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19:30 Uhr - 30.01.2017

Richemont wechselt vier Uhrenchefs aus

Der Luxusgüterkonzern reagiert damit auf die Krise bei den Schweizer Luxusuhren. Die neuen Namen sind teils schon bekannt.

Der im vergangenen Herbst lancierte Umbau des Richemont-Konzerns ist damit unerwartet weiterhin in vollem Gange. Nur wenige Tage nach dem hauseigenen Uhrensalon in Genf müssen die Chefs der Uhrenmarken Jaeger-LeCoultre (Daniel Riedo), Piaget (Philippe Leopold-Metzger) und Vacheron Constantin (Juan-Carlos Torres) sowie der CEO von Alfred Dunhill (Fabrizio Cardinali) in den kommenden Wochen abtreten.

Die Namen der Nachfolger sind teilweise bereits bekannt. Andrew Maag, bislang beim britischen Mdoehus Burberry zuständig für Europa, die Golfstaaten, Indien und Afrika, übernimmt die Leitung von Alfred Dunhill. Der Noch-CEO von IWC und künftige Uhrenchef von Richemont (CFR 76.35 -1.1%), Georges Kern, wird interimistisch bei Piaget einspringen.

Das berichten am Montagabend sowohl Bloomberg wie auch die WestschweizerTageszeitung Le Temps, die sich auf unterschiedliche Quellen – unternehmensnahe Kreise und eine Mitteilung im Intranet von Richemont – stützen. Von Richemont war auf Anfrage von «Finanz und Wirtschaft» keine Stellungsnahme erhältlich.

Eiserne Hand von Präsident Rupert

Damit reagiert der starke Mann hinter Richemont, der südafrikanische Verwaltungsratspräsident, Grossaktionär und Multimilliardär Johan Rupert, mit eiserner Hand auf die zuletzt schlechte Entwicklung bei den teuren Zeitmessern.

Bei den jüngsten Quartalszahlen war der Bereich Schmuck der Treiber für die Rückkehr zum Umsatzwachstum. Die Uhren wiesen weiterhin eine negative Entwicklung auf.

Richemont ist indes nicht die einzige Gesellschaft im Luxusgüterbereich, die mit neuen Chefs auf einen Aufschwung hoffen. Bereits vor drei Wochen hat auch der französische Luxusgütergigant LVMH (MC 201 -1.86%) bei einer seiner Marken durchgegriffen. Uhrenchef Jean-Claude Biver setzte bei Zenith den Chef ab und nahm vorübergehend die Leitung in die eigene Hand.

Schwache Jahre für Schweizer Uhren

Die Schweizer Uhrenindustrie ist in den vergangenen zwei Jahren unter Druck geraten. In China ist der Umsatz wegen den Antikorruptionsbemühungen unter Druck geraten, in der Sonderverwaltungszone Hongkong haben die Protestbewegungen gegen China einheimische Touristen von den üblichen Einkaufsreisen abgehalten. In den USA kamen die Uhrenverkäufe weniger auf Touren als erhofft und in Europa vergraulten die Terroranschläge die Touristen.

Gemäss den jüngst publizierten Zahlen des Uhrenverbands FHS wurden 2016 10% weniger Schweizer Uhren ins Ausland importiert als ein Jahr zuvor. 2015 hatte das Minus noch im einstelligen Bereich gelegen.

Konzernumbau im November lanciert

Richemont hatte deshalb im vergangenen November einen massiven Konzernumbau angekündigt. Der bisherige CEO des Unternehmens, Richard Lepeu, verlässt mit Ablauf des Geschäftsjahrs 2016/17 Ende März Richemont und wird nicht ersetzt.

An seine Stelle setzt Rupert zwei Divisionenleiter: Georges Kern, bisheriger Chef bei IWC, wird neu verantwortlich für Uhren, Marketing und Online, Montblanc-CEO Jérôme Lambert übernimmt alle übrigen Divisionen.

Womöglich wollte Rupert seinen zwei Jungstars, die sich seit Jahren im Konzern hochgearbeitet haben, eine Ausgangslage ohne Altlasten offerieren. Kern war am Genfer Uhrensalon in einem Mediengespräch noch gefragt worden, ob er als künftiger Uhrenchef Handlungsbedarf bei einzelnen Marken sehe. Seine Antwort damals lautete vielsagend, es gebe nur einen starken Mann bei Richemont, der durchgreife.

 

in China, Doch es kriselt nicht nur in China und seiner Sonderverwaltungszone Hongkong, in der ein Großteil der dortigen Uhrenkäufe stattfindet. Auch in den USA sind die Absätze deutlich rückläufig. Und in Europa vergraulen Terroranschläge die kauffreudigen Touristen aus den Metropolen. Die Luxusläden in Paris zum Beispiel verzeichnen wegen der Angst vor erneuten Attacken, aber auch wegen der ungünstigen Wechselkurse, weit weniger Kunden als in den vergangenen Jahren.

 

Kurz vor Beginn der Genfer Uhrenmesse SIHH, die am Montag ihre Tore öffnet, wartet Richemont mit überraschend positiven Umsatzzahlen für die Monate Oktober bis Dezember auf.

Der Luxusgüterkonzern, zu dem Marken wie Cartier, Piaget, IWC und Montblanc gehören, verzeichnet erstmals seit über einem Jahr wieder eine Umsatzzunahme. Letztmals geschah dies im Fünfmonatsausweis im September 2015.

Der Umsatz für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2016/17 beläuft sich auf 3,09 Mrd. € (Vorjahr 2,93 Mrd. €). Angaben zu Gewinn und Margen macht Richemont im Quartalsausweis nicht.

Aktien auf höchstem Stand seit November 2015

Die Anleger reagieren euphorisch: Die Aktien von Richemont legen 9% zu und notieren mit knapp 77 Fr. auf dem höchsten Stand seit über einem Jahr. Auch die Titel des Branchenkonkurrenten Swatch Group (UHR 346.5 -1.2%) erhalten Rückenwind und steigen auf ein Zehnmonatshoch.

Vieles deutet darauf hin, dass der Tiefpunkt für die Schweizer Luxusgüterindustrie überwunden ist. Denn im Gegensatz zu 2015 zeigt sich heute eine Verbesserung auf breiter Front. Europa konnte sich dank einer starken Nachfrage in Grossbritannien vom Einbruch nach den Terroranschlägen in Frankreich leicht erholen.

Auch das Sorgenkind USA, das in den vergangenen zwei Jahren die Wachstumserwartungen nicht erfüllen konnte, zeigt mit 8% Umsatzzunahme eine erfreuliche Entwicklung. Dazu beigetragen hat auch die Wiedereröffnung des Flagship Store von Cartier in New York.

Hongkong bleibt schwierig

Einzig in Hongkong halten die Schwierigkeiten an. Allerdings kann diese Schwäche inzwischen dank der deutlich gestiegenen Nachfrage in China mehr als kompensiert werden.

Am markantesten ist das Wachstum im Schmucksegment. Die Maisons Cartier und Van Cleef & Arpels haben gegenüber dem Vorjahr 8% zugelegt. Der Uhrenbereich weist weiterhin eine leicht negative Entwicklung auf. Allerdings ist der Rückgang der Verkaufszahlen um 2% weit weniger dramatisch als befürchtet. Im ersten Halbjahr hatte sich der Uhrenumsatz noch 17% zurückgebildet.

Akzentuiert hat sich die unterschiedliche Entwicklung der Verkaufskanäle. Während die eigenen Boutiquen den Umsatz im tiefen zweistelligen Bereich gesteigert haben, kämpft der Grosshandel immer noch mit Problemen. Hier zeigt sich, dass die Unsicherheiten im Handel – trotz einer gross angelegten Rückkaufaktion Richemonts für nicht verkäufliche Uhren – noch nicht abgelegt wurden.

Swatch Group als Alternative zu Richemont

Es spricht alles dafür, dass die Schweizer Luxusgüterindustrie im laufenden Jahr auf breiter Front wieder leicht wachsen wird. In den vergangenen Monaten hatten sich die Chefs verschiedener Uhrenkonzerne zuversichtlich gezeigt, dass dieses Jahr ein Wachstum möglich ist.

Mit dem heutigen Kurssprung ist die Bewertung von Richemont deutlich gestiegen. Auf Basis der Gewinnschätzungen für 2017/18 beläuft sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf 26, was auf den ersten Blick hoch erscheint. Sollte sich das Umsatzwachstum fortsetzen, wird sich das auch in einem höheren Gewinn reflektieren.

Als Alternative bieten sich Swatch Group an. Der Bieler Konzern ist deutlich stärker im Uhrenbereich exponiert, bietet dafür Aussichten auf höhere Kursgewinne. Während Richemont vom Allzeithoch rund 30% entfernt sind, beträgt die Differenz bei Swatch Group über 70%.

Die komplette Historie zu Richemont finden Sie hier. »

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