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14:10 Uhr - 15.09.2014

Mit Nobel nichts überstürzen

Obschon Marktbeobachter die Übernahme des Zahnimplantatherstellers Nobel Biocare durch Danaher bereits als Fakt sehen, ist ein Gegenangebot nicht ausgeschlossen. Aktionäre warten mit Vorteil ab.

Also doch Danaher. Der akquisitionsfreudige Mischkonzern Danaher mit besonderen Ambitionen im Dentalgeschäft gehörte für «Finanz und Wirtschaft» von Anfang an zum «engsten Kreis» der Anwärter für einen Kauf des Zürcher Zahnimplantatherstellers Nobel Biocare (NOBN 17 -0.29%) (vgl. Artikel dazu). Doch auch wenn aus industrieller Optik viel für ein Zusammengehen mit den Amerikanern spricht, brauchen die Nobel-Aktionäre ihre Titel nicht eilends anzudienen. Nobel Biocare würde genauso gut zu Henry Schein (HSIC 116.02 -0.63%), Dentsply oder Sirona passen – drei weiteren im Dentalgeschäft führenden US-Unternehmen.

Frust sitzt tief

Es ist nicht ausgeschlossen, dass einer dieser Konzerne oder auch ein breit aufgestellter Anbieter von Gesundheitsprodukten wie Johnson & Johnson noch aus der Deckung kommt und die vom Nobel-Verwaltungsrat bereits abgesegnete Offerte über 2 Mrd. Fr. bzw. 17.10 Fr. pro Aktie von Nobel Biocare übertrumpft. Frustrierte Aktionäre gibt es aufseiten von Nobel zuhauf: Zu den besten Zeiten des Unternehmens 2007 waren die Valoren zu über 80 Fr. oder rund 80% höher gehandelt worden.

Danaher macht zur Bedingung, dass mindestens 67% der Nobel-Aktien angedient werden. Der Prospekt zum Übernahmeangebot soll voraussichtlich am 1. Oktober publiziert werden und die Frist zur Andienung am 16. Oktober beginnen. Mit dem Vollzug der Transaktion rechnet Danaher für Ende dieses Jahres oder spätestens Anfang 2015.

Für das Industriekonglomerat, das im vergangenen Jahr mit Dentalprodukten bereits 2,1 Mrd. $ bzw. 11% des Gesamtumsatzes von 19,1 Mrd. $ erwirtschaftet hat, bietet sich die Chance, im Verbund mit Nobel Biocare zum weltgrössten Anbieter von Verbrauchs- und Praxisausrüstungsprodukten in der Zahnindustrie aufzusteigen. Zusammen würden die beiden Unternehmen in diesem rund 22 Mrd. $ schweren Markt einen Umsatz von fast 3 Mrd. $ erwirtschaften.

Kaum noch Wachstum mit Implantaten

Grösse spielt in der Dentalbranche wie in fast allen Gesundheitsmärkten eine zunehmend wichtige Rolle. Seit Ausbruch der Finanzmarktkrise 2008 ist das Geschäft mit Zahnimplantaten nicht mehr in Schwung gekommen. Im zweiten Quartal betrug das Wachstum im Verkauf von hochpreisigen Zahnimplantaten, auf die Nobel Biocare wie auch ihr Basler Wettbewerber Straumann (STMN 221.3 -0.9%) spezialisiert ist, geschätzt gerade mal 1%. 2007 hatte sich die Branche noch Expansionsraten im deutlich zweistelligen Prozentbereich erfreut.

Zahnärzte sehen sich mit einer zunehmend preisbewussten Kundschaft konfrontiert. Um im Geschäft mit ihnen trotzdem zu reüssieren, müssen Lieferanten möglichst günstige Konditionen offerieren. Breit aufgestellte Dentalunternehmen wie Henry Schein und Dentsply sehen sich hier im Vorteil, zumal sie vor allem in den USA über ein Heer von Kundenberatern verfügen. «Nobel Biocare ist als kleiner Distributor mit wenigen hundert Verkaufsleuten klar benachteiligt», gibt Stefan Blum zu bedenken, der den auf Medizinaltechnikanlagen spezialisierten Fonds BB Medtech Lux managt.

Für Blum ist die Übernahme des weltweit zweitgrössten Zahnimplantatherstellers Nobel Biocare durch Danaher «ein logischer Schritt». Er rechnet nicht damit, dass sich noch ein Wettbewerber einschaltet. «Konkurrenten wie Henry Schein und Dentsply hatten während der vergangenen sechs Wochen ausreichend Zeit, sich zu überlegen, wie viel sie allenfalls zu zahlen bereit wären», sagt er.

Auf Basis der gebotenen 17.10 Fr. und der FuW-Gewinnschätzung für 2015 von 0.59 Fr. pro Nobel-Aktie ergibt sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 29. Das ist eine sehr hohe Bewertung, zumal sie diejenige des besser aufgestellten Marktführers Straumann (KGV 2015 von 25) noch übertrifft.

Eine andere Frage ist, wie sich die Wachstums- und Gewinn­aussichten von Nobel Biocare längerfristig präsentieren. Hier steht es offenbar nicht zum Schlechtesten. Andernfalls würde sich der Chef von Danahers Dentalgeschäft, Henk van Duijnhoven, im Pressecommuniqué zum Übernahmeangebot kaum dahingehend zitieren lassen, dass die Führung von Nobel Biocare dank «hervorragender Arbeit» eine «starke Grundlage für künftiges Wachstum» geschaffen habe.

Keine «Schweizer Lösung»

Es ist nicht anzunehmen, dass die Nobel-Aktionäre gemessen an der gegenwärtigen Offerte von Danaher für diese erwartete Expansion abgegolten werden. Die Amerikaner dürften vielmehr damit kalkulieren, sich ihren Schweizer Wettbewerber ausreichend günstig zu sichern, um nachher von Kostensenkungsmassnahmen zu profitieren. Dass hier noch einiges herauszuholen ist, zeigt ein Vergleich mit Straumann, die selbst explizit nicht an einem Zusammengehen mit Nobel respektive einer «Schweizer Lösung» interessiert ist, wie Sprecher Mark Hill gegenüber FuW bekräftigt.

Im ersten Halbjahr erwirtschaftete der kostenbewusste Basler Wettbewerber eine Ebit-Marge von 20,9%, nach 16% in der Vorjahresperiode. Nobel Biocare brachte es dagegen erst auf 15% (im Vorjahr 10,7).

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