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17:43 Uhr - 15.12.2015

BSI-CEO: «Die Zeit läuft gegen uns»

Stefano Coduri, der CEO der BSI versucht zu verhindern, dass seine Bank von ihrer Muttergesellschaft BTG Pactual angesteckt wird. Im Interview mit FuW erklärt er, wo BSI steht.

Operativ läuft die BSI normal, versichert Stefano Coduri. Sollte sich die Lage der BTG Pactual aber nicht stabilisieren, muss die BSI möglichst schnell von ihrer Muttergesellschaft weg. Bereits nicht mehr im BSI-Verwaltungsrat ist BTG-Co-CEO Marcelo Kalim.

Herr Coduri, BTG Pactual braucht Liquidität. Kommt es zu einem Notverkauf der BSI?
BTG Pactual hat zahlreiche Massnahmen getroffen zur Sicherstellung der Liquidität. Es wurden unter anderem 1,5 Mrd. $ Mittel aus dem Garantiefonds bereitgestellt und verschiedene Assets verkauft. Dies sollte den Zeitdruck mildern.

Wie werden Sie über die Entwicklungen bei Pactual informiert?
Die Kontakte laufen über den Verwaltungsrat der BSI, wo BTG Pactual vertreten ist.

Dann sind Sie wohl gut informiert. Marcelo Kalim, seit 29. November der Co-CEO von Pactual, sitzt ja im BSI-Verwaltungsrat.
Herr Kalim ist vor ein paar Tagen aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten. Die Behandlung der Situation in Brasilien verlangt seine volle Aufmerksamkeit.

Wer ersetzt Marcelo Kalim im Verwaltungsrat?
Niemand, der VR wird verkleinert.

BTG  wollte keinen Ersatz stellen?
BTG Pactual ist aber weiterhin mit zwei Mitgliedern im VR vertreten.

Hat die Finma ein Wort mitgeredet?
Das weiss ich nicht.

Wie lange, schätzen Sie, wird der Verkaufsprozess gehen?
Vorausgesetzt dass es zu einem Verkaufsprozess kommt, ist dessen Dauer schwierig zu prognostizieren. Ich kann vielleicht sagen, wie es bei BTG Pactual lief. Einen Monat nach dem ersten Treffen mit dem Management begannen exklusive Verhandlungen. Zwei Monate später wurde der Verkaufsvertrag unterschrieben.

BSI ist wegen BTG Pactual in den Sog des Korruptionsskandals Petrobras geraten. Wie reagieren die Kunden?
Gewisse Kunden reagierten schon bei der Handänderung von Generali (G 16.85 2.49%) zu BTG Pactual empfindlich auf das Thema Brasilien. Die politischen Unsicherheiten in Brasilien sind gross. Die Vorkommnisse um BTG Pactual nahmen sie zum Anlass, die Bank zu verlassen oder ihre Positionen bei der Bank zu reduzieren.

Welche Positionen?
Teils wurde die Bankbeziehung aufgelöst, teils wurden Bargeldbestände reduziert, teils wurden Bargeldpositionen in Wertschriftenanlagen umgewandelt. Alles aber im absolut verkraftbarem Rahmen.

Das waren wohl vor allem lateinamerikanische Kunden?
Ja, weil sie geografisch viel näher zu Brasilien sind.

Wie viel Geld ist abgeflossen?
Die Summe ist absolut verkraftbar. Die Kunden wissen, dass BSI völlig unabhängig von BTG arbeitet.

Welche Bedeutung haben lateinamerikanischen Kunden für BSI?
Sie steuern circa 10 bis 15% zu den verwalteten Vermögen bei.

Was ist schlimmer für BSI: Der Imageverlust aufgrund der Verbindung zur BTG Pactual oder die Herabstufung der BSI-Bonitätsnote durch die Kreditratingagentur Moody’s auf Baa2. BTG Pactual ist ja auf Ramschniveau abgestuft worden.
Das Rating ist die grösste Herausforderung, denn für Gegenparteien sowie professionelle und institutionelle Investoren ist es eine wichtige Kennzahl. Moody’s anerkennt unsere Bilanzqualität und Unabhängigkeit und hat BSI ein drei Stufen besseres Rating gegeben als der Mutter. Üblich sind nur maximal zwei Stufen.

Was passiert, wenn BTG Pactual nochmals zurückgestuft wird.
Dann müssen wir eine Lösung finden, um die BSI als unabhängige Einheit zu etablieren, zumindest aus der Perspektive von Moody’s.

Wie soll das gehen?
In erster Linie müssen wir unsere Solidität schützen. Dann ist es ein Thema des Regulators, welcher die Mittel hat, um zu verhindern, dass BSI angesteckt wird.

Kann die Finma die Leinen zwischen BTG und BSI kappen?
Wir stehen im engen Kontakt mit der Finma. Die  einzelnen Szenarien sind aber Sache der Finma, zu denen ich keine Stellung nehmen kann.

Muss die Finma einschreiten, wenn die BSI nicht rechtzeitig verkauft werden kann?
Für uns hat Priorität, die Bank mit ihren eigenen Mitteln stabil zu halten. Eine zweite Dimension sind die Ratingagenturen. Als Generali die Absicht zum Verkauf der BSI offiziell kommunizierte, wurden wir in der Folge von Moody’s wie ein eigenständiges Unternehmen eingestuft. Die dritte Dimension ist der Regulator.

Sie sähen einen Verkauf der BSI also lieber heute als morgen?
Bis jetzt ist die Sache vollumfänglich unter Kontrolle. Aber die Zeit läuft gegen uns. Unsere Kunden haben Vertrauen, aber nicht unendlich lange. Die unmittelbare Entwicklung in Brasilien ist von höchster Wichtigkeit. Entweder die Lage von BTG Pactual stabilisiert sich, oder für BSI muss eine alternative Lösung gefunden werden.

Was können Sie tun, ausser zu versichern, dass alles in Ordnung ist?
Auf der operativen Ebene gibt es keinen Notfall. Die Bank läuft normal. Wir müssen uns auf unseren Kunden konzentrieren, um ihnen einen Qualitätsservice zu gewährleisten. Bisher war es ein sehr gutes Jahr. Wir hätten einen rekordhohen Bruttogewinn ausgewiesen, wenn diese Krise nicht eingetreten wäre.

Können Sie garantieren, dass BSI wirtschaftlich von BTG Pactual unabhängig ist?
Ja, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Die Jahresrechnung 2015 wird zeigen, dass keinerlei Mittel zur Muttergesellschaft geflossen sind. Unsere Liquiditäts- und Eigenmittelausstattung sind ausgezeichnet. Direkt haben wir nichts mit BTG Pactual zu tun.

Wie gross ist das Risiko, dass die BSI-Aktien verpfändet werden oder irgendwo landen?
Die Aufsichtsbehörde hat von Anfang an ein sogenanntes Ringfencing der BSI vorgesehen. Die Aktien der BSI liegen bei einer Schweizer Holding, die unter der Aufsicht der Finma steht. Sowohl die Bank als auch die Holding haben einen unabhängigen Verwaltungsrat.

Hat die Finma zusätzlich konkrete Massnahmen oder Anordnungen getroffen?
Die Finma begleitet uns eng. Die Bank misst täglich Indikatoren, anstatt wöchentlich oder monatlich wie üblich. Die Finma hat für gewisse Parameter neue Untergrenzen definiert.

Welche Parameter betrifft das?
Es sind verschiedene Parameter, zum Beispiel Liquiditätskennzahlen. Auch wurden Anordnungen getroffen, die zusätzlich sicherstellen, dass keine Mittel von der BSI zur Mutter fliessen.

Das allein wird das Problem nicht lösen.
Der Knackpunkt ist das Rating. Moody’s hat unsere Bilanzqualität gewürdigt. Aber die Ratingagenturen haben ihre Grundsätze. Wir stehen mit ihnen und mit dem Regulator in Kontakt.

Würden Sie je wieder einen Aktionär aus einem Schwellenland wollen?
Das  ist nicht nur eine Schwellenland-Thematik. Ebenfalls eine Rolle spielt die zentrale Rolle von André Esteves für BTG. Und was wir erst jetzt realisieren, ist, wie abhängig von kurzfristiger Finanzierung BTG Pactual war. Die Kombination dieser drei Faktoren war sehr erfolgreich und ist heute unglücklich.

Inwiefern werden Sie den Verkaufsprozess beeinflussen können?
Wenn es zum Verkauf kommt, hat das Management ein Interesse daran, dass BSI für Kunden, Mitarbeiter, die öffentliche Hand und die Tessiner Wirtschaft ein guter Partner bleibt, und dass auf die bisherigen Leistungen aufgebaut wird. Wer das gewährleistet, hat die Sympathie des Managements.

Es wurde ein Retention-Programm installiert, das die Schlüsselpersonen an die Bank binden soll. Wie viele Personen umfasst es?
Als Generali BSI verkaufen wollte, wurde ein Retention-Programm erstellt, das heute noch aktiv ist.  Dies ist absolut üblich im Rahmen derartiger Szenarien.

Die Unabhängigkeit der BSI ist Ihnen unverändert ein grosses Anliegen?
Mit Unabhängigkeit meinen wir gewisse Werte, die wir pflegen wollen. Sie beinhaltet vor allem eine unabhängige Beratung. Die Kundenorientierung ist einer unserer wichtigsten Erfolgsfaktoren. Wir verstehen uns nicht als Produktverkäufer.

Operative Unabhängigkeit ist damit nicht gemeint?
Operativ unabhängig heisst nicht, dass wir uns isolieren wollen. Mit BTG wäre die Zusammenarbeit viel enger geworden als  mit Generali, wo keinerlei Synergien bestanden. Allerdings reichte die Zeit mit BTG Pactual nicht, die Pläne umzusetzen. Wir wollten anspruchsvolleren Grosskunden das Know-how einer Investmentbank zur Verfügung stellen. Nun müssen wir schauen, wie die Dinge sich ordnen und wie wir unsere Strategie umsetzen können.

Können Sie sich vorstellen, dass die BSI in einen grösseren Verbund integriert wird und ihren Namen verliert?
Ja, wenn komplementäre Interessen bestünden. Ich erwarte, dass ein Käufer versuchen wurde, die Stärken der BSI zu nutzen und auszubauen und nicht einfach fallen zu lassen.

Wie lange geht es, bis die BSI wieder Tritt fassen kann?
Der Ursprung des Problems liegt in Brasilien und nicht bei uns. Wenn die Kunden sehen, dass BSI gut läuft, bleibt auch das Vertrauen bestehen.

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