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10:06 Uhr - 28.12.2016

«Stellen fallen nicht ersatzlos weg»

Werner Eichhorst Der Arbeitsmarktforscher widerspricht dem Chor der Warner, die menschliche Arbeitskraft für schon bald überflüssig halten.

Herr Eichhorst, manche Experten erwarten, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt völlig verändern und zu grosser Arbeitslosigkeit führen wird. Stimmt das?
Zur PersonWerner Eichhorst beschäftigt sich am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit IZA in Bonn mit Veränderungen in der Arbeitswelt. Er hat Soziologie, Psychologie und Verwaltungswissenschaften in Tübingen und Konstanz studiert. Mir fehlt der Beleg für grosse disruptive Veränderungen mit negativen Auswirkungen. Ich erwarte, dass sich bestimmte Trends, die die Arbeitswelt die letzten Jahrzehnte geprägt haben, fortsetzen werden. Sie werden sich vielleicht intensivieren. Aber wir haben die Möglichkeit, die Entwicklung erfolgreich zu bewältigen.

Sie glauben nicht an eine plötzliche Veränderung, die nun droht?
Es hat sich schon viel verändert, auch wenn man das in den Beschäftigungszahlen nicht sieht. Es gibt einen stetigen Wandel: In manchen Berufen entstehen mehr Stellen, in anderen fallen sie weg. Neue Unternehmen etablieren sich, manche alten Firmen schaffen die Umstrukturierung nicht. Es gibt aber keinen ersatzlosen Wegfall von Beschäftigung. Insgesamt ist die Zahl der Beschäftigten historisch gesehen sehr stabil. Es gibt kein Anzeichen, dass jetzt eine Trendwende kommt.

Was für neue Jobs entstehen denn?
Es wird mehr Stellen geben, bei denen die Arbeit durch die neuen technischen Möglichkeiten ergänzt wird. Mit dieser Ergänzung erreichen die Arbeitnehmer eine höhere Produktivität. Die neu entstehenden Tätigkeiten sind aber zum Beispiel in der nötigen Qualifikation nicht gleich wie die wegfallenden. Für viele Arbeitnehmer wird es sicher nicht einfach, das Berufsfeld zu wechseln. Doch bei neuen Jobs darf man nicht nur an technischen Fortschritt denken – Gastronomie oder die Pflege sind auch Wachstumsbereiche.

Können nicht viele Berufe automatisiert werden, auch im Dienstleistungssektor?
Nur weil es Potenzial zur Automatisierung gibt, bedeutet das nicht, dass das über Nacht passiert und Jobs ersatzlos verschwinden. Es gibt in allen Berufen Tätigkeiten mit mehr oder weniger Routine. Viele Berufe werden wohl nur teilweise automatisiert. Die Berufsbilder können sich so ändern, dass der Anteil von Nicht-Routine-Arbeiten wächst. So könnte im Handel das Kassieren automatisiert werden, dafür würde aber die Beratung wichtiger.

Künstliche Intelligenz soll kognitive Arbeiten digitalisieren. Werden viele Bürojobs überflüssig?
Es ist vorstellbar, dass Computer in Zukunft mehr kognitive Arbeiten übernehmen und so Entscheidungen vorbereiten. Aber die letzte Entscheidung wird trotzdem beim Menschen liegen. Wenn die Dinge komplizierter sind, hat die menschliche Intelligenz, Erfahrung und Flexibilität einen Vorteil. Wie sich die Entwicklung in der Statistik niederschlagen wird, kann man noch nicht seriös abschätzen. Ich gehe davon aus, dass die wissensintensiven und akademischen Berufe wichtiger werden.

Was raten Sie Arbeitnehmern?
Wir können heute noch nicht sehen, welche technischen Errungenschaften in zehn bis zwanzig Jahren den Arbeitsmarkt prägen werden. Daher brauchen Arbeitnehmer eine Offenheit und Lernfähigkeit, um sich auch nach vielen Jahren Berufserfahrung auf Veränderungen einzustellen. Das gilt besonders für Arbeitnehmer, die nur einfache Tätigkeiten ausüben und nicht in ihrem Unternehmen weitergebildet werden. Sonst werden sie am ehesten keine neue Stelle mehr finden.

Kollege Computer denktAn Maschinen in der Fabrik und Computer im Büro haben wir uns gewöhnt – solange sie dumm bleiben. Doch was ist, wenn sie immer intelligenter werden und uns die Jobs wegnehmen?
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