In Frankreich rücken die Parlamentswahlen in den Fokus. Emmanuel Macron braucht eine stabile Mehrheit für seine Reformen. Zudem will er eine europäische Fiskalunion.
Die Franzosen haben entschieden: Mit rund 66% der Stimmen hat sich der parteiunabhängige Emmanuel Macron klar gegen seine Rivalin Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National durchgesetzt. Am kommenden Sonntag wird der bislang jüngste Präsident Frankreichs sein Amt antreten.
Die Erleichterung in Europa ist gross, denn mit Macron zieht ein Verfechter der europäischen Idee in den Elysée-Palast.
Jetzt geht es um das Parlament
Am Ziel ist der neue Präsident trotz seines deutlichen Wahlsiegs allerdings noch nicht. Um kraftvoll regieren zu können, braucht er eine Mehrheit im Parlament. Ins Zentrum rücken damit die Wahlen zur Nationalversammlung (Assemblée Nationale), die am 11. und 18. Juni stattfinden. Macron zieht mit einer noch jungen Bewegung in den Wahlkampf: Erst vor einem Jahr hat er «En Marche!» gegründet.
«En Marche!» dürfte gemäss Umfragen als stärkste Kraft aus den Parlamentswahlen hervorgehen, möglicherweise könnte die Bewegung gar knapp die absolute Mehrheit im 577-köpfigen Parlament erringen. Gelingt das nicht, ist Macron auf einen Koalitionspartner angewiesen.
Zersplitterte Parteien
Mögliche Partner sind dann die Konservativen, denen der gescheiterte Präsidentschaftskandidat François Fillon angehört. Sie können mit mehr als 200 Sitzen rechnen und werden damit eine machtvolle Rolle spielen. Die sozialistische Partei des amtierenden Präsidenten François Hollande wird gemäss Umfragen die drittstärkste Kraft mit 30 bis 40 Sitzen.
Allfällige Verhandlungen versprechen allerdings schwierig zu werden. Keiner der möglichen Partner hat Macron bislang volle Unterstützung zugesagt. Die Konservativen sind nach dem Wahldebakel zerstritten, spekulieren derzeit aber auf einen möglichen Sieg bei den Parlamentswahlen.
Ausgeschlossen ist Macrons Zusammenarbeit mit dem Front National (15 bis 25 Sitze). Und Jean-Luc Mélenchon von der linken Partei La France Insoumise hat bereits den Widerstand angekündigt.
Divergierende Meinungen zu Macrons Chancen
«Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Macron in der Lage sein wird, eine Regierung zu bilden», meinen die Analysten von Barclays (BARC 205.95 -0.02%). «Er dürfte seine Reformagenda dann in grossen Teilen umsetzen.»
Skeptisch sind dagegen die Strategen von Franklin Templeton Investments. Sie gehen davon aus, dass die Wahlen im Juni zu einem Patt im Parlament führen werden. «Daher wird Macron mit allen Seiten verhandeln müssen, um seine geplanten Reformen durchzusetzen, insbesondere aber vielleicht mit den konservativen Republikanern», meinen sie.
Arbeitslosigkeit und Steuern senken
Ist die Regierungsbildung geschafft, warten weitere Herausforderungen auf Macron. Ganz oben auf der Agenda steht der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Die Hälfte der Franzosen erachtet die Beschäftigungslage als das grösste Problem im Land. Tatsächlich verharrt die Arbeitslosenrate hartnäckig bei knapp 10% und erreicht damit im europäischen Vergleich Spitzenwerte. Fast ein Viertel der unter 25-Jährigen findet keinen Job. Macron hatte im Wahlkampf versprochen, das Arbeitsmarktgesetz zu lockern und die Arbeitslosenversicherung zu reformieren.
Mit Steuersenkungen für Unternehmen will der neue Präsident zudem die französische Wirtschaft wieder ankurbeln. Sie ist nach der Finanzkrise und der Euroschuldenkrise nur noch langsam gewachsen und hat den einstigen Vorsprung auf Deutschland verloren. Um die Steuerausfälle zu kompensieren, sollen unter anderem 12’000 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden.
Europas Länder enger zusammenschweissen
Macron will ausserdem die europäische Integration vorantreiben. Er hat sich für eine Fiskalunion sowie ein gemeinsames Budget ausgesprochen, das etwa für Investitionsprojekte im Währungsraum genutzt werden soll.
Mit diesem Unterfangen dürfte er aber auf erbitterten Widerstand stossen. Immerhin hat ein Drittel der Wähler für den europafeindlichen Kurs von Le Pen gestimmt. Die Chefin des Front National hat bereits am Sonntagabend mitgeteilt, die Partei neu ausrichten zu wollen, um eine schlagkräftige Opposition zu bilden.
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