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10:31 Uhr - 08.12.2016

«Sitzt man im Weissen Haus, ist vieles komplizierter»

Wendy Cutler glaubt nicht, dass Donald Trump seine Rhetorik gegen den Freihandel in die Tat umsetzt. Cutler war massgebend an den Verhandlungen zum transpazifischen Freihandelsabkommen TPP beteiligt.

Es ist ihr Baby: Das transpazifische Partnerschaftsabkommen TPP hat Wendy Cutler als Chef-Unterhändlerin 2015 fertig geschnürt. Neben den USA haben TPP elf an den Pazifik anstossende Länder von Australien über Mexiko bis Japan und Vietnam unterzeichnet.

Doch das über fünf Jahre ausgefeilte Freihandelsabkommen ist eine Totgeburt: «Donald Trump hat gelobt, es am ersten Tag seiner Amtszeit ausser Kraft zu setzen», sagte Cutler am Dienstag an einer Veranstaltung der Asia Society Switzerland in Zürich.

Trump hatte im Wahlkampf erklärt, dass andere Länder wie China den USA Arbeitsplätze weggenommen hätten. Die jetzigen Bedingungen würden keinen «fairen und freien Handel» gewährleisten – die USA seien gegenüber den Handelspartnern benachteiligt.

Mit den Versprechungen von Trump, bessere «Deals» durchzusetzen, kann Cutler wenig anfangen: «Ich glaube, dass ich eine gute und hartnäckige Unterhändlerin war», sagt die jetzt beim Asia Society Policy Institute beschäftigte Cutler. «Es ist etwas anderes, ein Handelsabkommen statt einen Geschäfts- oder Immobilienvertrag abzuschliessen», fügt sie hinzu. Anderen Ländern müsse ein Sieg zugebilligt werden – «um das Abkommen zu Hause verkaufen zu können».

Die Rhetorik gegen den Freihandel hat Donald Trump viele Stimmen gebracht. Viele seiner Wähler sehen keinen persönlichen Vorteil von offenen Weltmärkten – über drei Fünftel der US-Haushalte weisen ein stagnierendes oder kleineres Einkommen im Vergleich zum Jahr 2005 auf.

Dass eine breite Schicht der US-Bürger offenen Märkten gegenüber negativ eingestellt ist, versteht Cutler: «Aber darauf muss man mit innenpolitischen Massnahmen reagieren – mit besserer Bildung, Weiterbildung und einem Ausbau des sozialen Sicherheitsnetzes.» Es wäre die falsche Antwort, Freihandelsabkommen aufzukündigen. «Gerade die ärmsten Bürger würden sofort unter weniger Freihandel leiden, weil die Preise steigen», gibt Cutler zu bedenken.

Importsteuer würde US-Fabriken schliessen lassen

Schon in den vergangenen Jahren ist der Welthandel deutlich schwächer gewachsen als im letzten Jahrzehnt. Kommt es unter einem Präsidenten Trump zum Handelskrieg? «Wir wissen noch nicht, wer ihn bei der Handelspolitik berät», sagt Cutler.

Wahrscheinlich werden viele Ankündigungen nicht umgesetzt werden: «Käme es wirklich zu einer hohen Steuer auf Einfuhren, müssten beispielsweise viele Autofabriken in den USA schliessen» – zu eng seien die Wertschöpfungsketten zwischen den Zulieferern in Mexiko und den US-Fabriken verbunden. Trump hatte Anfang Woche angekündigt, Unternehmen mit einer Steuer von 35% zu bestrafen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagert haben.

«Wenn man einmal im Weissen Haus sitzt, ist vieles deutlich komplizierter», zeigt sich Cutler überzeugt. «Bei einer geopolitischen Krise würde eine neue Regierung schnell merken, dass sie auch auf enge Partner in Asien angewiesen ist.»

Und vielleicht gibt es für den transpazifischen Pakt Hoffnung aus Japan. Premier Shinzo Abe habe angekündigt, den neuen US-Präsidenten von den Vorteilen des Handelspakts zu überzeugen: «TPP ist ein wichtiger Bestandteil der Strategie von Abe, die japanische Wirtschaft anzukurbeln.» Dafür habe er innenpolitisch grosse Anstrengungen unternommen. «Für Japan war es ein gigantischer Schritt, auf Zölle auf landwirtschaftliche Güter zu verzichten», sagt die Handelsdiplomatin mit einem Abschluss der George Washington University.

Vorteile von TPP nicht gewürdigt

Trump war nicht der Einzige, der sich gegen TPP gewendet hatte – auch seine Gegenkandidatin Hillary Clinton lehnte das Abkommen ab. Für Cutler werden die Vorteile des Handelsabkommens nicht erkannt. Die TPP habe neben den wirtschaftlichen Vorteilen einen Meilenstein gesetzt – gerade auch für Umweltschutz- und Arbeitskriterien: «Wir hatten etwa Vietnam abgerungen, unabhängige Gewerkschaften zu akzeptieren», erklärt sie.

Freihandelsabkommen seien oft ein Ansporn für Länder, sich innenpolitisch zu reformieren. So habe etwa die chinesische Regierung weitreichende Reformen zum Eintritt in die Welthandelsorganisation 2001 durchgeführt.

zoomQuelle: FuW Cutler glaubt, es sei zu «dramatisch», von einem Ende der Führungsrolle der USA zu reden. Doch die ehemalige Verhandlungsführerin sieht nun China in einer Position, mit dem Alternativprojekt RCEP – Regional Comprehensive Economic Partnership – voranzupreschen: «Die USA haben ein Vakuum in der Region hinterlassen. Jemand wird das füllen.»

RCEP umfasst neben der Volksrepublik und dem südostasiatischen Staatenbund Asean auch Japan, Australien und Neuseeland. «RCEP wird wohl nächstes Jahr unterzeichnet werden», erklärt sie. China könne auch durch das Programm für den Infrastrukturausbau «One Belt One Road» engere wirtschaftliche Partnerschaften mit Ländern in Asien knüpfen.

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