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15:32 Uhr - 29.07.2015

Yellen setzt auf Verzögerungstaktik

Die Chefin der amerikanischen Notenbank hofft auf eine weitere Aufhellung am Arbeitsmarkt. Für ein klares Signal zur ersten Zinserhöhung fehlt ihr jedoch der Mut.

Die amerikanische Notenbank steckt in der Zwickmühle: Nach mehr als sechs Jahren mit Zinsen zum Nulltarif will sie endlich die Normalisierung der Geldpolitik einleiten und bereitet Investoren seit Monaten auf dieses Grossereignis vor. Die geringe Inflation und die durchwachsene Konjunkturlage sprechen jedoch nicht für einen baldigen Schritt. Mit einem diffusen Statement zu seiner Sitzung vom Mittwoch versucht das Federal Reserve deshalb vor allem, Zeit zu gewinnen.

Erfreulich entwickelt sich aus Sicht der US-Währungshüter die Lage im Immobiliensektor und Arbeitsmarkt. Im Kommuniqué sprechen sie von “solidem Stellenwachstum” und “sinkender Arbeitslosigkeit”. Zudem habe sich die Unterauslastung im Jobsektor “seit Anfang Jahr verringert”. Das ist eine leicht optimistischere Einschätzung im Vergleich zur Fed-Sitzung von Mitte Juni, als sie von einer “unveränderten Arbeitslosenquote” und einer “leichten Reduktion der Unterauslastung” redeten.

Der Vorsitz der US-Notenbank gibt zudem einen Hinweis darauf, dass die Erholung im Jobmarkt bald für einen ersten Zinsschritt ausreichen könnte. Bislang hiess es, dass dafür “zusätzliche Verbesserungen” notwendig seien. Am Mittwoch hielt das Fed nun fest, dass sich die Situation nur noch “etwas” aufhellen müsse. Seit Anfang Jahr hat die US-Wirtschaft durchschnittlich knapp 210’000 Stellen pro Monat geschaffen und die Arbeitslosenquote hat sich von 5,7 auf 5,3% reduziert.

Inflation wird zum Problem

Insgesamt sind das allerdings nur subtile Retuschen, die nicht von grosser Entschlusskraft zeugen. Auch ist sich das Federal Reserve unsicher darüber, was das mittel- bis langfristige Ziel von 2% Inflation betrifft. Mitte Juni sagte es, dass sich die Energiepreise stabilisiert haben und der Druck auf die Teuerung damit zurückgegangen sei. Nach dem erneuten Einbruch des Ölpreises hat es diesen Passus nun weggelassen. Die Kerninflation bewegt sich in den USA bereits seit drei Jahren unter 2%.

Investoren hatten sich erhofft, dass die US-Notenbank am Mittwoch einen tieferen Einblick in ihren Terminplan für eine Zinserhöhung geben könnte. Das, nachdem Fed-Chefin Janet Yellen Mitte Juli vor dem Kongress bekräftige, dass sie dieses Jahr mit dem sogenannten „Liftoff“ beginnen will. An Wallstreet erwarten die meisten Ökonomen bereits im September den ersten Schritt. Im Terminhandel wird damit jedoch nicht vor der Fed-Sitzung im Dezember oder sogar erst später gerechnet.

Zu dieser Frage gibt es nach der zweitägigen Sitzung der US-Notenbank kaum neue Anhaltspunkte. “Die Veränderungen im Fed-Statement sind recht minimal”, meint Jim O’Sullivan vom Researchdienst High Frequency Economics. “Es gibt kein klares Signal dafür, wann genau der Normalisierungsprozess in der Geldpolitik beginnen wird”, hält er weiter fest.

Finanzmärkte reagieren uneinheitlich

Entsprechend uneinheitlich reagierten die Finanzmärkte. Der Leitindex S&P 500 (SP500 2108.57 0.73%) zog nach der Publikation des Fed-Statements an und schloss 0,7% höher auf 2108,57. Das sieht nicht so aus, als ob die Wahrscheinlichkeit einer baldigen Zinsenerhöhung aus Sicht der Börse gestiegen ist. Anders ist hingegen die Interpretation am Bondsektor, wo die Rendite auf zehnjährige Staatsanleihen am Mittwoch leicht angezogen hat.  Ebenfalls etwas Auftrieb verspürte der Dollar.

Bis zur Fed-Sitzung von Mitte September kann noch viel passieren. Wollen die Währungshüter bereits dann die Zinsen erhöhen, muss nun alles richtig laufen. “Wir glauben, dass die Konjunkturdaten für den Start des Zinszyklus im September sprechen werden”, denkt das Research-Team der Bank Barclays (BARC 284.85 1.62%). “Wenn die Daten aber etwas schwächer ausfallen oder Bedenken zur internationalen Lage in den Mittelpunkt rücken, dann könnte das Fed sich entscheiden, vorsichtig zu sein und eine Zinserhöhung verzögern”, relativieren sie.

Um im September den ersten Schritt zu machen, muss die US-Notenbank noch viel Kommunikationsarbeit leisten. Die Zeit dafür ist jedoch knapp. Das umso mehr, weil Fed-Chefin Yellen Ende August nicht am Wirtschaftssymposium von Jackson Hole teilnehmen wird. Bis zum September-Treffen werden ihr zwei weitere Berichte zum Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ein genaues Augenmerk wird sie am Donnerstag auch auf die Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt für das zweite Quartal legen. Nach einem Minus von 0,2% in den ersten drei Monaten gehen Ökonomen von verhaltenen 2,5% Wachstum aus.

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