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16:16 Uhr - 02.02.2021

Ein Fall GameStop auch in der Schweiz?

Heimische Leerverkäufer und Aufseher äussern sich zu den Vorfällen in den USA. Derweil regen sich Zweifel am Narrativ «David gegen Goliath».

Kleinanleger stürzen sich auf eine Schweizer Aktie, auf die sich zuvor Leerverkäufer eingeschossen haben, und treiben Letztere damit in den Ruin. Experten und Aufseher halten dieses Szenario hierzulande für kaum möglich. In den USA werden solche Vorkommnisse rund um die Explosion des Game­Stop-Aktienkurses untersucht. Bereits kommen Zweifel auf, dass hier wirklich nur Kleinanleger agiert haben sollen.

«Ein Short Squeeze ist nichts Neues», sagt Aimone Beretta, «das ist ein Risiko, mit dem ein Leerverkäufer leben muss» (vgl. Glossar). Beretta muss es wissen, er ist Leerverkäufer mit Domizil Schweiz und London. Der Fondsmanager bei der Investmentgesellschaft Virtuoso Advisory setzt auf global führende, nachhaltige ­Unternehmen. Die Aktien der «faulen ­Äpfel» in diesem Bereich verkauft er leer, weil er der Überzeugung ist, dass ihr Kurs langfristig fallen wird.

Auf einen fallenden Kurs zu setzen, das flog Leerverkäufern in den USA vor Tagen um die Ohren, als eine Meute Kleinanleger, organisiert über die soziale Plattform Reddit, sich auf die Titel der kriselnden ­Videospielladenkette GameStop stürzte. Leerverkäufer fuhren im resultierenden Short Squeeze einen hohen Verlust ein. Der Hedge Fund Melvin Capital musste gar von Konkurrenten gerettet werden.

Ein zu hohes Risiko

In der Schweiz seien Fonds mit Short-Strategien laut Experten nicht gross von der Causa GameStop betroffen gewesen. Zum einen würden solche Fonds mit Domizil Schweiz selten auf US-Aktien setzen. Zum andern sei das «immer auch eine Frage des Risikomanagements», sagt Beretta. Die Short-Positionen seien jede für sich überschaubar und würden laufend an die Volatilität der entsprechenden Titel angepasst. Ein anderer Schweizer Leerverkäufer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagt: «Wenn Sie seriös agieren, sind zu jeder Zeit höchstens 10% Ihres Fondsvermögens wegen Leerverkaufspositionen ausfallgefährdet.» Mel­vin habe schlicht ein zu grosses, ungesundes Risiko in GameStop gefahren.

Beide halten es praktisch für ausgeschlossen, dass ein Short Squeeze in der Schweiz die Ausmasse von GameStop annehmen könnte. «Wir haben hierzulande einfach keine solchen Unternehmen, die quasi in Konkurs und hoch leerverkauft sind», sagt der Leerverkäufer. Die am meisten leerverkaufte Schweizer Aktie ist Basilea (BSLN 52.25 -1.14%), bei der aber nur gut 13% der ausstehenden Titel leerverkauft sind.

Käme es hier zu einem Short Squeeze, würde es wohl für niemanden wirklich ans Lebendige gehen, weil immer noch mehr als genug Valoren da wären, um Short-­Positionen zu decken. GameStop war hingegen auf dem Höhepunkt zu rund 140% leerverkauft. Wie das sein kann? Die Experten vermuten illegale ungedeckte Leerverkäufe.

SIX scannt soziale Medien

Kommt es dennoch zu auffälligen Bewegungen im Markt, sieht sich die Schweizer Börse SIX vorbereitet. «SIX verbietet ungedeckte Leerverkäufe und verfügt auch über Marktkontrollmechanismen, die den Handel aussetzen, sollte es innerhalb eines Tages zu erheblichen Preisbewe­gungen kommen», sagt ein Sprecher auf Anfrage. Mit ihrem System namens Prometheus scanne SIX auch die sozialen Medien und könne frühzeitig erkennen, wenn sich ein Anlegersturm analog zu ­GameStop zusammenbraue.

Im Fall GameStop vermuten Leerverkäufer Marktmanipulation, ebenso wie die US-Behörden, die die Vorkommnisse nun untersuchen. Schon droht eine weitere Regulierung der sozialen Plattformen. Doch auch die traditionellen Wallstreet-Player könnten ins Visier geraten – nicht nur wegen ungedeckter Leerverkäufe. Die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren, Ex-Konkurrentin von Joe Biden um die Präsidentschaftskandidatur, sagte zum TV-Sender CNN: Man wisse tatsächlich nicht, «ob hier nicht grosses Geld auf beiden Seiten stand». Auch einer der befragten Leerverkäufer sagt: «Da waren sicher auch auf Käuferseite Hedge Funds und Banken dabei, die hatten auch ein Interesse, dass der Kurs steigt.»

Tatsächlich sind die grössten Aktionäre von GameStop die Asset-Management-Riesen BlackRock (BLK 728.36 +2.13%), Vanguard und Fidelity. Sie machten hier jeder einen Kursgewinn von 2 bis 3 Mrd. $. Gerade BlackRock, deren Software Aladdin von Tausenden von institutionellen Investoren auf der ganzen Welt genutzt wird, sehe dadurch schon frühe Marktbewegungen und könne sich selbst entsprechend positionieren. Auch die Schweizerische Nationalbank ist passiv in GameStop-Aktien investiert und hat damit in vier Monaten rund 43 Mio. Fr. Gewinn erzielt. Die Kleinanleger sind also nicht die einzigen und längst nicht die grössten Profiteure der Causa GameStop.


Glossar


Leerverkauf (engl.: Short Selling): Der Anleger leiht sich Aktien am Markt, verkauft sie und hofft, sie später zu einem günstigeren Preis zurückkaufen zu können. Die Differenz ist sein Gewinn. Der Leerverkäufer spekuliert also auf einen fallenden Aktienkurs.

Short Squeeze: Der Kurs einer stark leerverkauften Aktie steigt sprunghaft wegen der hohen Nachfrage. Anleger, die ihre Aktien Leerverkäufern ausgeliehen haben, rufen sie angesichts des Gewinns zurück. Leerverkäufer müssen die Titel zu einem stark gestiegenen Preis zurückkaufen, treiben den Kurs damit selbst weiter in die Höhe. Für sie kann der Verlust in der Theorie unendlich hoch sein.

Ungedeckter Leerverkauf (engl. Naked Short Selling): Der Anleger verkauft eine Aktie – in Form eines Schuldscheins –, die er zuvor gar nicht ausgeliehen hat, sprich: von der er gar nicht weiss, ob sie existiert. Die Praxis ist mittlerweile ver­boten, weil sie zu starken Kursstürzen führen oder wie im Fall GameStop einen Short Squeeze eskalieren lassen kann.

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