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16:08 Uhr - 19.05.2015

SIX-Chairman: «Offen für internationale Engagements»

Was soll die Finanzmarktplattform SIX mit ihrem Cashberg von 1 Mrd. Fr. tun? Wachsen, sagt Präsident Alexandre Zeller im Interview mit FuW. Preissenkungen und Dividendenerhöhungen seien aber auch ein Thema.

Herr Zeller, im Zusammenhang mit dem überraschenden Abgang von Börsenchef Christian Katz war die Rede davon, SIX als Gruppe habe ein Personalproblem. Trifft das zu?
Nein, SIX hat kein Personalproblem. Dass es in kurzer Zeit zu zwei Abgängen in der Konzernleitung kam, ist reiner Zufall. Es hat auch keineswegs einen Eklat gegeben. Es handelt sich um unterschiedliche persönliche Entscheide, die wir selbstverständlich akzeptieren müssen. Wichtig ist uns, dass in der Konzernleitung Kontinuität gewahrt werden kann. Gleichzeitig besteht nun aber auch die Möglichkeit, etwas frischen Wind in die Konzernleitung zu bringen.

Zur PersonAlexandre Zeller (54) ist seit zwei Jahren Verwaltungsratspräsident der SIX. Er studierte Betriebswirtschaft an der Uni Lausanne und absolvierte ein Advanced Management Program an der Harvard Business School. Von 1984 bis 1987 war er für Nestlé tätig, von 1987 bis 1999 in verschiedenen Funktionen für Credit Suisse. Von 1999 bis 2002 war er Mitglied der Geschäftsleitung (2002 CEO) von Private Banking Schweiz der CS, später bis 2008 CEO der Banque Cantonale Vaudoise. 2008 bis 2012 amtierte er als CEO der HSBC Private Bank (Suisse) und als Country Manager Switzerland HSBC. Von 2010 bis 2012 figurierte er als Regional CEO des Global Private Banking Europa, Naher Osten und Afrika der HSBC-Gruppe. Er ist VR-Mitglied von Maus Frères, Kudelski und Lombard Odier.Ist das ein Ziel? Braucht die Geschäftsleitung neue Impulse?
Das war und ist nicht das Ziel. In der siebenköpfigen Konzernleitung werden zwei neue Mitglieder Platz nehmen. Das scheint mir eine gute Balance zwischen Kontinuität und Erneuerung.

Wie beurteilen Sie im Rückblick die Arbeit von Christian Katz?
Christian Katz war sechs Jahre bei uns, und die von ihm geleitete Division Swiss Exchange steht heute sehr gut da. Der Bereich ist sehr profitabel. Trotz neuer Konkurrenten konnten die Marktanteile mit Erfolg verteidigt werden, während regulierte Börsen im Ausland Marktanteile verloren. Technologisch stehen wir an der Spitze. Kurz: Die Börse ist eine Superplattform.

Was muss sein Nachfolger, seine Nachfolgerin anders machen?
Es geht weniger um anders machen, sondern der Kurs muss weiterverfolgt werden, um die Marktanteile zu verteidigen und die Profitabilität zu sichern. Gleichzeitig gilt es, neue Herausforderungen zu akzeptieren. Der  Margendruck wird eher steigen, die Regulierungen werden immer komplexer und intensiver. Der neue Leiter oder die Leiterin der Börse muss auch mit unserer Struktur klarkommen. Diese Struktur ist dadurch geprägt, dass die Kunden gleichzeitig auch Aktionäre und Konkurrenten sind. Das ist etwas speziell, hat aber aus unserer Sicht viele Vorteile. So sind wir beispielsweise sehr nahe an den Kundenbedürfnissen.

Welches Anforderungsprofil muss der Nachfolger, die Nachfolgerin erfüllen?
Es muss ein erfahrener Manager sein, der fundierte Börsenkenntnisse mitbringt. Die Person muss die Fähigkeit haben, mit unterschiedlichen Interessen umzugehen. Wir haben schon sehr viele spontane Bewerbungen erhalten. Das zeigt, dass die Stelle attraktiv ist und wir eine weltweit führende Börse mit einem sehr guten Ruf, einem Markt mit grossen Volumen und Wachstumspotenzial sind.

Wie weit ist die Nachfolge schon geregelt? Wann kann mit einem Entscheid gerechnet werden?
Wir haben vor eineinhalb Jahren auf Stufe Verwaltungsrat grossen Wert auf Nachfolgeplanung in der Geschäftsleitung gelegt. Das zahlt sich nun aus. Wir haben mit Christoph Landis für Swiss Exchange und Urs Rüegsegger für Payment Services sehr gute Interimslösungen. Wie lange diese dauern, muss sich weisen. Die Prozesse sind erst angelaufen.

Drängt sich aufgrund dieses Wechsels eine Restrukturierung auf Stufe Gruppe auf?
Solche Fragen muss man sich bei jedem Wechsel stellen, sie stehen im Moment aber nicht im Vordergrund. Die Börse bleibt ein eigenständiger Geschäftsbereich mit einem eigenen Gesicht.

Die Zusammenlegung einzelner Geschäftsteile ist kein Thema?
Diesen Schritt haben wir bereits vollzogen, indem beispielsweise alle regulierten Einheiten in einem Geschäftsbereich zusammengefasst worden sind. Auch haben wir die gesamte IT in eine neue Division zusammengelegt. Das wollen wir keinesfalls in Frage stellen.

Neben Christian Katz hat auch der Leiter des Kartengeschäfts den Hut genommen. Ist das eine Chance für eine grundlegende Erneuerung der Geschäftsleitung? Wie beurteilen Sie die Arbeit der Geschäftsleitung ganz grundsätzlich?
Die Zahlen sprechen für sich. Die Entwicklung der Gruppe hat sich beschleunigt, und das in einem Umfeld, in dem der Wettbewerb, die Regulierung und der Margendruck zugenommen haben. Das ist das Verdienst der Konzernleitung, die sehr gut gearbeitet hat. Es gibt selbstverständlich immer Verbesserungspotenzial. Es ist sicherzustellen, dass die Konzernleitung gut auf neue Herausforderungen vorbereitet ist. Wir haben auch hier wichtige Zeichen gesetzt, so haben wir vor einem Jahr den Schwerpunkt auf Innovation gelegt. Nun sehen wir erste Fortschritte mit unseren P2P-Zahlungslösungen. Hier erwarten wir von der Geschäftsleitung noch mehr. Sie muss noch mehr konkrete Lösungen auf den Markt bringen.

Von aussen betrachtet wirkt SIX oft etwas verbeamtet.
Diese Wahrnehmung teile ich nicht. Wir stehen ja fast ausnahmslos im vollen Wettbewerb und befinden uns im Besitz von Banken, die sehr viel von uns erwarten. Und uns den Marktdruck natürlich weitergeben. SIX wurde 2008 aus drei Gesellschaften zusammengeschlossen. Es herrschten verschiedene Kulturen, die alle geprägt waren von einer Nulltoleranzpolitik gegenüber Fehlern und eher bewahrend ausgerichtet waren. Auch heute sind Stabilität und Verlässlichkeit natürlich zentral. Aber dem Aspekt der Innovation und der Agilität müssen wir in Zukunft mehr Gewicht geben. Und diese Kultur müssen wir vermehrt noch aufbauen.

Wie sehen Sie Ihre Rolle? Sind Sie Vertreter der Banken im VR oder Vertreter des VR bei den Banken?
Der Präsident muss nahe beim Geschäft sein. Ich bin der einzige unabhängige Verwaltungsrat, alle anderen werden von Eigentümern oder von Emittenten gestellt. Ich muss tief in den Themen sein, um zu garantieren, dass alle Interessen berücksichtigt werden. Ich setze mich für eine gute Marktinfrastruktur, also für die Sache, ein. Nicht für die eine oder die andere Interessengruppe.

Wie wollen Sie SIX weiterentwickeln?
SIX ist eine Gruppe, die in allen Bereichen von Skaleneffekten geprägt ist. Wir wollen und müssen wachsen, damit wir mehr Volumen verarbeiten und damit weiterhin wettbewerbsfähig bleiben können. Dies betrifft vor allem das Posttrading und den Zahlungsbereich. Was die Börse angeht, so gibt es auf absehbare Zukunft keine internationale Konsolidierungsrunde mehr. Dieser Markt wird fragmentiert bleiben. Zunehmend sehen wir aber auch Möglichkeiten, neue Dienstleistungen für unsere Aktionäre zu übernehmen. Tätigkeiten, bei denen sich die Banken nicht mehr voneinander differenzieren können, eignen sich sehr gut für eine Bündelung der Kräfte. Gerade im Zahlungsverkehr, bei gewissen Bereichen des Kreditgeschäfts oder in der Regulierungsumsetzung sehen wir noch viel Potenzial. Die Voraussetzung ist, dass genügend Banken mitmachen.

Eignet sich der Custody-Bereich, also die Hinterlegung von Wertpapieren, für eine solche Bündelung der Kräfte?
Auch hier müssen wir genau zuhören, was unsere Aktionäre wollen. Wir als SIX stehen zur Verfügung, aber wir müssen einen konkreten Auftrag erhalten.

Finanzmarktplattform SIX ist (zu) gut in FormDie Finanzmarktplattform SIX ist gut in Form – zu gut, wie die Banken als Kunden meinen, die gleichzeitig auch Aktionäre der SIX sind. Die Börse sitzt auf einem Cashberg von 1 Mrd. Fr. Soll die SIX in die eigene Weiterentwicklung investieren, was wohl nach Akquisitionen auch ausserhalb der Landesgrenzen ruft? Oder sollen die ­Barmittel via Preissenkungen und höhere Ausschüttungen an die Aktionäre zurückgegeben werden, die gleichzeitig auch Kunden sind? Sowohl als auch, sagt Verwaltungsratspräsident Alexandre Zeller im Interview und dementiert Gerüchte, wonach zwischen ­diesem Spannungsfeld und dem Rücktritt von Börsenchef Christian Katz ein Zusammenhang besteht.

Tatsache ist, dass die Börse (Swiss Exchange) der mit Abstand profitabelste ­Geschäftsbereich der gesamten Finanzmarktplattform ist. Die Börse hat am Schweizer Blue-Chip-Handel einen hohen Marktanteil von 66%. Die nun verzeich­neten höheren Aktivitäten an der Börse ­spiegeln sich in steigendem Umsatz. Im vergangenen Jahr konnte eine Zunahme der Börsenhandelsabschlüsse um 9,3% auf 34,5 Mio. Transaktionen verzeichnet werden. Der Handelsumsatz legte 12,5% zu.

Aus einem Ertrag von 201,4 Mio. Fr. erzielte die Börse (Swiss Exchange) im vergangenen Jahr ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 104,1 Mio. Fr., was einer sehr hohen Ebit-Marge 51% entspricht. Die anderen Geschäftsbereiche der SIX sind im Vergleich dazu deutlich weniger rentabel. Im Geschäftsbereich Securities Services betrug die Marge im vergangenen Jahr 10,2%, im Bereich Finanzinformation 11,4 und im ­Kartengeschäft 9,3%.

Vor diesem Hintergrund kann der Ruf nach einer Senkung der Gebühren und Preise nicht überraschen. «Preissenkungen sind ein wichtiges Thema», bestätigt Zeller. Die Frage müsse jedoch nach Geschäftsbereich unterschiedlich beurteilt werden. Auch das Wachstum im Ausland bleibt aktuell, ­obwohl SIX beim Verkauf der Konkurrenzplattform Euronext leer ausging; nun inter­essiert dieses Dossier die Verantwortlichen der SIX nicht mehr. Mit Zukäufen im ­Ausland verstärkt sollen vor allem die beiden ­Geschäftsbereiche Zahlungsverkehr (Payment Services) und Posttrading (Securities Services) werden.
SIX verfügt über einen sehr hohen Cashbestand von rund 1 Mrd. Fr. – wie soll er eingesetzt werden? Die Banken drängen, dass er via Dividende an sie zurückgegeben wird. Ist das eine Option?

Wir haben im letzten Jahr eine neue Finanzstrategie festgelegt und uns auf eine Dividendenpolitik geeinigt. Mit steigendem Gewinn wird auch die Ausschüttung erhöht. Aber es stehen viele Unsicherheiten im Raum, wie beispielsweise die zukünftigen Liquiditätsanforderungen im Clearing-Geschäft. Es ist nicht das strategische Ziel von SIX, möglichst viel Cash zu halten. Die Frage steht hoch oben auf unserer Agenda.

In welcher Form ist SIX vom Negativzinsumfeld betroffen?
Wir sind ganz konkret betroffen. Vor allem im Bereich Clearing, bei dem wir hohe Liquidität aufgrund des Absicherns des Gegenparteirisikos halten müssen. Aber wir haben den Vorteil, diese Negativzinsen mindestens teilweise an unsere Kunden weitergeben zu können.

Wie sieht es aus mit Preissenkungen? Auch das ist ein Anliegen der Banken. Wie stellen Sie sich dazu? Wie stellt sich der Verwaltungsrat dazu?
Preissenkungen sind ein wichtiges Thema. Die Frage muss jedoch je nach Geschäftsbereich unterschiedlich beurteilt werden. Zwischen Dienstleistungen, die wir im Auftrag der Aktionäre erbringen, und solchen, die voll im Wettbewerb stehen, muss ein Unterschied gemacht werden. Wir müssen auch hier eine Politik betreiben, die marktkonform ist. Bei der Börse heisst das: die Preispolitik erfolgreich umsetzen, Marktanteile sichern – und trotzdem die besten Preise stellen.

Gibt es Geschäftsbereiche, die zum Verkauf stehen?
Nein, das ist nicht geplant. Wir halten fest an den vier Geschäftsfeldern. Wir überlegen uns, wie wir in allen Bereichen wachsen können. Wir haben unsere vier Stossrichtungen, die Art und Weise, wie wir Wachstum generieren, bleibt aber frei.

Welche Rolle will SIX im gesamten Bereich Fintech spielen?
Wir sind eine Firma im IT-Bereich, entsprechend spielen für uns neue Technologien eine wichtige Rolle. Wir versuchen, selbst vorne mitzuspielen, entsprechend haben wir eine Innovationskampagne lanciert. Ergänzend haben wir auch junge Firmen beauftragt, Projekte zu bearbeiten und neue Vorschläge auszuarbeiten. Wir verfolgen sehr eng, welche neuen Technologien auf den Markt gebracht werden könnten. Wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass es zu einem Kodak-Effekt kommt und wir technologische Entwicklungen verpassen.

Will SIX im Bereich Fintech zukaufen?
Das führt zurück zur Frage, wie wir mit Innovationen umgehen. Wir müssen Strukturen finden, die neuen Einheiten eine gewisse Unabhängigkeit garantieren. Der Verwaltungsrat ist bereit, Beiträge zu bewilligen, sobald wir konkrete Vorschläge auf dem Tisch haben.

Wie viel Geld liegt auf dem Tisch?
Wir haben für diese Zwecke einen zweistelligen Millionenbetrag auf die Seite gestellt.

Als die Euronext zwischenzeitlich zum Verkauf stand, wollte SIX offenbar eine eigentliche Wachstumsstrategie im Ausland einschlagen. Sind diese Pläne nun begraben?
Nein, unsere Strategie ist nach wie vor von Wachstum geprägt. Und Wachstum können wir nicht allein in der Schweiz generieren, also werden wir weiterhin offen sein für internationale Engagements. Dies betrifft aber alle Geschäftsbereiche, vorab den Zahlungsverkehr und das Posttrading. Euronext hingegen wäre die Gelegenheit für weitere Konsolidierungen im Börsenbereich gewesen, das ist richtig. Nun haben sich aber acht Ankerbanken engagiert. Wir haben kein Interesse an reinen Finanz- oder Minderheitsbeteiligungen. Für uns ist das Konsolidierungsthema vom Tisch. Vor zehn Jahren hatte es geheissen, bald gebe es nur noch eine wichtige Börse auf der Welt. Heute haben wir fünf Börsen allein in Europa, die über eine bedeutende Position verfügen. Ich sehe nicht, dass sich daran sehr schnell etwas ändert.

In welcher Art und Weise soll und will SIX die Schweizer Finanzplatzstrategie mitprägen?
Wir setzen uns für eine starke und unabhängige Finanzmarktinfrastruktur ein. Fast niemand hat beispielsweise bemerkt, dass sich unsere Volumen am 15. Januar versiebenfacht haben. Das war der grösster Stresstest, den wir uns vorstellen können. Und den haben wir mit Bravour gemeistert. Die Welt wird andere Krisen sehen, und wir wollen dafür bereit sein. Zur Entwicklung der Finanzplatzstrategie leisten wir auch weiterhin unseren Teil. Wir sind im Forum Finanzmarktpolitik, wir arbeiten in der Begleitgruppe Brunetti mit, wir werden die Beziehungen zur Bankiervereinigung intensivieren. Aber am Schluss müssen unsere Aktionäre entscheiden, was sie mit SIX erreichen wollen.

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