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13:36 Uhr - 15.02.2016

Die unheimliche Aufwertung des Yen

Der japanische Yen hat sich im Februar über 6% aufgewertet. Fünf Gründe, weshalb die Nachfrage nach Yen so gross ist.

Während die Aktienkurse weltweit in die Tiefe rauschen, herrscht auch auf den Devisenmärkten eine Art Ausnahmezustand. Der japanische Yen, der über Jahre von der Zentralbank geschwächt wurde,  blüht auf einmal wieder in alter Stärke auf. Allein in den ersten Februartagen hat er sich zum Dollar 7% aufgewertet.

Lange hatte der Yen den Ruf eines sicheren Hafens. Jede Zuckung am Aktienmarkt führte zu einer Flucht in die japanische Valuta. Anscheinend trifft das auch drei Jahre nach Beginn der «Abenomics» noch zu. Das sind die möglichen Gründe:

1. Japan ist der grösste Gläubiger

Die japanischen Vermögen und Investitionen im Ausland belaufen sich auf etwa 370 Bio. Yen, oder umgerechnet 3 Bio. $. Damit führt Japan als Nation seit vierundzwanzig Jahren die Rangliste der Kreditgeber.

Wenn nun die Risiken im Ausland zunehmen und die Vermögenswerte an Wert verlieren, werden diese Gelder repatriiert. Auslöser kann zum Beispiel eine Abwertung wie jüngst in China sein. Solche Ereignisse schüren Ängste und die Investoren verkaufen Anlagen und tauschen den Erlös in Yen.

Je mehr sich der Yen aufwertet, desto grösser werden die Verluste. Und desto grösser ist der Druck auf die Investoren, die Portfoliopositionen im Ausland abzustossen.

2. Zweifel an der Dollarstärke und an der weiteren Yen-Schwäche

Unter Premier Shinzo Abe verfolgt Japan seit 2013 eine Wirtschaftspolitik, deren Grundpfeiler eine extrem expansive Geldpolitik ist. Mit Wertschriftenkäufen im Wert von 660 Mrd. $ pro Jahr sollte der Yen geschwächt werden, um die hartnäckig deflationären Kräfte zu überwinden.

Gleichzeitig zeichnete sich immer deutlicher ab, dass die US-Notenbank als erste grosse Zentralbank die seit der Finanzkrise anhaltende Nullzinsphase beenden würde. Was im vergangenen Dezember dann auch eintrat.

Der Yen-Dollar-Kurs spiegelte diese geldpolitische Divergenz. Zwischen Ende 2012 und Sommer 2015 hat sich der Dollar-Yen-Kurs von 77 auf 125 Yen/$ bewegt, was einer Abwertung des Yen um 40% entspricht.

Doch nun sind Kräfte am Werk, die stärker sind als die offenen Schleusen der Bank of Japan. Die Bedenken um den Zustand der Weltwirtschaft und die Angst vor einer wirtschaftlichen Abkühlung in den USA lassen Zweifel am eingeschlagenen Kurs der US-Notenbank aufkommen. Mit diesen Zweifeln bekommt auch der Glaube an die Dollarstärke Risse.

3. Carry Trades als Brandbeschleuniger

Damit die Auf- oder Abwertung Fahrt aufnehmen kann, braucht es aber mehr als einen Stimmungsumschwung. Entscheidend ist der Umfang von Carry Trades.

Bei einem Carry Trade werden Kredite in einer Tiefzinswährung wie dem Yen aufgenommen, um in höher verzinsliche Währungen wie zum Beispiel den Dollar zu investieren. Der Gewinn daraus ist die Zinsdifferenz und die Abwertung des Yen zum Dollar.

«In den letzten Monaten war eine Häufung von solchen Trades zu beobachten», sagt Thomas Flury, Währungsstratege bei der UBS (UBSG 15.01 3.52%) gegenüber «Finanz und Wirtschaft». Obwohl die Zinsdifferenzen derzeit nicht sehr gross sind, können solche Strategien attraktiv sein, vor allem wenn wie im Falle von Japan die Zentralbank aktiv versucht, die eigene Währung zu schwächen.

Wenn die Investoren diese Trades auflösen, zahlen sie die Yen-Kredite zurück, die Nachfrage nach Yen steigt. Die Auflösung der Carry Trades wirkt so wie ein Brandbeschleuniger.

«Die Auflösung von Carry Trades spielt derzeit wieder eine grosse Rolle», sagt Flury.

5. Liquiditätsengpässe im Bankensystem

Ende Januar hat die Bank of Japan Negativzinsen angekündigt. Erst führte das Signal geldpolitischer Lockerung zu einer Abwertung des Yen. Doch dann kam es laut Flury zu Verwerfungen auf dem japanischen Geldmarkt und Liquiditätsengpässen bei den Banken.

4. Zweifel an der Bank of Japan

«Ein Stück weit ist es auch eine spekulative Aufwertung», sagt Flury. Einige Investoren setzten auf eine weitere Yen-Stärke, weil sie Zweifel haben, ob die Bank of Japan nach den schlechten Erfahrungen mit den Negativzinsen  in der Lage ist, dem Aufwertungsdruck  etwas Wirkungsvolles entgegen zu halten.

Zu solchen Zweiflern gehört etwa die Bank Barclays (BARC 161.6 3.06%). «Die fundamentalen Marktkräfte sind stärker als die Geldpolitik», lautet ihre Einschätzung. Sie sieht den Dollar-Yen-Kurs per Ende Jahr bei 95 Yen/$. Das entspricht einer Aufwertung um weitere 20%.

Wie es jetzt weitergehen könnte

Nicht alle sind von der Yen-Stärke so überzeugt wie Barclays. Die UBS rechnet in den nächsten drei Monaten mit einer Abwertung auf 120 Yen/$. «Wir halten die jüngste Bewegung für übertrieben und erwarten eine Erholung des Yen-Dollar-Kurses», sagt Flury. Die Chancen seien gross, dass die Zentralbank die Geldpolitik noch weiter lockern wird.

Denn durch die Aufwertung und die weiter fallenden Rohstoffe ist die Deflationsgefahr gestiegen. «Unter einem Wechselkurs von 115 Yen/$ beginnt es den japanischen Exporteuren weh zu tun», erläutert Flury.

Vorstellbare wäre eine Ausweitung des Wertschriftenkaufprogramms mit mehr Gewicht auf Aktien sowie der Erwerb von Fremdwährungsanleihen.

Auch Morgan Stanley (MS 23.09 6.45%) sieht durchaus die Möglichkeit, dass die Risiko-Rally im Yen fürs Erste vorbei ist und die Bank of Japan den Stecker zieht. Per Ende März erwartet die US-Bank ein Abwertung des Yen von heute 112 auf 125 Yen/$.

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