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14:46 Uhr - 04.10.2016

Berichtssaison wird für US-Aktien zur Belastungsprobe

Ab kommender Woche treffen die ersten Quartalsabschlüsse aus Corporate America ein. Analysten rechnen erneut mit rückläufigen Gewinnen. Damit steigt das Risiko von Turbulenzen an den Börsen.

Amerikanische Aktien haben sich seit Jahresbeginn überraschend gut geschlagen. Trotz früher Korrektur und dem Kursbeben nach dem Brexit-Entscheid notiert der S&P 500 fast auf Rekordniveau. Seit Ende 2015 tendiert der US-Leitindex über 7% fester und schneidet damit besser ab als die Börsenbarometer in Europa und Japan, von denen sich die meisten im Minus bewegen. Das wirft die Frage auf, wie viel Potenzial überhaupt noch in US-Dividendenpapieren steckt. Antworten darauf wird die Berichtssaison zum dritten Quartal geben, die nächste Woche beginnt.

Im Gegensatz zu den Avancen an der Börse hat Corporate America zuletzt wenig überzeugende Zahlen geliefert. Für die anstehenden Abschlüsse sieht es kaum besser aus: Gemäss dem Datendienst FactSet schätzen Analysten, dass der Gewinn der fünfhundert grössten US-Konzerne im dritten Quartal gemessen an der Vorjahresperiode mehr als 2% gesunken ist. «Trifft das zu, wäre das bereits die sechste Berichtssaison in Folge mit rückläufigen Ergebnissen. Eine solche Negativserie haben Investoren seit der Finanzkrise nicht mehr erlebt», meint Marc Chandler, Stratege bei der Privatbank Brown Brothers Harriman & Co.

Alcoa gibt den Startschuss

zoomDen Anfang macht am Montag traditionsgemäss Alcoa (AA 10.305 1.03%). Wallstreet erwartet, dass der Aluminium-Riese einen Quartalsgewinn von 150 Mio. $ oder 11 Cent pro Aktie erzielt hat, nachdem es im Vorjahreszeitraum weniger als 50 Mio. $ waren. Bereits diese Woche stimmen die Aktionäre von Alcoa zudem über die Aufspaltung der Gruppe in zwei Einheiten ab. Ein Augenmerk sollten Anleger dann am Dienstag auf die Zahlen des Grossverteilers Fastenal richten, der als guter Indikator für den Industriesektor gilt. Das Gleiche gilt am folgenden Donnerstag für den Bericht des Bahnkonzerns CSX.

Nach den ersten Einzeldaten wird der Finanzsektor in den Fokus rücken. Mit JP Morgan Chase (JPM 67.755 1.73%), Citigroup (C 48.73 2.05%) und Wells Fargo legen Ende nächste Woche gleich drei Kolosse das Ergebnis vor. Wichtig ist vor allem, wie es ihnen im Investment Banking ergangen ist, da sich daraus Anhaltspunkte auf die Schweizer Konkurrenten Credit Suisse (CSGN 13.31 1.06%) und UBS (UBSG 13.74 1.85%) ableiten lassen. Gemäss Citigroup dürften die Einnahmen im Trading «im mittleren einstelligen Prozentbereich» gestiegen sein. Dazu beigetragen habe primär der Handel mit Anleihen und Devisen, sagte Finanzchef John Gerspach Mitte September an einer Investorenkonferenz. Das stimmt ungefähr mit den Zahlen des Brokers Jefferies überein, der sein Resultat bereits ausgewiesen hat.

zoomRichtig in Schwung kommt die Berichtssaison dann ab der zweiten Oktoberhälfte. Zu den Hauptthemen wird auch dieses Mal der Energiesektor zählen. Der Ölpreis hat sich zwar stabilisiert, bewegt sich aber nach wie vor deutlich unter dem Hoch von 2014. Viele Energiekonzerne bekunden deshalb Mühe, ihre Kosten zu decken. Analysten gehen davon aus, dass ihr Gewinn im letzten Quartal im Schnitt fast 70% gefallen ist. Diesem Trend kann sich selbst der Branchenprimus ExxonMobil nur begrenzt entziehen, dem ein Gewinnrückgang von fast 40% auf 2,6 Mrd. $ vorausgesagt wird. Unter den dreissig Werten im Blue-Chip-Index Dow Jones (Dow Jones 18283.84 0.64%) Industrial weisen ExxonMobil denn auch die schwächste Performance im bisherigen Jahresverlauf aus.

Stagnation statt Wachstum

zoomEntscheidend für die Börse ist, wie Corporate America die Aussichten auf die nächsten Monate einstuft. «Das Wirtschaftswachstum in den USA wird 2016 wohl nur 1,5% erreichen», denkt Bill Witherell, Chefökonom des Anlageberaters Cumberland Advisors. Entsprechend schwierig ist es für viele Konzerne, den Umsatz zu steigern. Das hat letzte Woche der Abschluss von Nike gezeigt. Der Bestellungseingang des Sportartikelherstellers ist im Kernmarkt Nordamerika nahezu stagniert, was schwer enttäuschte. Am besten halten sich in einem solchen Umfeld meist Unternehmen aus defensiven Branchen. So traut Wallstreet dem Versorgersektor mit über 5% das grösste Gewinnwachstum in dieser Berichtssaison zu.

Interessieren wird ebenso, was die Konzerne zur Ausschüttungspolitik sagen. Ankündigungen dazu werden oft im Rahmen der Resultatveröffentlichung gemacht. «Aktienrückkäufe und die Stimulusmassnahmen der Zentralbanken zählten bislang zu den Hauptpfeilern für die Hausse an der Börse», bemerkt David Santschi vom Researchhaus TrimTabs. Im dritten Quartal haben US-Konzerne allerdings nur noch Rückkaufprogramme im Umfang von insgesamt 115 Mrd. $ angekündigt. Gemäss Santschi entspricht das dem geringsten Volumen seit über zwei Jahren. «Ausser im Fall von IT-Giganten wie Apple (AAPL 113.04 0.04%) oder Microsoft (MSFT 57.84 1.05%) und Too big to fail-Banken wie JP Morgan Chase oder Wells Fargo ist Corporate America zusehends weniger darauf erpicht, Cash zur Stützung der Kurse einzusetzen», hält er fest.

In den kommenden Wochen besteht daher ein erhöhtes Risiko für Turbulenzen. Wie immer dürften die meisten Konzerne zwar etwas besser abschneiden, als die Analysten derzeit prognostizieren. Das, weil Tiefstapeln an Wallstreet vor den Ergebnispublikationen zum Courant normal gehört, um so «positive Überraschungen» zu erzeugen. Auf dieses Spiel fallen jedoch immer weniger Investoren herein. Auch sind amerikanische Aktien bereits überaus stolz bewertet. Auf Basis der Schätzungen für die nächsten zwölf Monate beläuft sich ihr Kurs-Gewinn-Verhältnis auf annähernd 19, was deutlich über dem historischen Schnitt von knapp 15 liegt. «Diese anspruchsvolle Bewertung ist ein Hauptgrund dafür, weshalb wir mit Engagements vorläufig vorsichtig sind», warnt Savita Subramaniant, US-Aktienstrategin von Bank of Merrill Lynch.

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