Zurück zur Übersicht
07:00 Uhr - 09.12.2014

Die Zinsparität

Wenn die Zinsparität gilt, können Anleger keine Gewinne aus Zinsdifferenzen unterschiedlicher Währungen erzielen. In der Praxis gibt es aber Abweichungen.

Es sind magere Zeiten für Schweizer Sparer. Wer sein Geld auf einem Sparkonto anlegt, muss sich gegenwärtig mit einem Jahreszins von maximal 0,3% begnügen. Dagegen wirft ein Sparkonto in Brasilien einen Zins von knapp 6% jährlich ab. Wäre es unter diesen Voraussetzungen nicht lohnenswert, die Ersparnisse ins Ausland zu transferieren?
Was nach einem Free Lunch – also einem risikofreien Gewinn – klingt, widerspricht einem der fundamentalsten Gesetze der Ökonomie: Die Zinsparität. Sie bedeutet, vereinfacht gesagt, dass Zinsunterschiede in verschiedenen Ländern durch Anpassungen im Wechselkurs ausgeglichen werden (Erklärung der Zinsparität).

Weitere Beiträge in diesem Artikel:
Erklärung der Zinsparität
Arbitrage und die gedeckte Zinsparität
Zur Person John Maynard Keynes

Lesen Sie hier weitere berühmte Theoreme:
Die Prospekttheorie
Das Feldstein-Horioka-Paradoxon
Das Pareto-Optimum
Das Heckscher-Ohlin-Theorem
Der wicksellsche Prozess

Hier finden Sie das vollständige Dossier «Berühmte Theoreme».
Abkehr vom Goldstandard

Die Wurzeln des Theorems reichen bis ins 18. Jahrhundert zum schottischen Philosophen David Hume zurück. Doch zu Papier gebracht hat die Theorie der britische Ökonom John Maynard Keynes. In «A Tract on Monetary Reform» beschrieb er 1923, wie Kaufleute das Währungsrisiko mittels Terminkontrakten (Forward) absichern können. «Es gibt kaum ein anderes Thema im Finanzbereich, das so bedeutend ist und trotzdem so wenig Beachtung und Publizität findet», stellte Keynes dort fest.
Keynes veröffentlichte sein Papier in währungspolitisch turbulenten Zeiten. Der Erste Weltkrieg hatte die Währungsordnung verändert. Von 1870 bis 1914 war der Goldstandard weltweit das dominierende Währungssystem gewesen. Doch mit dem Kriegsausbruch wurde die Einlösungspflicht für Gold (Gold 1202.205 -0.07%) zunächst aufgehoben. 1919 lösten verschiedene Länder ihre Koppelung an den fixen Wechselkurs, der den Wert ihrer Währung im Verhältnis zum Gold festlegte (Goldparität). Die Abkehr vom Goldstandard führte zu starken Wechselkursschwankungen. Das Regime der freien Wechselkurse währte allerdings nicht lange. 1925 kehrte Grossbritannien zum Goldstandard zurück und stellte die Vorkriegsparität wieder her. Andere Länder folgten dem britischen Beispiel.

John Maynard KeynesZur Person »Zwei Formen der Parität

Im Kern des Theorems steht die Annahme, dass ein rationaler Anleger sein Geld dort anlegt, wo er den grössten erwarteten Ertrag erzielt. Daraus ergibt sich die erste zentrale Voraussetzung für die Zinsparität: Damit der Anleger die Wahl hat, im Ausland zu investieren, muss das Kapital zwischen Inland und Ausland vollkommen frei zirkulieren können. Zweitens müssen die Anlagen substituierbar sein, das heisst sie sind hinsichtlich Risiko und Liquidität identisch. Der Unterschied liegt einzig im Zins und der Währungseinheit.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt und gilt die Zinsparität, ist der Ertrag der beiden Anlageoptionen am Ende der Laufzeit gleich. Der Anleger erhält im Ausland möglicherweise einen höheren Zins, doch diese Differenz wird durch Veränderungen im Wechselkurs und den Rücktausch in die inländische Währung ausgeglichen.
Die Theorie unterscheidet zwei Formen der Zinsparität, nämlich die gedeckte und die ungedeckte Zinsparität. Bei der gedeckten Variante sichert der Investor das Währungsrisiko mittels Terminkontrakt ab. Wenn die Zinsparität nicht gilt, eröffnet sich eine Arbitragemöglichkeit: Ein Anleger kann sich in der Währung, die zum niedrigeren Satz verzinst wird, verschulden und das Geld in die hochverzinsliche Währung investieren. Weil er gegen Wechselkursschwankungen abgesichert ist, erzielt er einen Gewinn, ohne ein Risiko eingegangen zu sein. Durch das Anlegerverhalten werden die Wechselkurse so beeinflusst, dass die Arbitragemöglichkeit verschwindet (vgl. Box unten).
Entscheidet sich der Anleger, das Währungsrisiko nicht abzusichern, spricht man von ungedeckter Zinsparität: Der investierte Betrag wird erst am Ende der Laufzeit zum dann geltenden Wechselkurs in die inländische Währung getauscht.

Erklärung der ZinsparitätDie Zinsparität besagt, dass ein Anleger indifferent ist gegenüber dem Zinsertrag, den er in zwei unterschiedlichen Ländern erzielt: Die erwartete Rendite der inländischen Investition ist gleich der erwarteten Rendite der ausländischen Investition. Dabei entspricht der Ertrag im Inland dem nominalen inländischen Zins. Der Ertrag im Ausland entspricht dem nominalen ausländischen Zins, bereinigt um die Wechselkursänderung. Es wird zwischen der gedeckten und ungedeckten Zinsparität unterschieden (vgl. Haupttext). Damit die Zinsparität gilt, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Das Kapital muss vollkommen mobil sein und die Anlageoptionen müssen substituierbar sein.

Indikator für Effizienz

Zu Keynes Lebzeiten waren Abweichungen von der Zinsparität an der Tagesordnung. Zwei Weltkriege und die Grosse Depression hatten die globale Wirtschaft zusammenbrechen lassen: Die internationalen Kapitalströme waren beinahe versiegt und Kapitalkontrollen weitverbreitet. Bereits 1923 hatte Keynes verschiedene Gründe dafür aufgeführt, wieso Abweichungen vom Gleichgewichtswechselkurs trotz Arbitragemöglichkeiten vorkommen können. Dazu zählen Transaktionskosten, Kapitalkontrollen oder das Gegenparteirisiko – also Faktoren, die die beiden Voraussetzungen Kapitalmobilität und Substituierbarkeit verletzen.
Als das System von Bretton Woods (1945-1971), bei dem der Dollar als Ankerwährung gedient hatte, Anfang der Siebzigerjahre zusammenbrach, setzte sich erneut ein flexibles Währungsregime durch. Mit zunehmender Globalisierung der Finanzmärkte zeigte sich, dass die gedeckte Zinsparität ziemlich gut – wenngleich nicht perfekt – funktioniert. Die Relation entwickelte sich zu einem bedeutenden Mass für die Effizienz der Kapitalmärkte.
Studien vor dem Ausbruch der Finanzkrise zeigten, dass verschiedene Währungspaare Abweichungen vom Gleichgewichtswechselkurs aufwiesen. Das Zeitfenster für Arbitrage war aber klein: nach 30 Sekunden bis 4 Minuten waren die Abweichungen verschwunden. Dennoch eröffnen solche Ungleichgewichte Opportunitäten, etwa für den computergestützten Hochfrequenzhandel. Als die Finanzkrise ausbrach, stiegen die Abweichungen von der gedeckten Zinsparität. Einerseits nahm das Gegenparteirisiko zu. Zudem verknappten sich die verfügbaren Finanzmittel. Erst als die US-Notenbank zusammen mit weiteren Zentralbanken die Liquidität erhöhte, nahm die Kapitalmobilität wieder zu und die Werte näherten sich dem Gleichgewichtswechselkurs an.

Riskante Strategie

Statistische Untersuchungen zur ungedeckten Zinsparität kommen zu gemischten Ergebnissen. Viele Forschungspapiere haben ihre Gültigkeit in Frage gestellt oder verworfen. Gegen die ungedeckte Zinsparität spricht etwa die Tatsache, dass Anleger mit Carry Trades Profite erzielen. Sie leihen sich dabei Geld zu einem günstigen Zinssatz und investieren in eine hochverzinsliche Währung. Das Währungsrisiko wird dabei nicht abgesichert, es handelt sich daher nicht um Arbitrage, sondern um Spekulation.
Die Strategie kann sich lohnen, allerdings birgt sie Risiken. Ein extremes Beispiel ist die Finanzkrise in Island, die – gemessen an der Wirtschaftsleistung – zu den grössten in der Wirtschaftsgeschichte gehört. Mit hohen Zinsen lockten isländische Banken ausländische Anleger an. So offerierte etwa die Grossbank Icesave im Mai 2008 Sparzinsen von über 7%. Das böse Erwachen kam, als die Institute nach Ausbruch der Finanzkrise ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten. Die isländische Krone – und damit die Ersparnisse der ausländischen Anleger – verlor rapide an Wert. Die Regierung konnte eine unkontrollierte Abwertung nur durch Kapitalverkehrskontrollen stoppen.

Arbitrage und die gedeckte ZinsparitätGilt die gedeckte Zinsparität nicht, ist Arbitrage möglich: 1. Der Arbitrageur verschuldet sich in der Währung, die den niedrigeren Zins bietet und leiht sich beispielsweise 90 Fr. zum Jahreszins von 5%. 2. Er wechselt den Betrag zum aktuellen Wechselkurs von 0.90 Fr./$ und erhält 100 $. Gleichzeitig sichert er das Währungsrisiko mit einem Terminkontrakt (Forward) ab. Erwartet der Markt in einem Jahr denselben Wechselkurs, beträgt die Forward Rate 0.90 Fr./$. Der Anleger erwirbt das Recht, den Betrag in einem Jahr zu diesem Kurs zurückzutauschen. 3. Der Dollarbetrag wird zum Jahreszins von 10% angelegt. Am Ende der Laufzeit ergibt das 110 $. 4. Der Arbitrageur wechselt die Dollar zum zugesicherten Wechselkurs von 0.90 Fr./$ und erhält 99 Fr. 5. Die Schulden belaufen sich Ende Jahr auf 94.50 Fr. Nach Rückzahlung bleibt ein Gewinn von 5.50 Fr. Diese Transaktionen wirken sich auf die Wechselkurse aus: Zuerst steigt die Nachfrage nach Dollar, er wertet sich auf. Der Forward-Kurs sinkt dagegen, weil das Dollarangebot in einem Jahr steigen wird. Gemäss Zinsparität verändert sich der Wechselkurs, bis gar keine Arbitrage wie im Beispiel möglich ist.zoom
John Maynard Keynes
(*5. Juni 1883 in Cambridge/England, †21. April 1946, in Firle/England)
Die Arbeit von John Maynard Keynes revolutionierte die Ökonomie. Mit der Publikation seines Hauptwerks «The General Theory of Employment, Interest and Money» 1936 begründete er die moderne Makroökonomie und sicherte sich damit einen Platz unter den bedeutendsten Ökonomen des zwanzigsten Jahrhunderts. Berühmheit erlangte Keynes bereits 1919, als er «The Economic Consequences of Peace» veröffentlichte. In dem Buch übte er scharfe Kritik an den Reparationszahlungen, die Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg auferlegt wurden. Er befürchtete, dass das Land unter der Schuldenlast verarmen und dadurch zu einem Herd für politische Instabilität würde.

In seinen frühen ökonomischen Werken befasste sich Keynes mit der Geldtheorie. Seine Ansichten waren geprägt von Alfred Marshall und Arthur Pigou, beide Vertreter der Neoklassik, bei denen Keynes studiert hatte. Im Grundsatz vertrat er die These, dass die Voraussetzung für eine stabile Wirtschaft in der Preisstabilität liegt. In «Tract on Monetary Reform» warnte er 1923 vor der Rückkehr zum Goldstandard, den er als «barbarisches Relikt» bezeichnete. 1930 folgte ein weiteres Buch über Geld, «A Treatise on Money». Wiederholt kritisierte Keynes die Sparpolitik der britischen Regierung während der Weltwirtschaftskrise. In seinem Hauptwerk von 1936 zeigte er Rezepte zur Bewältigung der Grossen Depression auf und legte den Fokus dabei auf die Fiskalpolitik. Keynes’ Lehre dominierte die Ökonomie bis Mitte der Siebzigerjahre.

1941 wurde Keynes in das Direktorium der Bank of England berufen. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war er massgeblich am Aufbau des neuen Weltwährungssystems beteiligt und er nahm 1944 als Leiter der britischen Delegation an den Verhandlungen in Bretton Woods teil. Keynes starb 63-jährig in seiner Heimat in Sussex an Herzversagen.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.