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01:29 Uhr - 13.04.2016

Herro: «Einbruch der CS-Aktien ist ungerechtfertigt»

David Herro, CIO internationale Aktien von Harris Associates, sieht die Grossbank auf dem richtigen Weg und erwartet von LafargeHolcim mehr Disziplin.

Der europäische Finanzsektor gilt für viele Investoren derzeit als Sperrgebiet. David Herro hingegen sieht in den Kursabschlägen Chancen und scheut sich nicht vor Engagements in Valoren wie Credit Suisse (CSGN 13.42 1.05%), Julius Bär (BAER 39.17 -0.13%) oder EFG (EFGN 6.23 -0.64%). Der Fondsmanager aus Chicago, der in Diensten des Vermögensverwalters Harris Associates rund 30 Mrd. $ in internationale Aktien investiert, traut helvetischen Finanzinstituten vor ­allem im Wealth Management robustes Wachstum zu. Zuversichtlich ist der erfolgreiche Value-Investor ebenso für den Zementriesen LafargeHolcim (LHN 45.52 -0.5%), der seiner Meinung nach von der Konsolidierung in der Branche profitieren wird.

Herr Herro, an der Börse ging es zuletzt ziemlich ruppig zu und her. Wie haben Sie die Turbulenzen erlebt?
Zur PersonDavid Herro mag ein spitzbübisches Lächeln haben. Wenn es aber ums Investieren geht, zählt er zu den alten Hasen. Als Chief Investment Officer für internationale Aktien von Harris Associates bewirtschaftet er seit 1992 den Oakmark International Fund. Mit einer jährlichen Durchschnittsperformance von 9,5% zählt dieser zu den absolut Besten seiner Kategorie. Das gilt auch für den Small Cap Fund, den er seit 1995 betreut und der seither pro Jahr durchschnittlich 9,2% rentiert hat. Im Segment internationale Aktien hat Morningstar ihn dafür als Fondsmanager des Jahrzehnts (2000 bis 2009) ausgezeichnet. Herro hat an der University of Wisconsin-Milwaukee ein Ökonomiestudium absolviert. Politisch bezeichnet er sich als «ziemlich aktiven Republikaner». In seiner Freizeit betreibt er zudem viel Sport und ist ein leidenschaftlicher Fan des American-Football-Teams Greenbay Packers.Die Stimmung an den globalen Finanzmärkten war im ersten Quartal zeitweise panikartig. An einem Punkt bewegte sich unser Hauptfonds mehr als 17% im Minus. Dank der kräftigen Kurserholung resultierte am Schluss dann nur ein leichter Verlust von 2%. Das zeigt, was an der Börse in wenigen Monaten alles passieren kann und wie irrational sich Investoren in der kurzen Frist manchmal verhalten.

Wie erklären Sie sich die heftigen Stimmungsschwankungen?
zoomDie Nervosität an den Märkten hat zum Teil mit der politischen Entwicklung rund um den Globus zu tun. Auf den Wert eines Unternehmens hat das jedoch keinen Einfuss. Er wird allein durch die Fähigkeit einer Gesellschaft bestimmt, freien Cashflow zu erwirtschaften. Das ist alles, was zählt, und nicht, ob Donald Trump für das Weisse Haus kandidiert, Chinas Präsident Xi Jinping alle Hände voll mit Schwierigkeiten hat oder Grossbritannien aus der EU austritt. Mit solchen Dingen ist es wie mit Stürmen: Dunkle Wolken ziehen auf, es regnet und windet heftig, und es gibt ­einige Schäden. Doch dann zieht das Unwetter weiter. Wenn die Märkte in solchen Situationen überreagieren, eröffnen sich für langfristige Investoren Chancen.

Wo haben Sie also zugeschlagen?
Als Value-Investoren konzentrieren wir uns primär darauf, den inneren Wert eines Unternehmens zu berechnen. Fällt der Aktienkurs unter diesen Wert, dann kaufen wir zu. Umgekehrt trimmen wir unsere Position, wenn sich die Titel dem inneren Wert nähern. Ein gutes Beispiel dafür ist Glencore (GLEN 148.95 4.93%), eines unserer umstrittensten Investments. Als die Valoren auf 70 Pence einbrachen, kursierten Gerüchte, dass der Konzern bald bankrottgehe. Inzwischen hat er die Bilanz erheblich verstärkt, und der Kurs ist auf das Doppelte gestiegen. Es wird keinen Konkurs geben. Glencore wird dieses Jahr zu den wenigen Minenkonzernen gehören, die freien Cashflow erwirtschaften, selbst wenn die Rohstoffpreise erneut sinken.

Dennoch ist es nicht immer einfach, ­während solcher Kursbeben einen kühlen Kopf zu bewahren.
Ich bin seit 1968 in diesem Geschäft und weiss, dass solche Erschütterungen nur temporär sind. Obschon wir 2008/09 die schlimmste Finanzkrise seit den Dreissigerjahren erlebten, haben sich die Märkte erholt. Auf lange Sicht kann man seinen Investmentansatz daher nicht auf einem Grundszenario von Tod und Verderben aufbauen. Unsere neueren Kunden sind während der jüngsten Korrektur zwar etwas nervös geworden und haben uns gefragt, warum wir nicht in Versorgeraktien und andere defensive Werte investieren. Entscheidend ist jedoch immer der Preis. Ist es etwa sinnvoll, einen 30 000 $ teuren VW Golf für 1 Mio. zu versichern? Genau diesen Fehler machen Investoren, wenn sie zu viel für Sicherheit zahlen.

Wo sehen Sie denn bessere Chancen?
Wir sind in europäischen Aktien übergewichtet. Das gilt speziell für Finanzwerte, die es am schlimmsten erwischt hat. Aus meiner Sicht ist das völlig falsch. Natürlich sind die Rahmenbedingungen für Banken derzeit nicht zu 100% perfekt. Vor allem die negativen Zinsen drücken auf die Margen im Kreditgeschäft. Erstmals seit langem steigt jedoch das Kreditvolumen im europäischen Bankensektor. Auch nehmen die Einnahmen mit Gebühren zu, und viele Institute sind heute besser kapitalisiert denn je. In der Wahrnehmung der Märkte überschatten die negativen Zinsen jedoch all diese positiven Faktoren.

Besonders hart getroffen hat es Credit Suisse, eine der grössten Positionen in Ihrem Haupt-Fund.
Der Einbruch der CS-Aktien ist ungerechtfertigt. Vor einem halben Jahr bewegten sie sich auf 26 Fr. Ich sehe keinen Grund, warum sie jetzt plötzlich nur noch die Hälfte wert sein sollen. Wir sind seit mehr als zehn Jahren in Credit Suisse engagiert. Ums Jahr 2006 hatten wir unsere Position zwischenzeitlich fast vollständig abgebaut, worauf dann die Finanzkrise kam. Credit Suisse hat sich damals wesentlich besser gehalten als die meisten Finanzkonzerne. Zuletzt kämpfte die Bank allerdings mit Gegenwind. So forderten etwa die Regulatoren in der Schweiz immer mehr Eigenkapital. Hinzu kam die happige Busse im US-Steuerstreit.

Vor wenigen Wochen musste der neue CS-Chef Tidjane Thiam zudem eine Gewinnwarnung bekannt geben. Hat er die Situation im Griff?
Ihm wurde ein schwieriges Erbe hinterlassen. Sein Vorgänger wollte zwar das Investment Banking verkleinern, machte das aber eindeutig nicht schnell genug. Thiam trifft die richtigen Massnahmen. Er will die Ressourcen dort einsetzen, wo sie über den Zyklus hinweg am meisten Rendite erwirtschaften. Durch diesen Umbau wird das Risiko im Investment Banking verringert und das freigesetzte Kapital ­genutzt, um die Expansion im Wealth Management zu beschleunigen. Diese Strategie hätte man schon vor zwei oder drei Jahren umsetzen müssen.

Wie lange haben Sie noch Geduld?
Thiams Job ist nicht einfach. Er muss das Investment Banking jetzt noch schneller schrumpfen, was kurzfristig für viel Lärm sorgen wird. Die Verantwortlichen für die Probleme kommen nun an die Kasse und verbreiten in den Medien schlechte Stimmung. Wenn die Trader mit ihren Wetten richtiglagen, verdienten sie viel Geld. Wir Aktionäre hingegen sahen davon kaum ­etwas. Umgekehrt mussten sie praktisch keine Einbussen hinnehmen, wenn etwas schieflief. Wir dagegen schon. Das ist nicht richtig. Die Betreffenden sollten deshalb lieber den Mund halten und sich schuldig für die Wertvernichtung fühlen, die sie uns Aktionären verursacht haben.

Und was ist mit dem ­Verwaltungsrat? Schliesslich ist er für die strategischen Fehler der letzten Jahre mitverantwortlich.
In Japan gibt es die Bezeichnung Kaizen, die für kontinuierliche Verbesserung steht. Das muss das Ziel für jeden Verwaltungsrat sein, auch im Fall von Credit Suisse. Seine Kernaufgabe ist, auf mittlere bis lange Sicht Wert für die Aktionäre zu schaffen. Offensichtlich gab es ein Problem in der Bank. Das zeigt an, dass wohl eine Verstärkung des Verwaltungsrats ­nötig ist. In einem komplizierten Finanzinstitut wie Credit Suisse braucht es im Aufsichtsgremium Personen, die das Geschäft verstehen und sicherstellen, dass es nicht mehr zu solchen Patzern kommt.

Ein Dauerthema ist ebenso die Frage, ob Credit Suisse mehr Kapital braucht.
Der Umbau wird Anfang 2017 weitgehend abgeschlossen sein. Credit Suisse wird dann über eine ausreichend solide Kapitalisierung verfügen, wozu auch die partielle Publikumsöffnung der Schweizer Universalbank beitragen wird.

Ihre Fonds sind auch in Julius Bär und EFG investiert. Was gefällt Ihnen generell an Schweizer Finanzwerten?
Julius Bär leistet gute Arbeit. Unser Investment reicht in die Zeit zurück, als Raymond Bär die Aktienstruktur vereinfachte, ein neues Management einbrachte und das Investment Banking verkaufte. Das Unternehmen ist zwar recht akquisitionsfreudig, doch die bisherigen Übernahmen erscheinen sinnvoll und wurden zum richtigen Preis vollzogen. Weltweit wachsen die Vermögen. Das macht das Wealth Management zu einem lukrativen Geschäft, das langfristig im mittleren bis ­hohen einstelligen Prozentbereich wachsen sollte – und in diesem Bereich waren Schweizer Banken schon immer gut.

Der Finanzplatz Schweiz hatte allerdings auch schon einen besseren Ruf.
Wie auf eine Krücke hatte sich die Branche lange auf das Bankgeheimnis gestützt. Damit ist es aber vorbei. Grosse Institute wie UBS (UBSG 14.68 0.76%), CS und Julius Bär haben das rasch erkannt und sind aus dem Offshore-Geschäft ausgestiegen. In Schwierigkeiten stecken jedoch die kleineren Banken, die sich auf undeklarierte Gelder verlassen haben und mit den regulatorischen Veränderungen nicht zurechtkommen. Hier braucht es eine Konsolidierung, wobei EFG zu den Käufern zählt. Die Zweiteilung des Schweizer Finanzplatzes wird sich weiter akzentuieren: Die starken Banken bauen ihre Position aus, und die schwachen verschwinden oder müssen eine Konsolidierung suchen.

Konsolidierung ist auch in der Zementindustrie ein grosses Thema. Ist das ein Grund für Ihre recht grosse Beteiligung an LafargeHolcim?
Die Zementindustrie war lange durch hohe Kapitalausgaben und einen harten Wettbewerb geprägt. Mit der Konsolidierung kehrt nun jedoch mehr Disziplin ein. Das gibt LafargeHolcim Flexibilität und attraktive Möglichkeiten, Wert für die ­Aktionäre zu schaffen. Über den Zyklus hinweg rechne ich deshalb  mit 10 bis 14% Eigenkapitalrendite.

Die Weltwirtschaft hat sich jedoch spürbar abgekühlt. Das macht es für den Konzern nicht einfacher.
Natürlich sind Märkte wie Brasilien und Russland momentan schwierig. Dass LafargeHolcim in Indien aber gut aufgestellt ist, wird sich in Zukunft als grosser Vorteil herausstellen. Auch in den USA läuft das Geschäft recht gut. Zudem hat sich die Mentalität geändert. Vor allem Lafarge, aber auch Holcim haben ihr Kapital miserabel eingesetzt. Statt es wie früher kopflos in neue Kapazitäten zu investieren, wird der neue Konzern vernünftiger handeln – sei es, indem er Schulden abbaut oder Geld an die Aktionäre zurückführt. Die Interessen im Verwaltungsrat gehen jetzt in die gleiche Richtung. Er wird sicherstellen, dass das Management die richtigen Entscheide trifft.

«Preis für Gategroup ist vernünftig»Gategroup stösst auf Übernahmeinteresse. Die HNA Group aus China bietet für den Airline-Caterer 53 Fr. pro Aktie, was einem Gesamtpreis von rund 1,4 Mrd. Fr. entspricht. Die Offerte wird sich auch David Herro sorgfältig ansehen, dessen Oakmark International Small Cap Fund seit längerem zu den Aktionären der Gesellschaft aus Kloten zählt.

Herr Herro, was halten Sie vom Angebot für Gategroup?
Aus meiner Sicht ist das ein vernünftiger Preis für Gategroup. HNA Group greift damit nicht viel zu tief in die Taschen, will sich das Unternehmen aber auch nicht zu einem Schnäppchenpreis angeln.

Werden Sie Ihre Titel demnach andienen?
Dazu haben wir noch keinen definitiven Entscheid getroffen. Ich kann nur sagen, dass ich den Preis vernünftig finde.

Was würde die Übernahme für die Zukunft von Gategroup bedeuten?
Es sieht so aus, dass HNA mit dem bestehenden Management weiterarbeiten will. Das bedeutet, dass die bisherige Strategie weitergeführt wird. Gategroup ist eine Publikumsgesellschaft, was Restrukturierungen in der Regel etwas schwieriger macht als im Fall eines privat geführten Unternehmens. Mit der Übernahme will HNA deshalb wohl die Restrukturierung forcieren.

Nicht mit der Offerte einverstanden ist hingegen der Hedge Fund RBR Capital Advisors, der den fairen Wert der Gategroup-Aktien auf 100 Fr. schätzt. Können Sie das nachvollziehen?
Es würde mich wirklich interessieren, wie die Vertreter von RBR einen solchen Preis rechtfertigen. Das Geschäft von Gategroup wächst nicht mit einer Rate von 20% pro Jahr. In dieser Branche werden deshalb nicht himmelhohe Prämien bezahlt. Soweit wir das aus unserer Sicht beurteilen können, sind die Aktien nicht 100 Fr. wert.

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