Hariolf Kottmann, CEO von Clariant, äussert sich zur geplanten Fusion des Spezialchemiekonzerns Clariant mit dem US-Branchennachbarn Huntsman.
Die Ankündigung der Fusion von Clariant (CLN 20.7 -1.62%) mit Huntsman zum weltweit zweitgrössten Spezialchemiekonzern hat die Aktien am Montag nur kurz beflügelt. Zwei Tage später notieren beide Aktien unter dem Schlussstand vom Freitag. Trotz versprochener Synergien von 400 Mio. $ und einem daraus abgeleiteten zusätzlichen Wert von 3,5 Mrd. $ überwiegt Skepsis. Ist Huntsman der richtige Partner? Wird das in den vergangenen Jahren von Clariant Erschaffene zerstört? Ist Clariant verschenkt worden? Hariolf Kottmann, CEO von Clariant und Verwaltungsratspräsident der künftigen HuntsmanClariant nimnmt zu diesen und anderen Fragen Stellung.
Herr Kottmann, die Fusion mit Huntsman wird an der Börse kühl aufgenommen. Die allgemeine Frage lautet: Warum ausgerechnet Huntsman?
Die erste Reaktion war euphorisch. Dass es nach einem Kurssprung von 10% zu Gewinnmitnahmen kommt, ist normal. Auch braucht es Zeit, bis sich nach einer solchen Ankündigung ein neues Kursniveau findet. Warum Huntsman? Wir müssen vorausschauen und uns fragen: Wo steht Clariant in fünf Jahren? Wir sind zum Schluss gekommen, mit einem Partner bessere Chancen am Markt zu haben. Wir haben Akquisitionen und Fusionen geprüft und verschiedene Partner ins Auge gefasst. Weil wir Übernahmen im heutigen Umfeld als zu teuer und folglich als nicht wertschaffend erachten, sehen wir eine Fusion als den besseren Weg. Huntsman kam nach einer ähnlichen Analyse zum selben Ergebnis. Für uns ist Huntsman eine Lösung, die zu den besten aller möglichen gehört.
Der anfängliche Kursgewinn ist aber weitgehend verpufft. Das kann auch als Zweifel an den erhofften Synergien von 400 Mio. $ und an dem daraus abgeleiteten Zusatzwert von 3,5 Mrd. $ gelesen werden.
Wir trafen am Montag in London zuerst 600 Investoren und Analysten und danach 25 Clariant-Analysten. Die Resonanz auf unser Vorhaben war gut. Was die Synergien betrifft: Wenn wir 400 Mio. $ sagen, dann sind das mindestens 400 Mio. $. Schon aus der Übernahme von Süd-Chemie holten wir 40% mehr Synergien heraus, als wir in Aussicht gestellt hatten. Ich werde mich in den nächsten zwei, drei Jahren intensiv um den Aufbau und die Architektur des neuen Unternehmens kümmern. Dabei wird es auch ein stringentes Reporting der Synergien geben. Dass wir unser Ziel bis zwei Jahre nach dem Abschluss der Transaktion gut schaffen, steht für mich ausser Frage.
Huntsman gilt nicht gerade als Qualitätsunternehmen. Noch vor gut einem Jahr waren die Aktien im Keller. Nun wird ein dreimal höherer Kurs als Basis für die Fusion genommen. Wird Clariant verschenkt?
Das sehe ich nicht so. Wir sind uns über die Qualitäten unseres Partners im Klaren. Huntsman hat viel Potenzial im Spezialitätenbereich noch nicht ausgeschöpft, beispielsweise im Bereich Performance Products, der vergleichbar ist mit unserer Geschäftseinheit Industrial and Consumer Specialties. Dort ist Huntsman so aufgestellt wie Clariant vor sechs bis sieben Jahren. Die Bündelung der Qualitäten beider Gesellschaften wird dazu führen, dass es im neuen Unternehmen mehr Spezialitäten geben wird als heute in der Summe der beiden Fusionspartner. Dazu kommt, dass Huntsman in etlichen Bereichen rückwärtsintegriert ist. Das hat Clariant nicht, wird in Zukunft aber immer wichtiger.
Kommt die Fusion nicht zu spät?
Nein, die Fusion kommt zur richtigen Zeit. Wir sind nicht unter Zeitdruck gestanden und haben uns kein Timing vorgegeben. Sollten sie auf die Kursentwicklung von Huntsman anspielen: Es ist immer heikel, mit Fakten aus der Vergangenheit zu argumentieren. Vor einem Jahr war die Situation eine andere, für uns und für Huntsman. Die niedrige Bewertung von Huntsman war damals auch begründet. Sie hatte mit Dingen im Portfolio zu tun, die heute nahezu behoben sind. Huntsman ist heute stärker, und das spiegelt sich im Wert.
Vor wenigen Monaten hatten Sie noch gesagt, Clariant müsse sich vor einem nächsten grösseren Schritt erst festigen. Das gilt nun offenbar nicht mehr.
Falsch, das gilt sehr wohl noch. Wir als Clariant befinden uns derzeit in einer Phase, in der wir konsolidieren. Das betrifft Supply Chain und Commercial Excellence und Dinge wie Marketing und Verkauf. Im Moment ist das das Schwerpunktthema in unseren Geschäftseinheiten – die mit der Fusion an sich ja nichts zu tun haben. Wir werden uns ganz bestimmt weiter um die Stabilisierung der Firma kümmern. Das stärkt unsere Positionierung, wenn wir mit Huntsman zusammen zu einer neuen Firma werden.
Das Portfolio von Huntsman wird als schwächer betrachtet als das von Clariant. Wird die gute Arbeit, die Clariant in den vergangenen Jahren geleistet hat, durch die Fusion zerstört?
Ganz im Gegenteil. Ich beurteile das Portfolio von Huntsman anders, als es der eine oder andere Analyst tut. Ich sehe gute Ansätze und grosse Chancen. Clariant hat im Spezialitätenportfolio eine gute Position. Doch auch Huntsman hat drei ganz klar auf Spezialitäten getrimmte Geschäftsfelder, die zum Teil aber noch Steigerungspotenzial haben.
Welche sind das?
Das bereits genannte Geschäftsfeld Performance Products ist eines. Es ist noch nicht so gut aufgestellt, wie es die vergleichbaren Aktivitäten von Clariant sind. Es wird sich aber steigern und hat zudem den Vorteil einer Rückwärtsintegration. Dann ist Advanced Materials zu nennen, unter anderem mit Aktivitäten der früheren Ciba. Das ist ein hoch spezialisiertes Geschäft mit Margen von über 20%. Das Geschäftsfeld Polyurethanes wiederum hat zwei Seiten: das Upstreamgeschäft, in dem Huntsman sehr gut ist, und das Downstreamgeschäft, wo Huntsman noch nicht am Ziel ist. In ihm schlummert noch grosses Potenzial. Wenn die Spezialisierung noch intensiviert wird, sehe ich Ebitda-Margen um 19%.
HuntsmanClariant geht mit Blick auf die Aktivitäten stark in die Breite. Hätte es nicht bessere Fusionspartner mit grösseren Überschneidungen und mehr Ertragspotenzial gegeben?
Ich habe nichts gegen Breite. Mit ist wohler mit breit diversifizierten Spezialitäten als mit einem hoch fokussierten Portfolio – allein schon aus dem Diversifikationsgedanken heraus, um Schwankungen einzelner Aktivitäten ausgleichen zu können.
An der Börse wird Breite aber oft mit einem Konglomeratsabschlag belegt.
Wir werden die Börse mit guten Ergebnissen, hoher Profitabilität, überzeugendem Cashflow und deutliche höheren Dividenden überzeugen.
Nochmals, hätte es nicht bessere Fusionspartner gegeben?
Huntsman zählt für uns, wie gesagt, zu den besten Lösungen. Abgesehen davon kann oder will nicht jedes Unternehmen fusionieren, das als Partner grundsätzlich in Frage kommt – weil es nicht die Möglichkeit dazu hat, oder weil es andere Ziele verfolgt.
Rechnen Sie nicht mit einem Gegenangebot eines anderen Unternehmens?
Die Absichten von Firmen, die für solches in Frage kommen, kenne ich nicht. Aber ich bin überzeugt, es wird keines geben. Wer ein Gegenangebot machen will, muss auch ein Blick auf die Aktionärsstruktur werfen. Die Aktien der Familie Huntsman – die Stiftung und Peter Huntsman halten zusammen mehr als 10% an Huntsmann – sind auf viele Monate hinaus gesperrt. Dasselbe gilt für die Titel der Aktionärsgruppe aus den früheren Süd-Chemie-Eignern, die rund 14% an Clariant halten. Ein Squeeze-out wäre so nicht möglich. Wer ein feindliches Gegenangebot präsentiert, muss auch mit einem Reputationsschaden rechnen. Der Angriff von PPG auf Akzo Nobel (AKZA 76.82 0.48%) zum Beispiel ist erbärmlich. Wer genug Ideen, Strategien und Kompetenz hat, braucht zur Weiterentwicklung seines eigenen Unternehmens keinen feindlichen Angriff. So jemand macht das anders, nämlich anständig.
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