Konzernchef Christian Mumenthaler sagt, warum Swiss Re sicher steht – trotz eines schlechteren Halbjahresergebnisses als andere Rückversicherer.
Der Versicherer Swiss Re (SREN 72.76 1.39%) bucht im ersten Semester mit 2,5 Mrd. $ deutlich mehr Pandemiebelastungen als die grössere Wettbewerberin Münchener Rück (MUV2 234.5 4.31%). Der Schweizer Konzern sei nicht mehr exponiert als andere Rückversicherer bei etwa den Betriebsunterbruchversicherungen, sagt CEO Christian Mumenthaler im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft». Das Einfordern von Schadendeckungen sei noch in vollem Gang. In der Bemessung der vermuteten Zahlungspflicht sei Swiss Re im Semesterbericht womöglich konservativer vorgegangen als andere. Bis Ende Jahr werde sich herausstellen, wer akkurater geschätzt habe.
Herr Mumenthaler, bei Swiss Re kumulieren sich die Risiken zum Milliardenverlust, während bei der Konkurrentin Münchener Rück verschiedenartige Geschäftsteile das Halbjahresergebnis stabilisieren. Wie gefährdet ist Ihr CEO-Posten?
Das müssen Sie wohl Verwaltungsratspräsident Walter Kielholz fragen. Unser Geschäft verläuft zyklisch; wir hatten extrem positive Phasen und jetzt auch eine schwierige. Zuversichtlich stimmt, dass die Sanierung des Geschäfts mit Grossunternehmen nun erste Erfolge bringt sowie die starke zugrunde liegende Performance aller anderen Geschäftsbereiche.
Nach immer neuen Schwierigkeiten ist Swiss Re seit mehreren Jahren in einem Negativtrend. Wie sicher fühlen Sie sich mit der Führung des Konzerns?
Ich bin da bei den Stoikern. Als Kapitän muss man das Schiff durch gute und schlechte Bedingungen steuern können. Wir haben seit je die Praxis, Rückstellungen nach unseren besten Schätzungen zu bilden. Von 2012 bis 2016 trafen niedrige Katastrophenschäden ein, worauf unser Unternehmen extrem kräftige Ergebnisse auswies. Reserven wurden wieder aufgelöst und nicht für Glättungen künftiger Resultate zurückbehalten. Unser Eigenmittelpolster halten wir aber sehr dick. Daraus zahlen wir, wenn Leistungspflichten entstehen. Manchmal scheint die Sonne und manchmal regnet es. Swiss Re ist seit hundertfünfzig Jahren extrem stark und kapitalmässig sehr gut ausgestattet. Dass wir etwas zahlen, wenn es grosse Schäden gibt, ist klar – das ist für uns normal und da müssen wir durch.
Ohne die Pandemiefolgen würde Swiss Re einen Halbjahresgewinn von beinahe 0,9 Mrd. $ ausweisen. Weshalb rechnet sich aber auch so ein etwa zehnprozentiger Rückgang gegenüber den fast 1 Mrd. $ des Vorjahreszeitraums?
Damals hatten wir auf unseren Investments wesentlich mehr Anlagegewinne erzielt. Deutlich besser geworden ist dieses Jahr auf vergleichbarer Basis die Rentabilität des Kerngeschäfts. Das illustriert der normalisierte Schaden-Kosten-Satz, der sich in dieser Periode verbessert hat.
Aber das Investmentresultat schwindet wegen der Niedrigrenditen am Kapitalmarkt.
Die niedrig bleibenden Marktzinsen fressen einen Teil der verbesserten operativen Marge weg. Deshalb erhöhen wir – und auch unsere Konkurrenten – die Tarife für neue Versicherungskontrakte. Dieses Jahr realisieren wir eine nominale Preiserhöhung um 6%, doch ökonomisch bleibt davon wegen niedriger Zinsen nichts.
Folglich ein unprofitables Wachstum?
Die Profitabilität pro Prämie bleibt gleich, denn wir gehen nur neue Verträge ein, wenn sie nach Kalkulation aller Faktoren in der Endabrechnung einen Gewinn versprechen. Gleichzeitig ist unser Vertragsprämienvolumen seit Jahresbeginn um 6% gestiegen.
In der Bilanz sind rund 110 Mrd. $ Geldanlagen, davon mehr als 30 Mrd. in Unternehmensanleihen und Krediten. Davon ist die Hälfte von Schuldnern mit einem BBB-Rating. Wie gefährdet ist Swiss Re, sollte es wegen der Weltrezession zu Ratingabstufungen oder gar Forderungsausfällen kommen?
Das Investmentteam hat frühzeitig Massnahmen ergriffen und etwa Emittenten aus dem Portfolio entfernt, beispielsweise solche der Transport- und Freizeitbranchen. Auf dem verbliebenen Bestand erlitten wir zwei Drittel weniger Ratingrückstufungen als es im Obligationen-Weltindex der Fall war. Wir hatten bisher keinen Totalverlust. Die Obligationenwertberichtigung im ersten Semester war nur 27 Mio. $, was ein Promille des Bestands ausmachte. Die Qualität unseres Portfolios bleibt extrem hoch.
Ein internes Start-up ist die digitale Versicherungsplattform iptiQ, für die Swiss Re mehr als dreissig Partner mit verzweigtem Kundenbestand – darunter Ikea und UBS (UBSG 10.91 2.01%) – gewonnen hat. Wann wird damit die Gewinnschwelle erreicht?
Das wird wohl noch einige Jahre dauern. Zunächst haben wir Aufbau- und Ausbaukosten zu tragen. Doch unser Start-up gehört bereits zu den bedeutendsten des Versicherungssektors. Wir rechnen mit 1 bis 1,5 Mrd. $ Unternehmenswert. Und wir haben noch weitergehende Ambitionen. Untermauert wird das durch die Bewertung des eben an der Börse kotierten Start-ups Lemonade und durch dessen grosse Beachtung bei Anlegerkreisen.
Was ist, wenn die Hurrikansaison, wie von Wetterexperten befürchtet, überdurchschnittlich intensiv wird?
Dann kommt es darauf an, ob und wo solche Stürme auf Land treffen. Wir sind kapitalstark und für alles gerüstet. Versicherer lassen sich zudem die Leistungen nach Naturkatastrophen durch höhere Tarife in den Folgejahren gewissermassen zurückzahlen. So funktioniert unser System. Ich habe grösste Zuversicht, dass das so bleibt.
Ist die Dividende, die viele Aktionäre weiterhin erwarten, gesichert?
Der Verwaltungsrat entscheidet das jeweils im Februar. Unsere Kapitalpolitik ist gesetzt. Zunächst zählt, dass unsere Kapitalbasis stark bleibt. Sodann soll die Ausschüttung beibehalten oder allenfalls gesteigert werden. Die Dividende hat bei uns eine extrem hohe Priorität.
Die komplette Historie zu Swiss Re finden Sie hier.»
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