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16:10 Uhr - 18.08.2016

Nestlé will Preise wieder stärker erhöhen

Die Halbjahreszahlen des Nahrungsmittelkonzerns sind durchwachsen ausgefallen. Die grosse Herausforderung besteht darin, die Preissetzungsmacht wieder zu erlangen.

Zwei Aspekte zeichnen Nestlé (NESN 79.65 1.66%) aus: der Fokus auf das Premiumsegment und die Preissetzungsmacht. Konsumenten haben in der Vergangenheit für das Vogelnest auf der Packung mehr bezahlt als für die Konkurrenz. Ist diese Zeit vorbei? Hat der Nahrungsmittelkonzern die Preissetzungsmacht verloren? Der Semesterausweis legt diesen Schluss nahe. Im ersten Halbjahr hat Nestlé global die Preise nur um 0,7% erhöht. «Das Umfeld für Preiserhöhungen ist herausfordernd», erklärt Finanzchef François-Xavier Roger an der Präsentation der Semesterzahlen.

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Im zweiten Quartal soll laut Roger der Tiefpunkt aber erreicht worden sein. «Ich erwarte eine stärkere Preiserhöhung im zweiten Semester», sagt der CFO. In den vergangenen zehn Jahren erhöhte Nestlé die Preise jährlich im Mittel um 2,6%. Davon war der Konzern mit einer Steigerung im zweiten Quartal von 0,4% aber weit entfernt. Das soll sich ändern. In gewissen Märkten wie Brasilien und Russland habe Nestlé bereits die Preise erhöht. Demnächst folgt Grossbritannien. Nach der Abwertung sind die Rohstoffpreise in Pfund gemessen deutlich gestiegen. «Ein Teil davon wird an die Konsumenten weitergegeben», sagt der Finanzchef.

Beschleunigung der Deflation in Europa

Deutliche Preiserhöhungen dürften im zweiten Semester ausbleiben. In Europa hat der Konzern die Preise gar senken müssen. Für den alten Kontinent erwartet er keine Verbesserung. «Teilweise gibt es gar eine Beschleunigung der Deflation», ergänzt er. Nicht nur in der Region Europa, Naher Osten und Nordafrika musste der Nahrungsmittelkonzern die Preise senken. Auch in Asien und Afrika reduzierte Nestlé die Preise. Von In diesen Regionen erwirtschaftet das Unternehmen drei Viertel des Umsatzes von 43,2 Mrd. Fr.

Preissetzungsmacht bedeutet aber auch, dass Kunden die Kit Kats und Smarties nicht im Regal stehen lassen. «Ich mache mir Sorgen um die Auswirkung der Preiserhöhungen auf das Verkaufsvolumen», räumt Roger ein. Ein Teil der abwandernden Kunden könne dank des Angebots von Produkten in günstigeren Segment zwar abgefangen werden, der Fokus des Konzerns liegt aber klar auf dem margenstarken Premiumsegment.

Wachstum flop, Margen top

Die Preiserhöhungen und das Volumenwachstum ergeben zusammen das vielbeachtete organische Wachstum. Mit 3,5% für das erste Halbjahr enttäuschte es die Erwartungen. Für das laufende Jahr wird ein Wachstum von 4,2% erwartet. Im zweiten Semester ist dafür eine Beschleunigung unerlässlich. An den mittelfristigen Ambitionen – ein Wachstum von 5 bis 6% zu erreichen – hält Nestlé fest. Erfreulich sind hingegen die Margenverbesserungen. Die Bruttomarge stieg 1,3 Prozentpunkte. Die Verbesserung ist auf Kostendisziplin, die Fokussierung auf das Premiumsegment und auf günstige Rohstoffpreise zurückzuführen. Die operative Marge avancierte ebenfalls, aber nur um 0,3 Prozentpunkte, da Nestlé Ausgaben für Marketing sowie Forschung und Entwicklung erhöhte.

Unter dem Strich resultierte ein Gewinn von 4,1 Mrd. Fr.  (4,5 Mrd. Fr. im Vorjahr). Der Rückgang ist auf eine Anpassung der latenten Steuern um 500 Mio. Fr. wegen des neuen Steuergesetzes im Kanton Waadt zurückzuführen. «Auf die effektive Steuerquote hat diese Rückstellung keinen Einfluss», ergänzt der Finanzchef während der Präsentation.

Fazit: «durchwachsen»

Gesamthaft gesehen ist der Abschluss durchwachsen. Dies zeigt sich auch in den einzelnen Segmenten. Enttäuschend entwickeln sich Süsswaren. «Der Wettbewerb in den USA ist heftig», sagt Roger. Entsprechend nehmen Umsatzanteil und Marge seit Jahren stetig ab. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Schwach ist auch die Performance des Segments Nutrition. Druck kommt aus China und Nordamerika. In China hat der Konzern wegen hohem Preisdruck bei Säuglingsnahrung Marktanteile verloren. Auch die Marke Yinlu (Sojamilchdrinks und Reisbrei) belastet das Ergebnis weiter. Im Gegensatz zu den Maggi-Fertignudeln in Indien, die unterdessen wieder einen Marktanteil von 60% haben, wurde der Turnaround bei Yinlu noch nicht erreicht.

Die Auferstehung der Maggi-Nudeln in Indien und die Bestätigung des Turnarounds der Tiefkühlkost in Nordamerika gehören zu den erfreulichen Seiten des Zahlenkranzes. Ergänzt werden diese durch das solide Wachstum von Produkten für gesundheitsbewusste Konsumenten wie Kaffeerahm ohne künstliche Zusatzstoffe und Getränke mit 25 Vitaminen und Mineralstoffen. Diese Produkte zeigen, wohin die Reise von Nestlé gehen muss, wenn das Unternehmen die Preissetzungsmacht zurückerlangen will.

Der Fokus der Anleger richtet sich darum auf 2017, wenn der Gesundheitsspezialist Ulf Mark Schneider den Posten als CEO übernimmt. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 24 für das laufende Jahr sind die mit 2,8% rentierenden Titel nicht günstig. Kurzfristig sind keine Kursimpulse zu erwarten. Langfristig ist das Unternehmen dank der hervorragenden Diversifikation und Führerschaft in diversen Märkten aber sehr gut aufgestellt.

Die komplette Historie zu Nestlé finden Sie hier. »

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