, dass die US-Währung deutlich überbewertet wäre und somit stärkeres Gewicht in geldpolitischen Entscheidungen haben könnte, also dämpfend auf die Zinserwartungen und somit auf den Dollarkurs selbst wirkte.

Franken und Euro im Gleichschritt, mit 1,03 Fr./€ als unterstes Limit, der Verteidigungslinie der Nationalbank, wie es Analysten zu wissen glauben?
Die SNB (SNBN 1169 -1.6%) scheint zwar im Bereich von 1.03 Fr./€ in bescheidenem Umfang Fremdwährungen gekauft zu haben. Wir würden diese Marke aber nicht als unverrückbare rote Linie sehen. Erstens wird die Nationalbank wohl kaum bereit sein, zu einem neuen Mindestkurs zurückzukehren, selbst wenn dieser nicht offiziell angekündigt würde. Zweitens orientiert sie sich möglicherweise verstärkt an einer Art von handelsgewichtetem Frankenindex. Trifft dies zu, könnte eine von uns erwartete Abschwächung des Frankens zum Dollar und anderen Währungen mit einer grösseren Toleranz für einen Eurokurs unter 1.03 Fr. einhergehen.

Sie sprechen von einer Anbindung an einen Währungskorb – ein realistisches Szenario?
Wir denken, solch ein Szenario ist realistisch. Dieser Argumentation folgend, haben wir ermittelt, dass sich der Franken gegenüber einem einfachen Korb aus Dollar und Euro – jeweils mit einer Gewichtung von 50% – seit dem Wegfall der Untergrenze tendenziell seitwärts bewegt hat, obwohl bei den Währungspaaren €/Fr. und $/Fr. stärkere Kursschwankungen zu beobachten waren.

Wo sehen Sie den €/Fr.-Kurs in Zukunft?
Wir sehen den Euro bei 1.03 Fr. in drei  und bei 1.08 Fr. in zwölf Monaten.

Welche Währungsüberlegungen müssen sich Anleger bei der Portfoliozusammenstellung machen?
Zum Beispiel ist der US-Dollar-Index 2014 rund 10% gestiegen. Die Performance der Anleger hing letztes Jahr also grösstenteils von Devisenentscheidungen ab. Auch 2015 wird es wichtig sein, dass Anleger ihre Währungsrisiken steuern. Tatsächlich haben wird seit Anfang Jahr deutliche höhere Währungsvolatilität erlebt.

Das heisst, Fremdwährungen abzusichern?
Die Relevanz hängt hauptsächlich von der Referenzwährung sowie dem zugrundeliegenden Portfoliomix ab. Bei festverzinslichen Anlagen ist die Währungsabsicherung zentral, weil der grösste Teil der Volatilität – rund 70 bis 100% – von der Währung stammt. Zudem steuern Währungsschwankungen zur Volatilität der Renditen ausländischer Anlagen durch ihre Korrelation mit ausländischen Anlagen bei. Generell ist das Absichern von Währungen zu empfehlen, die mit den zugrundeliegenden Vermögenswerten positiv korrelieren, was auch die Volatilität des Portfolios verringert. Da die Korrelationen zwischen ausländischen Anlagen und Währungen sich aber über die Zeit verändern, sollte die Absicherungsaktivität dynamisch und nicht passiv sein. Möglicherweise kann ein zusätzlicher Überschussertrag generiert werden, wenn der Ausblick für die Währungen im Prozess integriert wird.

Was ist aus Frankensicht auf sechs bis zwölf Monate auch ohne Absicherung zu verantworten?
Unter den Hauptwährungen halten wir den US-Dollar, das britische Pfund, den Yen, die norwegische Krone und den kanadischen Dollar für  reizvoll, um sie gegen den Franken zu halten.

Würden Sie in den Renminbi investieren?
Eine interessante Investitionswährung für Frankeninvestoren. Die Wachstumsverlangsamung sowie die anhaltende geldpolitische Lockerung der PBoC wird den Renminbi belasten. Aber das offizielle Augenmerk in Bezug auf die Währung legt China auf die Verstärkung der Internationalisierung durch Öffnung der Kapitalbilanz und die Aufnahme in den Währungskorb der Sonderziehungsrechte (SZR) des IWF. Das sollte den Renmimbi unterstützen. Wir erwarten zwar eine moderate Abschwächung gegenüber dem Dollar. Da wir aber von einer breiten Stärke der US-Währung ausgehen, auch gegenüber dem Franken, wären wir mit Engagements in Renminbi, die auch eine zusätzliche attraktive Verzinsung ergäben, zufrieden.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.