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10:18 Uhr - 08.10.2014

«Draghi macht einen guten Job für Europa»

Ariel Bezalel, Anleihenmanager von Jupiter Asset Management, setzt als Beimischung auf Hochzins-Unternehmensanleihen aus der Peripherie der Eurozone.

Herr Bezalel, nach den jüngsten Massnahmen und Äusserungen der Währungshüter in Frankfurt und Washington können wir uns in den nächsten Monaten auf weiterhin niedrige Zinsen einstellen. Wie erzielen Sie unter diesen Umständen als Manager von Anleihenportfolios noch Rendite?
Das aktuelle Umfeld ist vor allem für europäische Unternehmensanleihen nicht sehr förderlich. Die Europäische Zentralbank verfolgt weiterhin eine lockere Geldpolitik, und die Unternehmen halten ihre Bilanzen in Ordnung, das heisst, sie verkürzen sie. Tendenziell häufen Unternehmen in Europa immer mehr Cash an.

Neuemissionen werden überflüssig?
Nachdem die Unternehmen mühsam ihre Bilanzen in Ordnung gebracht haben, möchten sie sich nun nicht mehr auf Abenteuer einlassen. Insgesamt befinden sich die Unternehmen in einer recht günstigen Ausgangslage.

Was sind demnach die Alternativen?
Wir haben seit geraumer Zeit Long-Positionen im Hochzinssegment, also in Schulden von Unternehmen, die mit einem hohen Fremdkapitalanteil ausgestattet sind und deshalb selbst Schulden abbauen respektive sich umschulden.

Schuldenabbau auf allen Ebenen?
Eines der wichtigsten Themen, das wir jahrelang gespielt haben, waren Banken. Da haben wir es mit einem Schulden- und Risikoabbau langfristigen Ausmasses zu tun. Banken werden gezwungen, ihre Eigenkapitalverhältnisse zu verbessern und entsprechend Risiken in den Bilanzen abzubauen. Für Investoren wie uns sind das hervorragende Bedingungen.

Weil die Banken umschulden müssen – mit Schuldtiteln, die zunehmend Eigenkapitalcharakter haben?
Genau, durch die erzwungenen Umschuldungen verbessert sich nicht nur ihre Bilanz. Auch ihre Anleihenkurse steigen mit der Zeit, was bedeutet, dass die Kreditqualität besser wird. Wir haben einige der neuen Schuldtitel gekauft. Wir sind aber in den letzten Monaten vorsichtiger geworden. So haben wir bei Pflichtwandelanleihen, den Coco, Gewinne mitgenommen.

Sind denn Coco etwa von Banken wie Credit Suisse wirklich risikobehaftet?
Wenn die Märkte unter Druck kommen, geraten auch Coco in den Abwärtssog. Deshalb haben wir unser Exposure in letzter Zeit ziemlich reduziert und glauben, diese Papiere später günstiger zurückkaufen zu können.

Warum sind Sie jetzt weniger risikofreudig?
Weil die US-Notenbank ihre Geldpolitik etwas zu straffen scheint und wir befürchten, dass der Markt noch etwas hinterherhinkt und die geldpolitische Wende noch nicht ganz verinnerlicht hat.

Wie sind Sie derzeit positioniert?
Wir haben unsere Beteiligungen im Hochzinsbereich etwas reduziert, sind aber noch stark übergewichtet, da dieses Exposure über lange Zeit aufgebaut worden ist. Am langen Ende sind wir zu gut 20% in Bankanleihen investiert, meist nachrangige. Gut die Hälfte des Hochzinsengagements besteht aus vorrangig besicherten Titeln, also Anleihen, die mit Vermögenswerten der Emittenten unterlegt sind.

Was gibt es da künftig zu beachten?
Der Markt für Hochzinsanleihen ist ziemlich reif. Es werden wohl künftig mehr Anleihen emittiert, die regressiver ausgelegt sind. Die Emittenten erhöhen den Verschuldungsgrad, die Kreditvereinbarungsklauseln werden gelockert. Das hat uns veranlasst, mehr vorrangig besicherte Bonds zu kaufen, auch Anleihen mit variabler Verzinsung, um uns abzusichern.

Ist der Markt für Floater denn so liquide?
Der Markt variabel verzinster Anleihen im Hochzinssegment ist in den vergangenen zwei Jahren ziemlich gewachsen, denn es wurden viele Bankdarlehen über neue vorrangig besicherte Unternehmensanleihen refinanziert. Wir haben gute Auswahl.

Die meisten Floater haben eher kurze Fälligkeiten. Welche Laufzeiten kaufen Sie?
Typischerweise fünfjährige Notes. Es gibt  rund 5% Rendite und teilweise mehr.

Welche Branchen im Hochzinssegment?
Uns gefallen Banken sowie Nischen wie der Bau von Ölförderanlagen. Wir finanzieren den Herstellern über besicherte Anleihen quasi den Bau der Anlagen vor. Diese werden dann an Mineralölkonzerne für zwei bis vier Jahre verleast. Solche Bohrtürme kommen auf eine Förderleistung von etwa 130 000 $ pro Tag. Damit erzielen wir nicht nur eine ordentliche Rendite von 6 bis 8%, sondern haben auch noch die Anlage als Sicherheit.

Noch ein interessantes Beispiel?
Pubs in Grossbritannien. Die hatten es in den vergangenen Jahren schwer, Stichworte Rauchverbot und Rezession. Die grossen Gastronomieketten hatten Anleihen begeben, viele Emittenten übernahmen sich, die Anleihenkurse kollabierten. Wir haben solche Titel gekauft und damit eine gute Rendite erzielt, weil die Bonds mit den Immobilien besichert waren. Mittlerweile hat die Branche restrukturiert. Typische Kneipen wurden teils in «Gastro Pubs» und Restaurants umgewandelt. Mit der Wende haben sich auch die Pub-Anleihen erholt – aber wir glauben, dass wir damit immer noch eine gute Rendite erzielen können.

Wie sind Sie regional aufgestellt?
Aus der Schweiz halten wir Coco von Credit Suisse (CSGN 26.53 0.23%), langfristig eine der gesündesten Banken in Westeuropa – wahrscheinlich sogar der Welt. Wir halten ferner Swisscom-Obligationen. UBS (UBSN 16.02 0.19%) haben wir kürzlich verkauft. Im Konsumsektor sind wir nicht vertreten, auch nicht bei Pharma, wo es im Hochzinssektor kaum etwas zu kaufen gibt, und Pharmaanleihen in Anlagequalität haben kaum Risikoprämien und sind deshalb uninteressant.

Und was ist mit dem Subsektor Biotech?
Die meisten Biotech-Firmen emittieren zwar im Hochzinssegment, aber das hat aktienähnlichen Charakter. Entweder geben sie direkt Aktien aus, oder sie holen sich Fremdkapital über Wandelanleihen.

Das wäre doch was?
Wir lassen von Biotech die Finger, denn diese Unternehmen hängen von einigen wenigen Blockbuster-Produkten ab. Die Gesellschaften sind schwer einzuschätzen. Wir wollen sehen, woher die Cashflows kommen. Das ist in der Biotech-Branche nur schwer nachzuvollziehen.

Wie sind Sie in US-Anleihen exponiert?
Wir haben US-Bonds in jüngster Zeit zurückgefahren. Der Kreditzyklus ist reifer als der europäische, entsprechend sind wir positioniert. Die US-Gesellschaften kümmern sich zurzeit intensiver um ihre Aktionäre als um die Gläubiger: Es gibt hohe Dividenden, mehr Fusionen und Übernahmen und folglich einen höheren Fremdfinanzierungsgrad. Das sind für Investoren, die sich in Unternehmensanleihen engagieren, keine guten Voraussetzungen.

Wie fangen Sie eine US-Zinswende auf?
Wir haben schon vor geraumer Zeit Short-Positionen in US-Staatsanleihen und gleichzeitig ein 10%iges Übergewicht im Dollar aufgebaut. Aufwärtspotenzial bezieht dieser aus der sich verbessernden US-Konjunktur und dem Bemühen der EZB, den Euro schwach zu halten.

Wo sehen Sie den Euro mittelfristig?
Der Euro könnte in nächster Zeit bis auf 1.20 $/€ fallen. EZB-Chef Mario Draghi spricht ja davon, die EZB-Bilanz wieder auszuweiten. Typischerweise kommt die Währung unter Druck, wenn eine Zentralbank ihre Bilanz erweitert. Das haben wir bei der letzten Bilanzausweitung gesehen: Der Euro fiel auf 1.20 $/€.

Ein Quantitative Easing wird kommen?
Wir wetten zunächst auf den Dollar. Die zweite Option ist der Kauf von Staatsanleihen aus der Europeripherie: griechischen und zypriotischen. Auch Corporates aus der Peripherie haben wir berücksichtigt. Draghi macht einen guten Job. Er verfolgt unbeirrt seinen Weg und tut zumeist das Richtige. Das ist gut für Europa. Wir glauben nicht, dass Europa das gleiche Schicksal erleiden wird wie Japan: Deflation, kein Wachstum und hohe Schulden.

Was ist mit Frankreich, sind die tiefen Spreads zu deutschen Bunds berechtigt?
Frankreich hat grosse Probleme und viel Reformstau. Präsident Hollande sind aufgrund politischer und sozialer Machtverhältnisse die Hände gebunden. Die Gefahr besteht, dass Marine Le Pen vom rechten Spektrum noch mehr Einfluss gewinnt. Die Renditeaufschläge zu den deutschen Staatsanleihen könnten also zunehmen, weil das politische Risiko über kurz oder lang eingepreist werden dürfte. Wir halten Short-Positionen in zehnjährigen französischen Staatsanleihen, aber auch in fünfjährigen deutschen Bunds.

Wie gehen Sie mit dem politischen Risiko Osteuropa um?
Niemand weiss, was in der Ukraine passieren wird. Wir haben in Osteuropa kaum Exposure, weniger als 1%.

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