Erst wertet der Euro ab, dann steigt er. Die Aktienkurse steigen, dann stürzen sie ab. EZB-Präsident Mario Draghi hat mit seiner Pressekonferenz die Finanzmärkte auf eine Achterbahnfahrt geschickt. Was ist passiert?
Die erste Einschätzung der Experten war klar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Märkte am Donnerstag positiv überrascht. Nicht nur wurden die Leitzinsen gesenkt. Auch das Anleihenkaufprogramm (Quantitative Easing) wird um monatlich 20 Mrd. auf 80 Mrd. € ausgeweitet und soll neu auch Unternehmensanleihen von Nicht-Finanzinstituten umfassen.
«Wir sehen das als eine starke Nachricht der EZB an die Märkte, dass man bereit ist, so gut wie alle Hebel zu nutzen», meinten etwa Analysten von Barclays (BARC 160.55 -4.72%).
Um 13.45 Uhr schien die Informationsverarbeitung des Marktes zu funktionieren. Mehr QE und niedrigere Zinsen – die Liquidität sollte Aktienkurse stützen und den Euro gegenüber dem Dollar nach unten drücken. Genau das war auch geschehen. Der Euro verlor in Minuten 1,4% zum Dollar. Der Dax (DAX 9498.15 -2.31%) gewann zeitweise mehr als 2% und schien über die Marke von 10’000 Punkten zu steigen.
Auch der Franken gewann wie der Dollar an Wert gegenüber dem Euro. Doch die SNB hat gegen diese unerwünschte Aufwertung schnell interveniert.
Der zehnjährige Marktzins deutscher Bundesanleihen fiel dank der Zinssenkung lehrbuchmässig von 0,24 auf 0,16%.
Zehnjährige Rendite, deutsche Bundesanleihen
Doch dann kam alles anders…
Die Intra-Day-Daten von Euro-Dollar-Kurs und Dax sagen: es muss etwa um 14.37 Uhr geschehen sein. EZB-Präsident Mario Draghi war in den ersten Minuten seiner Rede vor der Presse, um den geldpolitischen Entscheid zu kommentieren – und plötzlich änderte der Markt seine Einschätzung zum Effekt der EZB-Politik.
Der Aktienindex Dax begann, an Wert zu verlieren. Der Euro legte gegenüber dem Dollar zu. Am Nachmittag notierte der Euro sogar deutlich stärker als vor der Verkündung des EZB-Entscheids, und der Dax ging mit einem Minus von 2,3% aus dem Handel.
Und trotz niedriger Leitzinsen ist der Marktzins deutscher Bundesanleihen gestiegen. Mit 0,3% rentieren sie mit Stand von Donnerstagabend so hoch wie seit Anfang Februar nicht mehr.
Zehnjährige Rendite, deutsche Bundesanleihen
Selbst dass Draghi die Extrem-Option «Helikoptergeld» (direkte Finanzierung von Investitionsausgaben durch die EZB) nicht direkt ausschloss, sondern als «interessantes Konzept» bezeichnete, half nicht.
Auch, dass die EZB auf Jahre hinaus tiefe Zinsen erwartet, konnte Renditen und den Euro nicht nach unten bewegen. Zu guter Letzt stieg auch der Goldpreis noch um 1,5% auf über 1270 Dollar je Feinunze.
Was ist um 14.37 Uhr passiert?
Es gibt verschiedene Erklärungen, wie es zu der Achterbahnfahrt an den Märkten kam. Einen direkten Zusammenhang zu Äusserungen von Draghi zu ziehen, ist zweifelhaft. Eigentlich erläuterte er nur die Details des neuen EZB-Programms und den Ausblick für Inflation und Konjunktur in der Eurozone.
Zwar erklärte der EZB-Präsident, dass nun angekündigte Stimulusprogramm sei ausreichend. Doch das war vorauszusehen. Wäre es nicht ausreichend, hätte die EZB mehr beschliessen müssen.
Daher kommen andere Versuche ins Spiel, die Marktreaktionen nachzuvollziehen. Drei Gedanken:
Nun muss sich weisen, wie die neue lockere Geldpolitik vom Markt tatsächlich beurteilt wird. Vielleicht war die erste Reaktion doch die bessere.
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