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16:06 Uhr - 14.09.2016

Energieagentur unterschätzt Ölnachfrage

Die Opec-Kartell wird die Förderung ausweiten. Doch das dürfte den Bedarf kaum decken können.

Der Ölpreis steht weiter unter Druck. Noch immer wird mehr Rohöl aus dem Boden gepumpt, als nachgefragt wird. Und ein Gleichgewicht am Ölmarkt sei im laufenden Jahr nicht mehr wahrscheinlich, schreibt die International Energy Agency (IEA) in ihrem Monatsbericht. Stattdessen rechnet sie mit einem globalen Überschuss von täglich mehr als 0,5 Mio. Fass in den kommenden zwei Quartalen.

Damit hat die IEA ihre bisherigen Prognosen im Hinblick auf das Überangebot nach oben revidiert. Noch im August war sie davon ausgegangen, dass im dritten und vierten Quartal dieses Jahres wie auch zum Jahresanfang 2017 gar ein kleines Angebotsdefizit resultieren wird.

zoomQuelle: International Energy Agency, ETF Securities

Grund für die Prognoseanpassung sind in erster Linie Zweifel an der globalen Nachfrage nach Öl. Der weltweite Bedarf ist in den vergangenen Monaten etwas tiefer ausgefallen, als prognostiziert worden war. Für das Gesamtjahr 2016 geht die IEA neu von einem durchschnittlichen Bedarf von 96 Mio. Fass aus – 0,1 Mio. Fass weniger als bisher angenommen.

Gleichzeitig erhöhten die Förderstaaten des Ölkartells Opec die Produktion, und auch die Zahl der ungeplanten Ausfälle ging zurück. Die US-Förderung hat sich nach einem deutlichen Rückgang seit Herbst 2015 stabilisiert.

Pessimistische Nachfrageprognose

In den Augen des Rohstoffexperten bei ETF Securities Nitash Shah ist die jüngste Einschätzung der IEA zu pessimistisch. Nach den Erfahrungen in den vergangenen Monaten unterschätze sie mit dem Verweis auf das schwache dritte Quartal den globalen Ölbedarf für das laufende Jahr. Stattdessen gebe es keine Hinweise, dass sich die Nachfrage nicht wieder erhole. Shah kritisiert zudem, dass bei der Analyse der IEA saisonale Faktoren nicht miteinbezogen worden sind.

Bei der Rohölproduktion stimmt Shah mehrheitlich mit den Einschätzungen der IEA überein. ETF Securities erwartet nicht, dass sich die Förderstaaten beim anstehenden Treffen in Algier Ende Monat auf eine Deckelung der Fördermenge einigen werden. Die Staaten des Ölkartells Opec dürften daher die Förderung in den kommenden Monaten nochmals leicht steigern.

Unterangebot im vierten Quartal

Insgesamt wird dieser Produktionsausbau jedoch nicht reichen, um die Nachfrage zu decken. Daher rechnet ETF Securities kurzfristig – anders als die IEA – noch immer mit einem globalen Unterangebot im laufenden Jahr. Shah betont aber, dass dieses wegen der aktuellen Marktsituation klein ausfallen werde. Die Reduktion der riesigen Rohölbestände dürfte lange Zeit in Anspruch nehmen.

Unter diesen Voraussetzungen werde der Fasspreis für die Nordseeölsorte Brent (Brent 46.44 -1.72%) in den kommenden Monaten zwischen 40 und 55 $ liegen. Für einen grösseren Preisanstieg wäre eine deutliche Reduktion der Produktion nötig.

Fehlende Investitionen belasten Angebot

Trotz der anhaltenden Ölschwemme erwartet Shah mittelfristig einen steigenden Ölpreis. Die Ursache dafür liege auf der Angebotsseite. Wegen dem tiefen Preis in den vergangenen Monaten haben viele Ölförderer ihre Investitionsausgaben deutlich gekürzt. ETF Securities rechnet mit Einsparungen von insgesamt 1 Mrd. $ bis 2020.

Bei der konventionellen Förderung (ohne Schieferöl) wird sich das mit einer zeitlichen Verzögerung auf das Angebot auswirken. So dürfte die Produktion ohne Neuinvestitionen bis 2020 auf 80 Mio. Fass pro Tag sinken. Dagegen erwartet ETF Securities ein Nachfragewachstum auf über 98 Mio. Fass pro Tag.

Laut Shah werden Investitionen in die herkömmliche Rohölproduktion insbesondere bei der Offshore-Förderung erst ab einem Fasspreis zwischen 50 und 60 $ überhaupt wieder attraktiv. Mittelfristig werde sich der Preis daher in dieser Preisspanne bewegen.

Doch wann und mit welcher Intensität sich die fehlenden Investitionen auf die Förderung auswirken, lässt sich kaum voraussagen. Noch weniger klar sind die Konsequenzen für die Ölnachfrage, sollte der Preis steigen. Angesichts der grossen Unsicherheit am Ölmarkt dürften die Prognosen bereits nächsten Monat erneut revidiert werden.

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