Wie die Skizze auf einer Serviette einen US-Präsidenten beeinflusst hat und in die Wirtschaftsgeschichte eingegangen ist.
An einem Abend im Herbst 1974 sassen vier Herren im Restaurant Two Continents in Washington D.C. zu Tische: der damals in Chicago Ökonomie lehrende Arthur B. Laffer, Donald Rumsfeld, Stabschef von Präsident Gerald Ford, sein Stellvertreter Dick Cheney sowie Jude Wanniski, Redaktor des «Wall Street Journal».
Der Grundgedanke von Laffer ist denkbar einfach: Bei einem Steuersatz von null beträgt der Steuerertrag ebenfalls null. Das gilt auch für einen Steuersatz von 100% – niemand wird bereit sein, zu diesem Satz zu arbeiten. Zu Sätzen dazwischen allerdings generieren öffentliche Gemeinwesen Steuerertrag. Also ist es logisch zwingend, dass die Kurve zwischen den Extremen einen Wendepunkt bzw. ein Maximum haben muss. Ab diesem Punkt beginnt der Steuerertrag zu sinken, auch wenn der Steuersatz weiter erhöht wird. Oder umgekehrt: Sinkende Steuersätze führen jenseits davon zu steigendem Ertrag.
Lange Geschichte
Laffer hat stets darauf hingewiesen, dass dieser Gedanke nicht originär von ihm stammt, sondern eine lange Geschichte hat.
Es scheint zunächst widersinnig, dass der Steuerertrag mit sinkenden Steuersätzen steigen kann. Das lässt sich aber begründen: Ab dem Wendepunkt der Kurve verlegen sich die Steuersubjekte auf die Steuervermeidung. Das kann von Hinterziehung über die Schattenwirtschaft bis hin zu Auswanderung bzw. Steuerflucht führen. Umgekehrt ziehen attraktive Steuersätze zusätzliches Steuersubstrat aus dem Ausland an. Zudem erhöhen tiefere Steuern grundsätzlich die Steuerdisziplin.
Der Effekt lässt sich letztlich auch damit erklären, dass Steuern (fast) immer wohlfahrtsmindernd sind. Sie entziehen der Wirtschaft Mittel, die sie nicht mehr produktiv einsetzen kann. Anhand eines einfachen Modells wird klar, dass der Steuerertrag mit einem höheren Steuersatz in der Tat sinken kann.
Als im Jahr 1981 Ronald Reagan zum US-Präsidenten gewählt wurde, berief er Arthur Laffer in seinen Beraterstab. Noch im selben Jahr unterzeichnete er den Economic Recovery Tax Act, der eine massive Senkung der Spitzensteuersätze vorsah.
Die Angebotsökonomie setzt allerdings nicht nur auf Steuersenkungen, sondern sie ist generell ein liberales Wirtschaftskonzept, das den Unternehmen mehr Freiräume geben will und den Einfluss des Staates zurückdrängt. Sie basiert auf der Kritik, dass der Wirtschaft über die vom Ökonomen John Maynard Keynes propagierte Nachfragesteuerung nicht nachhaltig zu Wachstum verholfen werden kann. Die Angebotsökonomie setzt demgegenüber auf Anreize für die Unternehmen, damit sie die Produktion und die Investitionen erhöhen und so Arbeitsplätze und Wachstum schaffen.
Es ist zweifellos ein Verdienst von Laffer, dass er diese Anreizwirkungen erkannt hat. Ihm war natürlich auch klar, dass eine Steuersatzsenkung zunächst eine Ertragseinbusse bringt. Diese kann zwar durch die genannten Anreizeffekte überkompensiert werden – muss aber nicht. Er hat sich denn auch gehütet, zu behaupten, jede Steuersenkung führe zu steigenden Einnahmen. Das trifft nur zu, wenn man sich auf dem sinkenden Ast der Kurve jenseits des Wendepunkts befindet.
Hier setzen die Kritiker an: Sie stellen den Wachstumseffekt von Steuersenkungen in Frage. Es sei nie genau eruierbar, wo man sich auf der Kurve befinde. Dieser Einwand ist insofern berechtigt, als sich die Form der Kurve und vor allem der Wendepunkt weder theoretisch noch empirisch exakt lokalisieren lassen.
Empirische Befunde
Damit ist Laffers These allerdings nicht widerlegt. Es gibt empirische Befunde, die sie stützen. So wurde etwa die Tabaksteuer in Deutschland zwischen 2002 und 2005 mehrmals massiv erhöht. Die Einnahmen aus der Steuer sind allerdings nicht gestiegen, sondern gesunken. Mit den Erhöhungen wurden starke Anreize zur Steuervermeidung geschaffen.
Und im Jahr 1980 unterstellte der Bundesrat den physischen Goldhandel – Zürich war damals der weltweit grösste Handelsplatz – der Warenumsatzsteuer. Nachdem sie wegen des Überraschungseffekts zunächst den erwünschten Ertrag gebracht hatte, brach dieser rasch zusammen. Grund: Der Handel verlagerte sich rasch nach London. Eine Steuersatzerhöhung hatte diesen Prozess noch beschleunigt.
Je mobiler die Steuerbasis ist, desto sensibler fällt die Reaktion auf Steuererhöhungen aus. Das zeigt auch die aktuelle Debatte über die Spezialregimes für Holding- und Domizilgesellschaften in den Kantonen. Würde ihre Besteuerung erhöht, wäre mit der Abwanderung dieser Gesellschaften zu rechnen. Mit der Unternehmenssteuerreform III will die Schweiz eine Ersatzlösung für die international verpönten Sonderregimes finden, ohne die Unternehmen – und damit das Steuersubstrat – aus der Schweiz zu vertreiben.
Die Laffer-Kurve ist aus der aktuellen wissenschaftlichen und politischen Debatte verschwunden. Die dahinter stehenden Überlegungen bleiben jedoch aktuell. Jede Steuererhöhung hat dynamische Anreizeffekte. Wird die Besteuerung prohibitiv hoch, dominieren die negativen Effekte, die Steuervermeidung nimmt überhand, und der Ertrag sinkt. Steuern sind grundsätzlich so zu bemessen, dass sie gerade ausreichen, um die Aufgaben das Staates zu finanzieren, nicht mehr und nicht weniger. Das ist letztlich die bleibende Lehre aus der Laffer-Kurve.
Laffer studierte Volkswirtschaftslehre in Yale, er schloss das Studium 1963 ab. In den Jahren 1965 und 1972 liess er an der Stanford University den Master und danach den Doktortitel folgen. Von 1970 bis 1976 war er als Associate Professor an der renommierten Universität von Chicago tätig. Darauf wurde er an die University of Southern California berufen. Im Jahr 1984 wechselte er an die Pepperdine University.
Schon 1970 nahm er die erste Tätigkeit in Washington wahr. Er arbeitete als Chefökonom im Office of Management and Budget unter George Shultz. Er folgte diesem, als er Schatzminister wurde. Zugleich beriet Laffer auch Donald Rumsfeld. Den Durchbruch schaffte er mit der Wahl von Ronald Reagan zum US-Präsidenten im Jahr 1981. Er wurde in dessen Beraterstab berufen und blieb ein wichtiger wirtschaftspolitischer Ansprechpartner von Reagan, der seine Reaganomics wesentlich auf Laffers Arbeiten um die berühmte Laffer-Kurve abstützte. In den Achtzigerjahren beriet er auch Maggie Thatcher in Steuerfragen.
Laffer erhielt für seine Arbeiten verschiedene Ehrungen. Das «Time Magazine» bezeichnete ihn im Frühjahr 1999 als einen der «grössten Köpfe des Jahrhunderts». Im Jahr 1983 wurde er vom West Coast Father’s Day Comittee zum «Vater des Jahres» erkoren. Mit gutem Grund: Laffer ist Vater von sechs Kindern und mehrfacher Grossvater.
Nach seiner wissenschaftlichen und politischen Laufbahn wechselte Laffer in die Privatwirtschaft. Er gründete das Forschungs- und Beratungsunternehmen Laffer Associates, dem er nach wie vor vorsteht. Er lebt heute in Nashville, Tennessee.
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