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08:58 Uhr - 12.09.2018

Feintool-CEO: «Wir nehmen einen Trend auf»

Knut Zimmer, CEO von Feintool, erläutert den Vorstoss der Technologiegruppe in den Wachstumsmarkt der Elektromobilität.

Als Weiterentwicklung und Ergänzung bezeichnet CEO Knut Zimmer die Änderungen an der Strategie von Feintool. Mit ihnen macht die stark auf den Automobilsektor ausgerichtete Industriegruppe einen wichtigen Schritt. Sie erweitert ihr Technologiespektrum vom Feinschneiden und Umformen auf das Elektroblechstanzen und erschliesst sich damit den Markt für Elektromotorkomponenten. Mittel zum Zweck ist die Ende Juli zugekaufte Stanz- und LaserTechnik Jessen.

Herr Zimmer, Feintool holt sich mit dem deutschen Elektroblechstanzer Stanz- und LaserTechnik Jessen ein drittes Kompetenzfeld ins Haus. Ist der Markt für Feinschneid- und Umformteile zu eng geworden?
Keineswegs, wir folgen lediglich einer klaren Linie: Unser Ursprung liegt im Feinschneiden, 2012 kam das Umformen dazu, und nun expandieren wir weiter. Stets geht es um die hochpräzise Verarbeitung von Stahlblech in grossen Volumen. Warum Elektroblechstanzen? Weil ein breiter Trend zu elektrischen Antrieben besteht, nicht nur im Automobilbereich. Dafür braucht es Elektromotoren, und für die braucht es gestanztes Elektroblech. Diesen Trend haben wir aufgenommen, nicht als Ersatz für Bestehendes, sondern für Wachstum über eine technologisch breitere Aufstellung.

Sie sehen Elektromotoren im Fahrzeugantrieb als wichtiges Wachstumsfeld. Ihr angestammtes Geschäft dagegen ist stark auf den konventionellen Antrieb ausgerichtet. Geht es nicht auch darum, Wachstum zu schaffen, das anderweitig nicht mehr garantiert werden kann?
Das ist ein falscher Eindruck. Feintool wird nicht elektrisch, sondern auch elektrisch. Im Feinschneid- und im Umformgeschäft sehen wir langfristig viel Potenzial. Beide werden wachsen, selbst wenn der traditionelle Antrieb stagnieren sollte. Beides sind Kernkompetenzen, in denen wir uns als Technologietreiber sehen und in die wir weiter investieren. Mit dem Aufbau einer dritten Säule  kompensieren wir nicht, wir setzen Wachstum obendrauf.

Kann Feintool über den Aufbau eines dritten Kompetenzfeldes Synergien heben?
Kostenseitig nicht. Unsere Motivation war eine andere. Jessen hat einen guten Namen, ist technologisch breit aufgestellt und verfügt über Entwicklungspotenzial in der Grösse. Die Grösse hat bislang Wachstumsgrenzen gesetzt. Der Zugang zu Fahrzeugprojekten ist fordernder, als es viele Projekte im Industriesektor sind. Da kann Feintool helfen, über die Grösse und mit Wissen, wie man solche Projekte handhabt und wie man ein Geschäft global ausrollt.

Was bedeutet das konkret?
Jessen bringt Kunden vor allem aus dem Industriebereich mit, Feintool viele aus dem Automotive-Bereich. Von beiden Seiten haben wir bereits äusserst gute Resonanz. Durch die Kombination der Unternehmen sehen die Kunden Potenzial für weiteres Wachstum – grössere Projekte und grössere Volumen. Bereits haben wir einen Auftrag eines namhaften Elektrobusherstellers erhalten. Zudem führen wir vielversprechende Gespräche für globale Projekte. Das wäre Feintool allein nicht gelungen, weil die Technologie fehlte, und auch Jessen nicht, wegen der Grösse. Uns stimmt das sehr zuversichtlich.

Durch den Erwerb von Herzing + Schroth baute Feintool ab 2012 das Umformgeschäft auf und globalisierte es. Dient dieses Modell nun als Vorlage?
In vielen Belangen, ja. Die Planung sieht ähnlich aus. Wir werden auch die Technologien von Jessen neuen Projekten folgend Schritt für Schritt in die Märkte bringen und global ausrollen.

Wie sehen die Umsatzerwartungen für das neue Kompetenzgebiet aus?
Jessen setzt rund 40 Mio. € um, etwa 70% davon im Industrie- und 30% im Automotive-Bereich, da aber beschränkt auf den Antrieb von Nebenaggregaten. Weil wir künftig auch für elektrische Hauptaggregate zuliefern wollen, haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis 2025 rund 100 Mio. € umzusetzen, mit weiterem Wachstum im Industrie- und mit Projekten im Automotive-Bereich, die insgesamt grössere Volumen haben.

Feintool erzielt gut 90% des Umsatzes mit dem Automobilsektor. Das neue Geschäft ist sehr viel breiter aufgestellt. Sehen Sie das als Vor- oder als Nachteil?
Wir sehen das als Vorteil. Die Strategie von Feintool ist nicht, einen hohen Automotive-Anteil zu haben, sondern Feinschneid- und Umformteile in hoher Stückzahl und unter hohen technischen Anforderungen zu fertigen. Da drängt sich Automotive einfach auf. Im Elektroblechstanzen ist das anders. Der Bedarf an E-Motoren steigt in grosser Breite. Daran wollen wir teilhaben, auf allen Gebieten, ergänzt aber um Konzepte im Hauptantrieb von E-Fahrzeugen, weil das grosse Stückzahlen mit hohen Anforderungen verspricht, also eine Stärke von uns ist.

Feintool baut ein neues Standbein auf, entwickelt und globalisiert es, braucht mehr Branchenkenntnis und investiert auch kräftig in das angestammte Geschäft. Besteht da nicht die Gefahr, sich finanziell oder personell zu übernehmen?
Feintool ist finanziell sehr solide aufgestellt. Die Grösse dieser Aufgabe trauen wir uns zu. Wir können unser Geschäft, alt und neu, mit unseren finanziellen Ressourcen gut entwickeln. Eine Integration dagegen geht immer über die Menschen. Auch da bin ich optimistisch, dass wir den richtigen Zugang ein weiteres Mal finden. Ebenfalls wichtig ist, die Organisation nach den Erfordernissen des Wachstums weiterzuentwickeln. Für uns ist das ein permanenter Prozess.

«Wir investieren uns von der Konkurrenz weg», pflegt VR-Präsident Alexander von Witzleben jeweils zu sagen. Gilt das nun auch für das Elektroblechstanzen?
Unser Geschäft ist kapitalintensiv, und der umfangreiche Einsatz neuester Produktionstechnologie bietet uns einen gewissen Schutz vor Wettbewerb. Auch im Stanzen von Elektroblech werden wir auf neueste Fertigungsmethoden setzen, doch der Kapitalbedarf ist niedriger, die Maschinen sind kleiner und günstiger. Das Investitionsverhalten ist ein anderes: Wir folgen Projekten, die uns Kunden in die Verantwortung geben, das heisst, wir werden den Markt Schritt für Schritt für uns erschliessen und dem Entwicklungstempo der E-Mobilität entsprechend mit Investitionen folgen.

Wie ist der Markt der Elektroblechstanzer und -paketierer strukturiert?
Wir finden heute zwei, vielleicht drei globale Anbieter, sonst gliedert sich der Markt primär regional in kleinere Einheiten. Jessen zählt bereits zur Mitte. Der Vorteil für uns liegt auf der Kundenseite: Kunden aus dem Automobilsektor erhalten Lösungen von uns, egal, wie viele E-Motoren und wie viele Teile für den traditionellen Antrieb im Fahrzeug stecken. Wir allein können drei Technologien anbieten: Feinschneiden, Umformen und Elektroblechstanzen.

Und das erklärte Ziel dabei ist, im neu erworbenen Kompetenzfeld einer der globalen Anbieter zu werden?
Im Automotive-Bereich ist eine weltweite Aufstellung für Zulieferer zentral. Wir wollen nicht irgendein, sondern der globale Anbieter werden.

Erlaubt das neu erworbene Geschäftsfeld ansprechende Margen?
Jessen arbeitet heute mit Margen, die ungefähr denen von Feintool entsprechen. Eine Verwässerung wird es nicht geben.

Das Margenniveau von Feintool wird beständig durch hohe Investitionen limitiert, durch Vorleistungen für Wachstum. Wird das so bleiben?
Wenn wir wachsen wollen, müssen wir investieren. In unserem Geschäft geht Wachstum über zusätzliche Kapazitäten. Der Vorteil, den wir in der Elektromobilität und in den Investitionen dafür sehen, ist der, dass wir in Schritten investieren können. Das bringt unserer Investitionstätigkeit etwas Entspannung, auch margenseitig. Der Mix verändert sich leicht. Das tut uns gut.

Durch den Erwerb von Jessen ist die Verschuldung merklich gestiegen. Wird der Cashflow reichen, um sie zu reduzieren?
Wir sind zuversichtlich. Uns ist es wichtig, über die Margen genug Cashflow zu generieren, um die Verschuldung zu senken. In der Höhe ist sie nach wie vor unproblematisch, aber nicht wie gewünscht. Doch die Attraktivität der erworbenen Technologie war es uns wert, vorübergehend mehr Schulden auf die Bilanz zu nehmen.


Die Aktien Feintool haben Raum nach oben

Die Aktien Feintool und der SPI Extra haben einander über die vergangenen sechs Monate wenig geschenkt. In der Performance herrscht fast Gleichstand, und auch der Kursverlauf ist ähnlich, wobei der von Feintool ausgeprägtere Schwankungen zeigt. In der Bewertung hört die Ähnlichkeit allerdings auf. Im zwölf Monate vorausschauenden Kurs-Gewinn-Verhältnis erreichen Feintool nur zwei Drittel vom Niveau des Index der mittelgrossen und kleinen Titel (14 gegenüber 22).

Der zentrale Grund für den Abschlag ist die enge Verflechtung mit dem Automobilsektor. Rund um dieses ohnehin zyklische Gebiet herrscht grosse Unsicherheit – der Übergang ins Zeitalter der Elektromobilität und des autonomen Fahrens schafft viele Unwägbarkeiten. Anleger mögen das nicht, sie verlangen eine Risikoabschlag.

Der Ende Juni gemeldete Kauf von Stanz- und LaserTechnik Jessen hat daran nichts Grundlegendes geändert, obwohl sich Feintool mit der dadurch erworbenen Technologie die Tür zum Markt für Elektromotoren und für E-Mobilität öffnet. Für das neue Geschäft des Elektroblechstanzens wird bis 2025 ein Durchschnittswachstum von rund 13% pro Jahr erwartet. Das verspricht bis dahin einen Umsatzanteil von mindestens 10%.

Bis 2025 wird gemäss Prognose der Boston Consulting Group oder von LMC Automotive ein Achtel der neu zugelassenen Automobile elektrisch fahren können, als reines Elektrofahrzeug oder als Hybrid mit Elektro- und Verbrennungsmotor. Fünf Jahre später soll es schon doppelt so viel sein.

Bereits heute wächst die Gruppe mehr als die globale Automobilproduktion, und sie tut das profitabel. Der gute Halbjahresabschluss bestätigt das ebenso wie die Zuversicht im Ausblick. Wichtige Gründe sind die Präsenz in allen bedeutenden Märkten, führende Positionen, die beständige Erweiterung der Grenzen des Feinschneidens und Umformens sowie die Profilierung als Dienstleister und Systemanbieter.

Die zweigleisige Aufstellung als Teilefertiger (Segment System Parts) und Anbieter von Feinschneidpressen (Fineblanking Technology) hilft ebenfalls – viele Anwendungen im Teilegeschäft entspringen Neuerungen im Maschinenbereich. Mit der neuesten Pressengeneration FB One, die unter anderem 30% weniger Energie verbraucht und eine 20% höhere Taktzahl ermöglicht, wird das nicht anders sein.

All das betrachtend, sind den Aktien gute Chancen auf steigende Kurse einzuräumen, allein schon wegen der Wachstumsaussichten. Von der Marge sind zwar kaum Impulse zu erwarten, dafür hat die Bewertung Luft für mehr. Was auf kürzere Sicht eine Höherbewertung auslösen kann, ist allerdings nicht so augenfällig. Dass an sich aber mehr drinliegt, verleiht Feintool noch zusätzlichen Reiz.

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