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10:09 Uhr - 06.01.2015

Weltkonjunktur startet geschwächt ins Jahr

Gemessen an den Einkaufsmanagerindizes verliert die globale Konjunktur an Dynamik. Positive Signale kommen aus Deutschland und Indien.

Die Weltwirtschaft startet ohne Elan (Elan 0 0%) ins Jahr 2015. Global betrachtet stehen die Zeichen zwar nach wie vor auf Wachstum, doch die Dynamik hat sich zum Jahresende hin weiter abgeschwächt. Das geht aus den Ergebnissen der Dezemberumfragen unter den Chefeinkäufern von Industriebetrieben hervor. Die daraus abgeleiteten Einkaufsmanagerindizes (Purchasing Managers Indices, PMI) gehören zu den bedeutendsten standardisierten Frühindikatoren für den Gang der Wirtschaft.

Rund zwei Drittel der regionalen Industrie-PMI haben sich im Dezember im Vergleich zum Vormonat verschlechtert. Der globale Index der Grossbank J. P. Morgan, der die Länder-PMI nach Wirtschaftskraft gewichtet, hat sich damit weiter von 51,8 auf 51,6 zurückgebildet. Er liegt auf dem tiefsten Niveau seit August 2013, aber immer noch über der kritischen Grenze von 50. Werte über dieser Marke zeigen eine zunehmende Industrieproduktion an und sind auf der Gefahrenkarte oben blau eingefärbt. Werte unter 50 stehen für einen Rückgang der Industrieproduktion und sind in der Grafik rot hinterlegt.

Zugpferd Nordamerika

Acht der zwanzig wichtigsten Industrie-PMI notieren jedoch unter oder bei 50 und signalisieren, dass dort die privatwirtschaftliche Aktivität sich abschwächt oder stagniert. So viele waren es seit Mai des vergangenen Jahres nicht mehr.

Die Wachstumsregion ist und bleibt Nordamerika, auch wenn sich die Dynamik in der US-Industrie etwas zu verlangsamen scheint. Der PMI für das verarbeitende Gewerbe des Institute for Supply Management (ISM) ist zum Jahresende von rekordhohen 58,7 im November auf 55,5 gefallen. Es war der grösste Rückgang seit rund einem Jahr. Allerdings notiert der Index noch immer deutlich in der Expansionszone und bildet auf der Gefahrenkarte einen der wenigen dunkelblauen Flecken, die für kräftiges Industriewachstum stehen. Ähnlich gut geht es dem verarbeitenden Gewerbe in den Nachbarländern Kanada (53,9) und Mexiko (55,3).

Zweigeteiltes Europa

Weniger homogen ist die Situation auf der anderen Seite des Atlantiks. Die Eurozone befindet sich noch immer an der Schwelle zur Rezession. Bei den Sorgenkindern Frankreich und Italien zeichnet sich keine Besserung ab. In beiden Ländern ist der Industrie-PMI im Dezember erneut gesunken, und zwar von 48,4 auf 47,5 in Frankreich, und von 49 auf 48,4 in Italien, was dem niedrigsten Wert seit fünf Monaten resp. seit April 2013 entspricht. Auch in den Niederlanden und Spanien haben sich die Industrie-PMI leicht abgeschwächt. Anders als in Frankreich, Italien, sowie Griechenland und Österreich notieren ihre Frühindikatoren aber nach wie vor über 50 und zeigen damit eine Expansion der Industrieproduktion an. Das grösste Plus verzeichnete der deutsche Industrie-PMI. Er notiert nach 49,5 im November wieder über 50 bei 51,2. Dank der Aufhellung in der deutschen Industrie konnte sich auch der aggregierte Index für die gesamte Eurozone von 50,1 auf 50,6 verbessern.

In den europäischen Ländern ohne Euro geht es dem verarbeitenden Gewerbe noch besser. In Schweden (55,4) und in der Schweiz (54) zeigen die Industrie-PMI wieder steiler nach oben. In Grossbritannien hat die Zugkraft des Sekundärsektors dagegen nachgelassen. Der entsprechende Index ist von 53,5 auf 52,5 zurückgewichen. Die Chefeinkäufer berichten aber mehrheitlich nach wie vor von zunehmenden Aufträgen und besseren Geschäftsbedingungen.

Aus der Region Asien-Pazifik und den Schwellenländern kommen kaum positive Signale. Eine Ausnahme ist Indien, wo sich die Bedingungen der Industrie im Dezember erneut wesentlich verbessert haben. Das Auftragsvolumen aus dem In- und Ausland nimmt zu. Der PMI ist auf ein Zweijahreshoch von 54,5 Zählern gestiegen, nach 53,3 im Vormonat. In Brasilien scheint der Abwärtstrend zumindest gebremst: Der Industrie-PMI zeigt mit 50,2 Punkten eine Stabilisierung an.

China und Russland schwach

Chinas offizieller Einkaufsmanagerindex deutet mit einem Indexstand von 50,1 darauf hin, dass sich im verarbeitenden Gewerbe wenig tut, im Guten wie im Schlechten. Der alternative Index von HSBC (HSBA 598.3 -0.66%), der mehr kleinere und mittelgrosse Unternehmen berücksichtigt, zeigt gar zum ersten Mal seit Mai 2014 eine allgemeine Verschlechterung der operativen Bedingungen der Industrie an. Er ist im Dezember von 50 auf 49,6 gefallen. Zum zweiten Monat in Folge haben die Betriebe die Produktion gedrosselt.

Die russische Industrie wurde unterdessen von der düsteren Realität eingeholt. Lange hielt sie sich angesichts Wirtschaftssanktionen und Ukrainekrise erstaunlich gut. Das Wegfallen von Bestellungen aus dem Ausland konnte mit zum Teil staatlichen Aufträgen aus dem Inland kompensiert werden. Im Dezember aber brach der Subindex für neue Aufträge erstmals seit Juni unter die kritische Grenze von 50. Wegen des Wertzerfalls des russischen Rubels schnellten die Kosten für importierte Vorprodukte in die Höhe. Laut der Befragung von Markit kam es zum stärksten Teuerungsschub seit sechzehn Jahren. Der russische PMI verlor im Dezember fast 3 Punkte und liegt mit 48,9 deutlich in der Kontraktionszone.

Warnrufe der ChefeinkäuferDer Einkaufsmanagerindex (Purchasing Managers Index, PMI) misst die Veränderung der wirtschaftlichen Aktivität. Dazu werden monatlich die Chefeinkäufer von Unternehmen zu Auftragseingang, Produktion, Beschäftigung, Lagerbestand und weiteren Themen befragt. Sie geben an, ob die Bedingungen besser, gleich oder schlechter sind als im Vormonat. Aus der Zahl positiver und negativer Antworten wird ein Diffusionsindex berechnet, der zwischen 0 und 100 liegt. Ein Wert von 50 bedeutet keine Änderung zum Vormonat, Werte darüber/darunter eine Verbesserung/Verschlechterung. Der wichtigste PMI für das verarbeitende Gewerbe, der Manufacturing Index des Institute for Supply Management (ISM), bildet mit einem Vorlauf von drei bis sechs Monaten die Dynamik der US-Industrieproduktion ab. Werte über 50 signalisieren einen Produktionsanstieg. Er ist auch ein Indikator für die Gesamtwirtschaft. Die kritische Grenze liegt aber tiefer: In der Vergangenheit waren bereits Werte über 43,2 Vorboten für eine wachsende Wirtschaft.

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