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13:37 Uhr - 12.12.2016

Kubas Öffnung kommt nur langsam voran

Die ausländischen Investitionen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Die Signale zur Kubapolitik des neuen US-Präsidenten sind widersprüchlich.

Ligdana sitzt in ihrer schmucken Wohnung in Havannas Stadtteil Centro Havanna und ist zufrieden. Sie vermietet seit zwei Jahren einen Teil ihrer Wohnung an Touristen. Die Zimmer (ZBH 105.22 0.74%) sind in hellen Pastellfarben gestrichen, an den Wänden viele Bilder. «Es läuft gut», sagt sie. Als «Arbeiterin auf eigene Rechnung», wie Kubas Kleinunternehmer genannt werden, gehört sie zu den Kubanern, die von Raúl Castros Öffnungskurs profitieren.

Seit der Regierungsübernahme durch Raúl Castro im Jahr 2008 befindet sich das Land im Umbruch. Die Wirtschaft wurde für ausländisches Kapital geöffnet, der Staatssektor reduziert und mehr Privatinitiative zugelassen. Etwas mehr als eine halbe Million Kubaner haben sich seitdem in den fast 200 erlaubten Tätigkeiten selbständig gemacht. Vor allem tourismusnahe Bereiche boomen.

Der Kauf und Verkauf von Autos und Immobilien wurde erlaubt, Reisebeschränkungen wurden aufgehoben und der Internetzugang für die Bevölkerung ausgebaut. Rund um den Hafen Mariel, 45 Kilometer westlich von Havanna, ist eine Sonderwirtschaftszone eingerichtet worden. Mit günstigen Zoll- und Steuerregelungen sollen ausländische Kapitalgeber angelockt werden. 2014 trat zudem ein neues Investitionsgesetz in Kraft, das ausländischen Unternehmen ermöglicht, in fast alle Bereiche der kubanischen Wirtschaft zu investieren – ausgenommen bleiben Bildung, Gesundheit und Militär.

Wirtschaft stockt

Doch bei vielen Kubanern kommen die Veränderungen bisher kaum an. Die gut ausgebildeten Jungen verlassen das Land. Denn die wirtschaftliche Entwicklung stockt. Nach 4% im Jahr 2015 wird das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr wohl nicht einmal 1% betragen, wie Handelsminister Rodrigo Malmierca einräumt, trotz  Tourismusboom. «Verschärfungen der US-Blockade», die auch den Handel mit Drittstaaten erschweren, sowie globale Umstände seien die Gründe. Bereits im Sommer hatte Castro das Land wegen eingeschränkter Ölimporte aus Venezuela auf schwierige Zeiten eingestimmt.

Derzeit ist Kuba weit entfernt von seinem Ziel, jährlich 2,5 Mrd. $ an ausländischem Kapital anzuziehen. In den vergangenen beiden Jahren seien 83 Projekte in einem Gesamtvolumen von 1,3 Mrd. $ genehmigt worden, so Malmierca. Angesichts eines Investitionskatalogs mit 395 Projekten – von Hühnerzucht bis hin zur Errichtung von Windparks – in einem Volumen von 9,5 Mrd. $ erscheint dies wenig.  In der Sonderwirtschaftszone Mariel erhielten nur 19 Projekte grünes Licht, darunter Unternehmen aus Frankreich, Belgien, Spanien, Südkorea oder Mexiko.

Verweigert wurde die Genehmigung dagegen dem Traktorenhersteller Cleber LLC aus Alabama. Ziel sei es, Hochtechnologie und umweltfreundliche Verfahren anzusiedeln, was bei Cleber nicht der Fall gewesen sei, hiess es. Noch im vergangenen Jahr waren die Cleber-Eigentümer Saúl Berenthal und Horace Clemmons die Gesichter des Tauwetters zwischen den USA und Kuba gewesen. Zum ersten Mal seit fünfzig Jahren hatte Washington einem US-Unternehmen erlaubt, ein Werk in Kuba zu eröffnen. Ein Jahr später nun wurde das Projekt begraben.

Die Situation von Cleber ist symptomatisch für den Stand der Beziehungen zwischen den USA und Kuba. Zwei Jahre nachdem der scheidende US-Präsident Barack Obama einen Schwenk in der Kubapolitik vollzogen hat, ist die Euphorie verflogen. Hinzu kommt eine grosse Unbekannte: Donald Trump. Macht er die Annäherung an Kuba rückgängig? Die Signale sind widersprüchlich.

Neben Kubas wichtigsten Handelspartnern Venezuela und China nutzen Länder wie Russland, die Niederlande oder Japan die Gunst der Stunde und bauen die Beziehungen aus. Besonders aktiv ist Frankreich. So wird Colas Rail, eine Tochter des Baukonzerns Bouygues (EN 33.415 -0.15%), Kubas Schienennetz erneuern. Bouygues hatte bereits den Zuschlag für die Modernisierung von Havannas Flughafen erhalten, der wiederum von Aéroports de Paris (ADP 94.56 0.22%) betrieben werden wird.

Parallelwährung vor dem Aus

Anfang 2016 einigte sich Havanna mit den Gläubigern des Pariser Clubs über eine Schuldenrestrukturierung und machte so den Weg frei für die Rückkehr an den Kapitalmarkt. Ein Hindernis für Investitionen ist neben der US-Blockadepolitik das doppelte Währungssystem. Seit 1994 zirkulieren auf der Insel zwei Zahlungsmittel: neben dem Peso Cubano (CUP) der sogenannte Konvertible Peso (CUC), dessen Wert an den Dollar gekoppelt ist.

Vor mehr als drei Jahren hatte die Regierung die Abschaffung des CUC angekündigt, die Umsetzung aber lässt auf sich warten – wohl nicht zuletzt wegen Inflationsängsten. Zum Jahreswechsel soll es aber  endlich so weit sein. Das hat Präsident Raúl Castro angekündigt. «Es wäre langsam Zeit», sagt Ligdana. Aber auf Kuba gingen die Uhren nun einmal langsamer als anderswo. «Ohne Geduld geht hier gar nichts.»

Chancen für die SchweizSeit Kuba die Wirtschaft für ausländische Investitionen öffnet, zeigen auch Schweizer Unternehmen reges Interesse. Die Schweizerisch-Kubanische Handelskammer, eine nichtstaatliche Organisation, in der eidgenössische Unternehmen mit Geschäftsinteressen auf Kuba zusammengeschlossen sind, zählt bereits sechzig Mitglieder. Unternehmen wie Nestlé, ABB oder Edelweiss Air sind auf Kuba aktiv. «Alle warten auf den idealen Zeitpunkt, um Projekte zu realisieren», sagt Beat Agostini, Chef der Agostini GmbH, einer Schweizer Familiengesellschaft, die seit zwanzig Jahren auf Kuba präsent ist und Unternehmen aus verschiedenen Ländern, vor allem aus der Druckindustrie, vertritt. Kuba sei ein sehr attraktiver Markt mit all seinen Vor- und Nachteilen. Auf der einen Seite gebe es viel Bürokratie, «auf der anderen hat man einen sehr soliden Partner, der mit überschaubaren Verzögerungen seinen Zahlungsverpflichtungen immer nachgekommen ist».

Ein Problem aber seien die Finanzierungsmöglichkeiten, beklagt Agostini. «Es gibt keine Schweizer Bank mehr, die mit Kuba zusammenarbeitet.» 2009 war die Credit Suisse wegen Missachtung von Sanktionen in den USA zu einer Strafe von 536 Mio. $ verdonnert worden. Sie weigert sich seitdem, Gelder nach Kuba zu überweisen. Die ZKB hat im Dezember 2012 auf Druck der USA den Zahlungsverkehr mit Kuba eingestellt. Vor allem private Finanzierer aber zeigten sich zunehmend flexibel, da die Zinsen sehr interessant seien und das Ausfallrisiko in Kuba im Grunde gegen null tendiere, so Agostini. Die Aussichten jedenfalls seien gut. «Kuba ist sehr interessiert an Geschäften mit der Schweiz. Jetzt geht es darum, Projekte zum Laufen zu bringen.»

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