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16:25 Uhr - 10.06.2016

Pictet: «Anleger sind zu pessimistisch»

Nur ein Fünftel der Anleger am US-Aktienmarkt ist bullish gestimmt. «Dieser Pessimismus geht zu weit, nicht nur in den USA, auch weltweit», sagt Luca Paolini, Chefstratege von Pictet Asset Management.

Vor gut einer Woche präsentierte Alfred Roelli vom Private Banking der Genfer Privatbank Pictet seinen Anlageausblick. «An Aktien festhalten», war seine Aussage. Jetzt hat das Asset Management für institutionelle Kundschaft seine Ansicht dargelegt, gegliedert in eine eher kurze, taktische Sicht und ein Fünfjahresszenario. Auch da der Grundtenor: An Aktien führt kein Weg vorbei, und Staatsanleihen vernachlässigen. «Unter den Aktien setzen wir auf Europa und bei den Festverzinslichen auf Schwellenländerbonds», gab Chefstratege Luca Paolini zu verstehen.

In der taktischen Allokation hat Pictet die Aktienquote etwas zurückgefahren, bleibt aber bei einer übergewichteten Position. Die Gründe für das leichte Zurückfahren sind die gleichen wie diejenigen, die gegenwärtig fast alle Investoren zur Zurückhaltung mahnen. Die schwächliche Wirtschaft, die offene Frage, wie die US-Notenbank ihre angekündigte schrittweise Rückkehr zu normalisierten Zinsen umsetzen will, und nicht zuletzt politische Risiken mit dem am 23. Juni bevorstehenden Referendum über den EU-Austritt Grossbritanniens als grösstem möglichen Stolperstein.

Schicksalswahl Brexit

Die Brexit-Abstimmung müsse man abwarten. Umfragen deuten auf einen Entscheid auf Messers Schneide hin. Ein Ja bringe die Märkte kurzfristig ins Schwanken, bei einem Nein sei eine grosse Marktunsicherheit beseitigt, sagt Paolini. Die anderen Ängste, die Anleger beschäftigen, hält er für übertrieben. Ob Clinton oder Trump, sei für die Wirtschaft nicht matchentscheidend. Den Regierungen weltweit fehlten das Profil und der Mut für fiskalpolitische Impulse, die der Konjunktur helfen würden. So bleibe den Notenbanken nichts anderes übrig, als an ihrer unorthodoxen Politik des billigen Geldes festzuhalten. Auch das Fed werde eher zu zögerlich als zu forsch handeln.

Die Rückkehr der US-Wirtschaft in eine Rezession schliesst Paolini nicht grundsätzlich aus. Dazu müssten allerdings alle acht von Pictet beobachteten Frühindikatoren nach unten weisen. Gegenwärtig sind es vier, «also noch deutlich von der Alarmzone entfernt». Er glaube auch nicht, dass es so zum Schlimmsten kommen werde. Auf gut 2% werde sich das US-Wachstum einpendeln, «nicht berauschend, aber auch nicht schlecht, sondern im langfristigen Durchschnitt liegend». Vorsichtig zeigt er sich einzig bei China, da werde sich das Wachstumstempo von zurzeit rund 7 weiter auf 5,5% abschwächen.

Gewinnrevisionen nach oben

Was Pictet Asset Management für die nächsten sechs bis zwölf Monate für Aktien positiv stimmt, sind das Wachstum der Unternehmensgewinne und die – mit Ausnahme der USA – nach wie vor attraktive Bewertung. Wohl hätten die Unternehmensgewinne an Dynamik nachgelassen, aber die Erwartungen hätten zu stark gelitten. In letzter Zeit sind deutlich mehr Aufwärts- als Abwärtskorrekturen von Gewinnschätzungen festzustellen. Das zeige, dass der stärkste Motor für die Aktienkurse, das Gewinnwachstum, nach wie vor intakt sei.

In der regionalen Gewichtung gibt Pictet Europa den Vorrang. Bei Japan zögert die Bank noch, US-Aktien seien hingegen nahe am Zenit. US-Unternehmen hätten ihre Rentabilität stärker gesteigert als europäische, kämen aber jetzt durch anziehende Löhne etwas unter Druck. In Europa hätten die Unternehmen noch Sparreserven, zudem entferne sich der Kontinent jetzt vom jahrelangen Nullwachstum.

«All das zusammen steht im Gegensatz zur pessimistischen Stimmung am Markt», hält Paolini fest. Wohl haben sich die Märkte vom Februartief erholt, aber die Besserung fand bei einem bescheidenen Handelsvolumen statt. Nur 20% der Anleger am US-Markt sind Aktien gegenüber positiv gestimmt, so wenige wie noch nie seit der Jahrtausendwende. Ähnliches gelte für andere Regionen, und das geht Paolini mit Blick auf die im Grossen und Ganzen intakte reale Wirtschaft zu weit.

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Etwas zurückhaltender sieht das fünfjährige Szenario aus. Auf 2% veranschlagt Pictet Asset Management den durchschnittlichen realen Wertschriftenertrag. Dividendenwerte nehmen darin eine wichtige Rolle ein, fokussiert auf Qualität und auf regionale Unterschiede, weniger auf die Sektorallokation. Man müsse sich in zyklischen und in defensiven Branchen nach den jeweils besten Möglichkeiten umsehen.

Immobilien zur Diversifikation

Klar ist Paolinis Statement in Bezug auf den Dollar. Die US-Währung sei überbewertet und werde in den nächsten fünf Jahren auf dem Rückzug sein. Bis 20% sagen einzelne Modelle voraus, Pictet geht von einer Abwertung von 10% aus. Das ist über fünf Jahre keine gravierende Abschwächung, hat aber doch Konsequenzen. Für Schwellenländer, deren Währungen ebenfalls zurückgehen und die so von Wechselkursvorteilen profitieren. «Jetzt könnte der richtige Zeitpunkt sein, in Emerging Markets zu investieren», betont Paolini.

Positive Folgen hätte ein Dollarrückgang aber auch fürs Gold (Gold 1276.68 0.85%), das negativ mit der US-Währung korreliert und dessen Handicap, ohne Rendite zu sein, im anhaltenden Tiefzinsumfeld an Bedeutung verliert. Alternative Investments gehören für Pictet ebenfalls zu einer ausgewogenen Diversifikation. Und ans institutionelle Anlagepublikum gerichtet  sagte der Chefstratege: «Schweizer Immobilien sind eine Alternative zu Anleihen und sind widerstandfähig.» Denn einen leichten Zinsanstieg schliesst Paolini nicht aus.

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