Die Europäische Zentralbank dürfte bei der nächsten Zinssitzung am Donnerstag auf Zeit spielen. Doch das Ende des Anleihenkaufprogramms rückt näher.
Die nächste Etappe wird Mario Draghi viel Geschick abverlangen: Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) muss in den kommenden Monaten den Ausstieg aus der unkonventionellen Notenbankpolitik orchestrieren. In welchem Tempo der Rückzug passieren soll, ist bislang offen. In den Fokus rückt daher die Zinssitzung am Donnerstag, an der der EZB-Rat die weitere Geldpolitik für den Währungsraum festlegen wird. Wenn Draghi im Anschluss vor die Presse tritt, erhoffen sich die Marktteilnehmer Hinweise auf den weiteren Fahrplan.
Der Grossteil der Strategen ist sich allerdings einig, dass die Währungshüter vorerst auf Zeit spielen und diese Woche noch keine weitreichenden Anpassungen in der Geldpolitik ankündigen werden. «Die EZB treibt den Prozess der Normalisierung gefährlich langsam voran», kritisieren die Analysten von Société Générale in einem Kommentar.
Gemächlicher Rückzug
Den ersten Schritt zum Ausstieg aus dem Wertschriftenkaufprogramm (Quantitative Easing, QE) hat die EZB vollzogen. Im Januar hat sie das Kaufvolumen halbiert und erwirbt derzeit Anleihen im Wert von monatlich 30 Mrd. €. Das Programm dauert noch bis September. Die grosse Frage ist nun, ob die EZB das QE noch einmal verlängert oder die Käufe im Herbst einstellen wird. Dass der Ausstieg kommt, ist aber unumstritten. Die einzige Frage sei, wie schnell der Prozess vorangehe, halten die Strategen der ING Bank fest.
Draghi steht ein schwieriger Balanceakt bevor. Die breit abgestützte Konjunkturaufhellung im Euroraum spricht für einen zügigen Rückzug aus QE. Dennoch dürfte der EZB-Chef ein forsches Vorgehen vermeiden. «Ein klares Signal zum Ausstieg könnte die Aufwertung des Euros anfachen und die Marktzinsen nach oben treiben», meinen die Analysten von HSBC – und das wolle die EZB verhindern. Die Aufwertung des Euros gegenüber dem Dollar hat sich jüngst abgebremst, nachdem sich die Gemeinschaftswährung im Vorjahr kräftig verteuert hat. Der zaghafte Renditeanstieg an den Bondmärkten – besonders in Deutschland – hat sich in den letzten Wochen ebenfalls abgeschwächt.
Spielraum verschafft der EZB die Teuerung, die sich weiterhin enttäuschend entwickelt. Seit November sinkt die Inflationsrate wieder und entfernt sich damit vom Zielwert der Notenbank, der bei knapp unter 2% liegt (vgl. Grafik 3).
Doch ein allzu zögerlicher Rückzug aus der unkonventionellen Geldpolitik birgt Gefahren. «Die EZB riskiert, die Gelegenheit zu verpassen, die sich ihr durch die günstige Wirtschaftslage bietet», warnen die Strategen von Société Générale. So gibt es Indizien, dass sich die Konjunktur im Euroraum in den kommenden Monaten nicht mehr so schwungvoll wie bisher entwickeln wird. Darauf deutet etwa der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe hin, der im Januar gefallen ist.
Dennoch dürften sich an der geldpolitischen Sitzung am Donnerstag die vorsichtigen Stimmen durchsetzen, glaubt die Mehrheit der Marktbeobachter. «Die EZB wird bis Juni warten und dann das Ende der Anleihenkäufe für Dezember ankündigen», erwarten die Strategen von Bank of America Merrill Lynch (BofAML).
Um diesen Schritt vorzubereiten, werden die Währungshüter vorher ihre Kommunikation – die Forward Guidance – anpassen. Das hat Draghi an der letzten Pressekonferenz im Januar bekräftigt. Bereits damals haben verschiedene Vertreter des EZB-Rats dafür gestimmt, den sogenannten Easing Bias zu streichen: Er hält fest, dass das Anleihenkaufprogramm im Notfall wieder aufgestockt werden kann. Mit der Entfernung dieses Passus würde die EZB dem verbesserten Wirtschaftsumfeld Rechnung tragen und damit den Ausstieg aus QE vorantreiben. Die Experten der Bantleon Bank erwarten allerdings, dass die Befürworter einer Anpassung der Forward Guidance auch diesmal in der Minderheit sein werden.
Wechsel an der Spitze
Nach dem Treffen am Donnerstag bleiben den Währungshütern drei Sitzungen – im April, Juni und Juli –, um die Marktteilnehmer über den weiteren Verlauf von QE zu informieren. Bis Ende 2019 dürfte die EZB den Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik geschafft haben, meinen die Analysten von BofAML. Sie erwarten, dass bis dann nicht nur die Anleihenkäufe beendet sind, sondern auch die Leitzinsen wieder im positiven Bereich liegen.
Gleichzeitig endet die Amtszeit von Draghi: Nach acht Jahren wird er den Spitzenposten bei der EZB im Oktober 2019 abgeben. Wie das Urteil über seine Leistung als Notenbankchef ausfällt, wird massgeblich auch von den kommenden Monaten abhängen.
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