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11:09 Uhr - 03.10.2014

Ein 17-Jähriger fordert Peking heraus

Die chinesische Regierung und die Tycoons von Hongkong müssen mit einer Volksbewegung fertig werden, die unter anderem von einem Teenager angeführt wird.

So, wie der erst siebzehnjährige Joshua Wong ins Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in Hongkong getreten ist, haben schon andere spektakuläre politische Karrieren begonnen. In Asien denkt man dabei an den Chinesen Mao Tse-tung, den Vietnamesen Ho Chi Minh oder den noch lebenden Singapurer Lee Kuan Yew, die im vorigen Jahrhundert als junge Rebellen begonnen haben und später weltbekannte Staatsmänner geworden sind. Ob der Gymnasiast eine solche steile Laufbahn anstrebt, weiss wahrscheinlich nicht einmal er selbst. Sicher ist aber, dass er als einer der führenden Köpfe der Hongkonger Demokratiebewegung eine gewaltige Herausforderung nicht nur für die Regierung der chinesischen Sonderverwaltungsregion, sondern auch für Peking geworden ist.

Das sieht man dem etwas scheu wirkenden, bebrillten jungen Mann gar nicht an. Die Obrigkeit hat ihn wie auch die ganze Kontroverse über die Wahlrechtsreform denn auch lange unterschätzt. Denn in dem im 19. Jahrhundert von britischen Händlern gegründeten Hongkong regiert mehr noch als in anderen Volkswirtschaften das Geld, das der aus einer Untere-Mittelklasse-Familie kommende Wong nicht hat.

Der Kontrast zwischen dem Siebzehnjährigen und der Hongkonger Elite, die Ende September von Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping zu Konsultationen über die anstehenden politische Reformen nach Peking zitiert worden ist, könnte auf alle Fälle nicht grösser sein. Der macht- und geldlose Schüler steht etwa Li Ka-shing gegenüber. Er ist der reichste Mann des asiatischen Kontinents und geniesst in Hongkong den Status eines Superstars.

Die Geschichte Chinas

Das zeigt aber auch, wie stark sich das Territorium seit der Rückgabe durch die britische Kolonialmacht an China verändert hat. Vor 1997 zirkulierte in den Kreisen der lokalen Tycoons sogar die Idee, sie könnten die Rückgabe an das kommunistische China durch einen langjährigen Mietvertrag mit Peking verhindern. Sie wären damit die neuen Herren Hongkongs geworden. Von solch einer Abmachung wollte Deng Xiaoping, der damalige Strippenzieher der Volksrepublik, aber nichts wissen.

Doch Peking gewährte dem Territorium, dem auch London nie volle demokratische Rechte zugestanden hat, ein hohes Mass an Souveränität. Im Gegenzug wurde die Hongkonger Geschäftselite zu loyalen Bürgern Chinas. Die Rechte und Interessen der Patrizier wurden durch eine unabhängige Justiz, eine effiziente Verwaltung und vor allem durch ein auf sie zugeschnittenes Wahlsystem gewahrt.

Wong allein hätte diesen Status quo nicht herausfordern können. Er ist auch nicht der einzige Anführer der Opposition, sondern hat nur mit der von ihm am Sonntag angeführten Stürmung des Hongkonger Regierungssitzes die Zuspitzung des Streits herbeigeführt. Andere Gruppen und Parteien mussten folgen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Gerade weil die Demokratiebewegung aber keine klare Führung hat, ist eine Lösung des Problems auch umso schwieriger.

Wenn Wongs Rolle, die ihn am Sonntag schon einmal für zwei Tage ins Gefängnis gebracht hat, vielleicht auch überschätzt wird, so steht er doch für eine ganze Generation junger Hongkonger Bürger. Zwar hat die Regierung des Territoriums in den vergangenen Jahren viel in die Bildung investiert. Doch gleichzeitig ist der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt durch den Zuzug hoch qualifizierter und bestens motivierter Festlandchinesen schärfer geworden. Zudem können junge Hongkonger aus der Mittelschicht angesichts der horrenden Immobilienpreise von einer eigenen Wohnung nur träumen.

Gepaart mit den neuen Medien hat all dieser neue Leidensdruck eine ganze Generation von jungen Bürgern für politische Fragen sensibilisiert. Der gute Redner Wong hat all dem eine Stimme gegeben. Der persönliche Hintergrund Joshua Wongs hat übrigens auch einen Bezug zur Schweiz. Er gehört der Tsung-Tsin-Kirche an, die im 19. Jahrhundert in Südchina von der Basler Mission gegründet wurde, mittlerweile aber längst unabhängig ist.

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