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11:25 Uhr - 27.06.2014

Die Laffer-Kurve

Wie die Skizze auf einer Serviette einen US-Präsidenten beeinflusst hat und in die Wirtschaftsgeschichte eingegangen ist.

An einem Abend im Herbst 1974 sassen vier Herren im Restaurant Two Continents in Washington D.C. zu Tische: der damals in Chicago Ökonomie  lehrende Arthur B. Laffer, Donald Rumsfeld, Stabschef von Präsident Gerald Ford, sein Stellvertreter Dick Cheney sowie Jude Wanniski, Redaktor des «Wall Street Journal».

Berühmte Theoreme
Dies ist die sechste Folge einer neuen FuW-Serie: «Finanz und Wirtschaft» stellt populäre ökonomische Gesetze und Formeln vor – in welchem Kontext sie entstanden sind, welche Bedeutung ihnen heute noch zukommt und welche Köpfe dahinterstecken. Bereits erschienen sind «Die Phillips-Kurve», «Die Quantitätstheorie des Geldes», «Die Kaufkraftparität (PPP), «Die Taylor-Regel» und «Das Okunsche Gesetz». Das nächste Mal geht es um das Theorem von Miller und Modigliani.
Diskutiert wurden Fragen der Steuerpolitik, so auch der Zusammenhang zwischen Steuerhöhe und Steuerertrag. Im Verlauf des Abends kritzelte Laffer eine Kurve auf seine Serviette. Sie sollte später als Laffer-Kurve zur Basis der Reaganomics werden und in die Wirtschaftsgeschichte eingehen.

Der Grundgedanke von Laffer ist denkbar einfach: Bei einem Steuersatz von null beträgt der Steuerertrag ebenfalls null. Das gilt auch für einen Steuersatz von 100% – niemand wird bereit sein, zu diesem Satz zu arbeiten. Zu Sätzen dazwischen allerdings generieren öffentliche Gemeinwesen Steuerertrag. Also ist es logisch zwingend, dass die Kurve zwischen den Extremen einen Wendepunkt bzw. ein Maximum haben muss. Ab diesem Punkt beginnt der Steuerertrag zu sinken, auch wenn der Steuersatz weiter erhöht wird. Oder umgekehrt: Sinkende Steuersätze führen jenseits davon zu steigendem Ertrag.

Lange Geschichte

Laffer hat stets darauf hingewiesen, dass dieser Gedanke nicht originär von ihm stammt, sondern eine lange Geschichte hat.

Schon im 14. Jahrhundert hatte der muslimische Philosoph Ibn Khaldun diesen Zusammenhang erkannt. Und im Jahr 1728 hat der irische Schriftsteller Jonathan Swift in seinem «Steuereinmaleins» darauf aufmerksam gemacht.

Es scheint zunächst widersinnig, dass der Steuerertrag mit sinkenden Steuersätzen steigen kann. Das lässt sich aber begründen: Ab dem Wendepunkt der Kurve verlegen sich die Steuersubjekte auf die  Steuervermeidung. Das kann von Hinterziehung über die Schattenwirtschaft bis hin zu Auswanderung bzw. Steuerflucht führen. Umgekehrt ziehen attraktive Steuersätze zusätzliches Steuersubstrat aus dem Ausland an. Zudem erhöhen tiefere Steuern grundsätzlich die Steuerdisziplin.

Der Effekt lässt sich letztlich auch damit erklären, dass Steuern (fast) immer wohlfahrtsmindernd sind. Sie entziehen der Wirtschaft Mittel, die sie nicht mehr produktiv einsetzen kann. Anhand eines einfachen Modells wird klar, dass der Steuerertrag mit einem höheren Steuersatz in der Tat sinken kann.

Als im Jahr 1981 Ronald Reagan zum US-Präsidenten gewählt wurde, berief er Arthur Laffer in seinen Beraterstab. Noch im selben Jahr unterzeichnete er den Economic Recovery Tax Act, der eine massive Senkung der Spitzensteuersätze vorsah.

Die Laffer-Kurve stellt einen Zusammenhang her zwischen Steuersatz und Steueraufkommen. Sie besagt, dass der Steuerertrag ab einer optimalen Satzhöhe zu sinken beginnt. Laffer selbst bezeichnete diesen Bereich als den prohibitiven Bereich. Dahinter steht der Gedanke, dass die Steuer ab einer bestimmten Höhe umgangen wird, sei es etwa durch Schwarzarbeit, Hinterziehung oder Steuerflucht. Umgekehrt heisst das auch, dass Steuersenkungen das Steueraufkommen steigern können. Diese Aussage hat unter Ökonomen wie auch Politikern zu Kontroversen geführt. Es wurde insbesondere geltend gemacht, es lasse sich nie genau sagen, auf welcher Seite des Wendepunkts mit dem maximalen Steueraufkommen man sich befinde. Obwohl diese Kritik zutrifft, wurde die Laffer-Kurve zur Basis der Reaganomics und der angebotsorientierten Ökonomie.
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Er stützte sich dabei auf die Theorie von Laffer, die damit zum Kernstück der sogenannten Reaganomics oder der angebotsorientierten Ökonomie wurde. Reagan senkte die – zum Teil enorm hohen – Spitzensteuersätze über drei Jahre gestaffelt um 25%. Der Erfolg war durchschlagend: Das Steueraufkommen stieg von 244 Mrd. $ im Jahr 1980 auf 446 Mrd. $ 1989, als die Ära Reagan zu Ende ging. In derselben Zeitspanne wurden über 20 Mio. neue Jobs geschaffen.

Die Angebotsökonomie setzt allerdings nicht nur auf Steuersenkungen, sondern sie ist generell ein liberales Wirtschaftskonzept, das den Unternehmen mehr Freiräume geben will und den Einfluss des Staates zurückdrängt. Sie basiert auf der Kritik, dass der Wirtschaft über die vom Ökonomen John Maynard Keynes propagierte Nachfragesteuerung nicht nachhaltig zu Wachstum verholfen werden kann. Die Angebotsökonomie setzt demgegenüber auf Anreize für die Unternehmen, damit sie die Produktion und die Investitionen erhöhen und so Arbeitsplätze und Wachstum schaffen.

Es ist zweifellos ein Verdienst von Laffer, dass er diese Anreizwirkungen erkannt hat. Ihm war natürlich auch klar, dass eine Steuersatzsenkung zunächst eine Ertragseinbusse bringt. Diese kann zwar durch die genannten Anreizeffekte überkompensiert werden – muss aber nicht. Er hat sich denn auch gehütet, zu behaupten, jede Steuersenkung führe zu steigenden Einnahmen. Das trifft nur zu, wenn man sich auf dem sinkenden Ast der Kurve jenseits des Wendepunkts befindet.

Hier setzen die Kritiker an: Sie stellen den Wachstumseffekt von Steuersenkungen in Frage. Es sei nie genau eruierbar, wo man sich auf der Kurve befinde. Dieser Einwand ist insofern berechtigt, als sich die Form der Kurve und vor allem der Wendepunkt weder theoretisch noch empirisch exakt lokalisieren lassen.

Wohlfahrtsverlust durch Steuern
Steuern führen (fast) immer zu einem Wohlfahrtsverlust. Eine Steuer treibt einen Keil zwischen den Preis, den die Konsumenten für ein Gut bezahlen, und den, den die Produzenten dafür erhalten. Der Steuerertrag geht an den Staat. Die ausgezeichneten Dreiecke veranschaulichen den aus der Steuer resultierenden Wohlfahrtsverlust, der sich vorab aus Verzerrungen der relativen Preise ergibt. Dabei sind Steuerertrag und Wohlfahrtsverlust von der Steigung der Kurven, also der Elastizität von Angebot und Nachfrage, abhängig. Wird die Steuer erhöht, steigt der Steuerertrag nicht entsprechend. Wie die Grafik zeigt, kann der Steuerertrag im Fall einer massiven Erhöhung der Steuer – hier eine Verdoppelung – gar sinken. Entsprechend gross wird dafür der Wohlfahrtsverlust. Umgekehrt wird klar, dass eine Senkung des Steuersatzes den Steuerertrag erhöhen kann.
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Es ist in der Tat so, dass die Kurve für jedes Land, ja gar für Regionen und einzelne Steuerarten eine unterschiedliche Form aufweisen dürfte. Dadurch wird die politische Anwendbarkeit in Frage gestellt. Wird eine Steuersenkung zur Unzeit durchgeführt, also auf dem steigenden Ast der Kurve, und wird keine Gegenfinanzierung beschlossen, drohen Mindereinnahmen, Budgetdefizite und steigende Staatsschulden.

Empirische Befunde

Damit ist Laffers These allerdings nicht widerlegt. Es gibt empirische Befunde, die sie stützen. So wurde etwa die Tabaksteuer in Deutschland zwischen 2002 und 2005 mehrmals massiv erhöht. Die Einnahmen aus der Steuer sind allerdings nicht gestiegen, sondern gesunken. Mit den Erhöhungen wurden starke Anreize zur Steuervermeidung geschaffen.

Und im Jahr 1980 unterstellte der Bundesrat den physischen Goldhandel – Zürich war damals der weltweit grösste Handelsplatz – der Warenumsatzsteuer. Nachdem sie wegen des Überraschungseffekts zunächst den erwünschten Ertrag gebracht hatte, brach dieser rasch zusammen. Grund: Der Handel verlagerte sich rasch nach London. Eine Steuersatzerhöhung hatte diesen Prozess noch beschleunigt.

Je mobiler die Steuerbasis ist, desto sensibler fällt die Reaktion auf Steuererhöhungen aus. Das zeigt auch die aktuelle Debatte über die Spezialregimes für Holding- und Domizilgesellschaften in den Kantonen. Würde ihre Besteuerung erhöht, wäre mit der Abwanderung dieser Gesellschaften zu rechnen. Mit der Unternehmenssteuerreform III will die Schweiz eine Ersatzlösung für die international verpönten Sonderregimes finden, ohne die Unternehmen – und damit das Steuersubstrat – aus der Schweiz zu vertreiben.

Die Laffer-Kurve ist aus der aktuellen wissenschaftlichen und politischen Debatte verschwunden. Die dahinter stehenden Überlegungen bleiben jedoch aktuell. Jede Steuererhöhung hat dynamische Anreizeffekte. Wird die Besteuerung prohibitiv hoch, dominieren die negativen Effekte, die Steuervermeidung nimmt überhand, und der Ertrag sinkt. Steuern sind grundsätzlich so zu bemessen, dass sie gerade ausreichen, um die Aufgaben das Staates zu finanzieren, nicht mehr und nicht weniger. Das ist letztlich die bleibende Lehre aus der Laffer-Kurve.

Arthur Betz Laffer (*14. August 1940 in Youngstown, Ohio)
Der mit einer Körpergrösse von nur 1,70 Meter eher kleingewachsene Arthur B. Laffer gehörte in den Achtziger- und Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zu den Grossen der Ökonomie. Er ist mit seiner Laffer-Kurve in die Wirtschaftsgeschichte eingegangen.

Laffer studierte Volkswirtschaftslehre in Yale, er schloss das Studium 1963 ab. In den Jahren 1965 und 1972 liess er an der Stanford University den Master und danach den Doktortitel folgen. Von 1970 bis 1976 war er als Associate Professor an der renommierten Universität von Chicago tätig. Darauf wurde er an die University of Southern California berufen. Im Jahr 1984 wechselte er an die Pepperdine University.

Schon 1970 nahm er die erste Tätigkeit in Washington wahr. Er arbeitete als Chefökonom im Office of Management and Budget unter George Shultz. Er folgte diesem, als er Schatzminister wurde. Zugleich beriet Laffer auch Donald Rumsfeld. Den Durchbruch schaffte er mit der Wahl von Ronald Reagan zum US-Präsidenten im Jahr 1981. Er wurde in dessen Beraterstab berufen und blieb ein wichtiger wirtschaftspolitischer Ansprechpartner von Reagan, der seine Reaganomics wesentlich auf Laffers Arbeiten um die berühmte Laffer-Kurve abstützte. In den Achtzigerjahren beriet er auch Maggie Thatcher in Steuerfragen.

Laffer erhielt für seine Arbeiten verschiedene Ehrungen. Das «Time Magazine» bezeichnete ihn im Frühjahr 1999 als einen der «grössten Köpfe des Jahrhunderts». Im Jahr 1983 wurde er vom West Coast Father’s Day Comittee zum «Vater des Jahres» erkoren. Mit gutem Grund: Laffer ist Vater von sechs Kindern und mehrfacher Grossvater.

Nach seiner wissenschaftlichen und politischen Laufbahn wechselte Laffer in die Privatwirtschaft. Er gründete das Forschungs- und Beratungsunternehmen Laffer Associates, dem er nach wie vor vorsteht. Er lebt heute in Nashville, Tennessee.

 

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