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15:47 Uhr - 25.06.2015

Tückenreiche neue Meldepflichten

Der Bund überschiesst bei der Umsetzung internationaler Standards zur Geldwäscherei und zur Steuertransparenz.

Per 1. Juli 2015 wird das Schweizer Gesellschaftsrecht, von vielen unbemerkt, einschneidende Änderungen erfahren. Unter anderem werden neue Meldepflichten eingeführt, die den Grossteil der rund 370 000 privaten Aktiengesellschaften, GmbH und Genossenschaften und deren Gesellschafter betreffen.

Die AutorenDieter Gericke ist Partner und Daniel Kuhn juristischer Mitarbeiter in der Kanzlei Homburger, Zürich.Auslöser für die Regulierungswelle sind die Groupe d’action financière (GAFI) sowie das Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes – beides internationale Gremien, bei denen die Schweiz Mitglied ist und deren Empfehlungen von der schweizerischen Exekutive mitgetragen wurden. Während sich die GAFI vor allem der Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung verschrieben hat, verfolgt das Global Forum im Auftrag der OECD vornehmlich das Ziel, mehr Transparenz für Steuerzwecke zu schaffen.

GAFI und der OECD genügen

Beide Gremien führen regelmässig Länderexamen durch, bei denen sie prüfen, inwieweit die Mitgliedsländer ihre Empfehlungen einhalten. Die schweizerische Gesetzgebung stand – wie viele andere Jurisdiktionen auch – bislang nicht vollständig im Einklang mit diesen Empfehlungen. Der Bund wollte im Hinblick auf die nächsten Examen nicht untätig bleiben. Ergebnis ist das «Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière», das diverse Bundesgesetze abändert, darunter das im Obligationenrecht verankerte Gesellschaftsrecht. Doch die Änderungen gehen über das verlangte Minimum hinaus.

Die neuen Regelungen könnten sich in einem für die Wirtschaft und Gesellschaft zentralen Bereich negativ auswirken und Rechtsunsicherheit bewirken, ohne dass GAFI und Global Forum dafür verantwortlich gemacht werden könnten. Soweit absehbar, werden die EU und andere Länder denn auch nicht so weit gehen. Die Einführung und das Meldewesen werden sodann mit beträchtlichen Kosten und enormem Zeitdruck verbunden sein. Es bleibt zu hoffen, dass sich in der Praxis rasch pragmatische Lösungen durchsetzen und sich der Gesetzgeber nötigenfalls nochmals der Materie widmet.

Primär Anstoss nehmen GAFI und Global Forum an der Anonymität von kontrollierenden Inhaberaktionären. Umgesetzt wird dies in der Schweiz durch eine Melde- und Ausweispflicht für jeden Inhaberaktionär aller rund 50 000 privaten Gesellschaften mit Inhaberaktien – unabhängig von der Grösse der Beteiligung oder Gesellschaft. Eine erste Meldung muss bis Ende 2015 erfolgen, danach ist innerhalb eines Monats nach jedem Erwerb zu melden.

Darüber hinaus statuiert das Gesetz Meldepflichten für Erwerber von Inhaber- und auch von Namenaktien sowie von Stammanteilen einer GmbH, sofern sie allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten einen Anteil von 25% des Kapitals oder der Stimmen erreichen. Die Erwerber müssen melden, für wen sie «letztendlich» handeln.

Ausgenommen sind, obschon das Börsengesetz eine Meldung erst ab 3% vorsieht, die Aktien börsenkotierter Gesellschaften sowie Bucheffekten.

Die Gesellschaften müssen die Verzeichnisse führen und diese und die Ausweisbelege zehn Jahre aufbewahren. Werden die Meldepflichten nicht innerhalb der Frist wahrgenommen, werden die Mitgliedschaftsrechte (namentlich die Stimmrechte) suspendiert. Zudem sollen Vermögensrechte (primär Dividendenansprüche) für die Zeit bis zur Meldung endgültig verwirkt sein. Diese Sanktion scheint übertrieben hart in (den wohl meisten) Fällen, in denen nicht ein Geldwäscher oder Steuerhinterzieher am Werk ist, sondern jemand bloss die Frist verpasst, möglicherweise in Unkenntnis der Meldepflicht.

Harte Sanktionen

Verwaltungsrat bzw. Geschäftsführer der Gesellschaften haben die Pflicht, für die Durchsetzung der Sanktionen besorgt zu sein. Somit besteht für die Organe die Gefahr persönlicher Haftbarkeit und für die Gesellschaften das Risiko der Ungültigkeit ihrer Beschlüsse.

Zu beachten ist, dass für diese Regelungen und Sanktionen, obschon für Zwecke hoheitlicher Aufgaben aufgestellt, der privatrechtliche Weg gewählt wurde und Zivilgerichte zuständig sind. So kann eine Sanktion nicht angefochten werden. Vielmehr müsste jemand, der beispielsweise keine Dividende ausbezahlt erhält, weil er die Meldefrist verpasst hat, eine Klage gegen die Gesellschaft auf Auszahlung anstrengen. Die Gesellschaft wäre dann gehalten, die Staatsinteressen in einer Art Stellvertreterprozess zu verteidigen.

Die neuen Bestimmungen sind in mancher Hinsicht unklar oder überschiessend. Beispielsweise sieht das Gesetz für Konzerntochtergesellschaften, selbst wenn die Muttergesellschaft börsenkotiert ist, keine explizite Ausnahme von den Meldepflichten vor.

Zudem ist die 25%-Grenze für die Meldung des wirtschaftlich Berechtigten unnötig tief angesetzt, kann man doch eine private Gesellschaft selbst mit 49% nicht kontrollieren. Weiter setzt diese Schwelle gemäss Gesetzeswortlaut (wohl irrtümlicherweise) beim formellen Aktionär an und nicht beim wirtschaftlich Berechtigten. So müsste strikte nach Gesetzeswortlaut zum Beispiel eine Konzernmutter allen Konzerntöchtern melden, wer an ihr (an der Konzernmutter) wirtschaftlich berechtigt ist. Dies auch dann, wenn niemand 25% oder mehr an ihr kontrolliert, und sogar wenn die Konzernmutter börsenkotiert ist.

All dies kann nicht sein und wird von der Praxis zweckorientiert vernünftigen Auslegungen und Lösungen zugeführt werden müssen. Da keine Behörde vorab Klarheit schaffen kann, sind Abweichungen vom Gesetzeswortlaut jedoch mit Rechtsunsicherheit und Risiken für die Beteiligten verbunden.

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