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11:13 Uhr - 08.04.2015

«Der Franken wird sich auch zum Euro abwerten»

Paul Brain, Leiter Fixed Income bei Newton, rechnet mit einer anhaltenden Phase negativer Zinsen. Von Schwellenländern rät er ab, ebenso vom US-Energiesektor.

Herr Brain, die Nullzinspolitik, auf Englisch Zero Interest Rate Policy bzw. ZIRP, hat länger gedauert als erwartet. Für 2014 wurde mit steigenden Zinsen gerechnet, stattdessen fielen sie. Wie geht es weiter?
Mit NIRP – Negative Interest Rate Policy. Mit diesem an ZIRP angelehnten Kürzel wollen wir ausdrücken, dass Zentralbanken wie EZB oder SNB (SNBN 1078 1.7%) vor der Null nicht haltgemacht, sondern die Zinsen in den negativen Bereich gedrückt haben. Negativzinspolitik wirkt psychologisch anders als Nullzinspolitik. Wenn Investoren dafür zahlen müssen, sicheren Schuldnern Geld zu leihen, werden sie mit der Zeit in riskantere Anlagen umschichten.

Zur PersonPaul Brain, Leiter Fixed Income bei NewtonWird sich auch die NIRP länger halten als erwartet?
Die Zinsen werden noch längere Zeit negativ bleiben müssen. Historisch gesehen waren solche Perioden eher kurz. Zwar geht es auch aktuell darum, die Währungen zu schwächen. Doch diesmal ist die Negativzinspolitik teilweise auch ein Mittel, damit die unkonventionelle Geldpolitik in der Realwirtschaft und im Finanzsystem ankommt. Deshalb könnte es zunächst einmal noch schlimmer werden.

Im Sinn von noch negativer?
Ja, nehmen wir zum Beispiel die Europäische Zentralbank. Sie ist bereit, in ihrem im Januar angekündigten Programm Anleihen mit bis zu –0,2% Rendite zu kaufen. Sollten immer mehr Bonds dieses Niveau unterschreiten, könnte sie irgendwann gezwungen sein, die Einlagensätze von derzeit –0,2% tiefer in den negativen Bereich zu senken, um die quantitative Lockerung fortzuführen.

Warum ist der Einlagensatz die Grenze?
Das ist der Zins, den die EZB erhält, wenn Banken Geld bei ihr parken. Würde sie Bonds unter diesem Renditeniveau kaufen, verlöre sie damit mehr Geld, als sie bei den Bankeinlagen verdient. Aber es muss nicht so weit  kommen, die Renditen zehnjähriger Bunds sind noch fast 40 Basispunkte über dem Einlagensatz.

Sehen Sie nach den Kaufprogrammen für Kreditverbriefungen und Pfandbriefe auch bei Staatsanleihen ein Angebotsproblem für die EZB, um die Bilanz wie gewünscht um 1 Bio. € auszuweiten?
Absolut, es gibt nicht genug Neuemissionen. Als die USA ihr erstes Kaufprogramm starteten, war das Haushaltsdefizit mit rund 10% hoch, das Treasury musste viele neue Bonds ausgeben, um es zu finanzieren. Das Defizit der Eurozone ist dagegen insgesamt sehr gering, das Kaufprogramm der EZB beträgt etwa 200% dieses Gesamtdefizits, also das Doppelte. Die EZB muss deshalb auch auf dem Sekundärmarkt kaufen, also von den Investoren.

Wie viel des Kaufprogramms der EZB ist bereits eingepreist?
Ein guter Teil. Ich glaube daher, dass die Zinsen zwar nicht steigen werden, aber auch nicht mehr wesentlich fallen. Ich bin da weniger optimistisch als andere. Die EZB muss die Bonds von uns Investoren kaufen. Warum sollten wir verkaufen?

Ja, warum?
Etwa wenn wir erwarten würden, dass Griechenland auf ungeordnete Weise aus dem Euro ausscheidet und die anderen Staatsanleihen der Peripherie ebenfalls an Wert verlieren. Oder wenn wir sehen, dass Unternehmensanleihen zu günstigen Konditionen ausgegeben werden. Letzteres ist aber überhaupt nicht der Fall, ihre Renditeaufschläge sind sehr tief. Der Grexit dagegen ist weiterhin nicht ausgeschlossen und eigentlich der einzige Grund, weshalb wir verkaufen würden.

Die Zinsen werden früher oder später steigen. Sind dann die Käufe von Bunds nicht ein grosses Marktrisiko für die EZB?
Die EZB kann sie bis zum Verfall halten, das Marktrisiko spielt in diesem Fall eine geringere Rolle als das Ausfallrisiko.

Wie haben Sie auf den SNB-Entscheid, die Untergrenze für den Euro fallenzulassen, reagiert?
Wir waren überrascht wie alle anderen, aber wir hatten unsere Währungsposition abgesichert, sodass für uns keine Verluste entstanden.

Wie gehen Sie generell mit Währungsrisiken um beim Investieren?
Wir sind generell abgesichert und gehen punktuell und bewusst Währungsrisiken ein, wenn wir von der weiteren Entwicklung einer Währung überzeugt sind.

Was für Entwicklungen sehen Sie?
Wir erwarten, dass sich die Währungen derjenigen Länder, deren Notenbank eine Negativzinspolitik betreibt, abschwächen werden. Das betrifft also etwa die schwedische und die dänische Krone, aber auch Franken und Euro. Wo die Zinsen steigen, werden die Währungen folgen. Das gilt vor allem für den Dollar. Aber fast alle am Markt sind bereits so positioniert, der Dollar dürfte daher zum Euro zunächst einmal auf diesem Niveau konsolidieren. Wir rechnen mit 1.10 $/€ in der mittleren Frist. Aufgrund der anhaltenden Negativzinsen in der Eurozone könnte aber auf Jahressicht auch die Parität zwischen Dollar und Euro erreicht werden.

Sie rechnen mit einem schwächeren Euro und einem schwächeren Franken. Wie steht es mit diesen beiden Währungen im Verhältnis zueinander?
Der Franken dürfte sich zum Euro abwerten, sobald über Griechenland Klarheit besteht. Die Funktion des sicheren Hafens des Frankens dürfte sich weiter abschwächen, und die Negativzinsen werden sich allmählich auch auf diese Sicherheitsmarge des Frankens durchfressen.

Was wäre ein Drehbuch für den Grexit?
Griechenland könnte seine Ausgaben im Inland nicht mehr bestreiten und die Zahlungen an den Internationalen Währungsfonds und die EU einstellen. Der Staat müsste Schuldscheine ausgeben, als eine Art neue Währung. Dazu kämen Kapitalverkehrskontrollen, damit der Geldabfluss ins Ausland eingedämmt werden kann. Das Problem ist, dass die neue Regierung mit dem Versprechen gewählt wurde, die Sparpolitik zu beenden und gleichzeitig im Euro zu bleiben. Genau das aber können die Gläubiger nicht erlauben, denn sonst bekämen als Nächstes die Protestparteien in Spanien und anderswo Zulauf und könnten ähnliche Forderungen stellen. Ich sehe nicht, wie dieses Dilemma gelöst werden kann. Vielleicht mit einem neuen Referendum, in dem die griechische Bevölkerung neuen Sparbedingungen zustimmt.

Sie rechnen also mit dem Grexit?
Ja, aber erst in einigen Monaten.

Welche Bondklassen werden dieses Jahr am besten abschneiden?
Jedenfalls nicht Schwellenländerbonds.

Warum nicht?
Weil sie schlecht auf steigende US-Zinsen reagieren. Das Fed dürfte die Zinsen eher früher anheben, als der Markt es derzeit einpreist.

Was kaufen Sie?
Bei Staatsanleihen setze ich auf Länder wie Australien und Neuseeland, wo die Zinsen fallen. Bei Unternehmensanleihen ist die Sektorauswahl derzeit sehr wichtig. Die Finger lassen würde ich nach wie vor vom US-Energiesektor. Er leidet unter dem gefallenen Ölpreis und einer hohen Verschuldung. Dagegen sehe ich Potenzial in Anleihen aus dem US-Konsumsektor.

Und in Europa?
Alles, was von der konjunkturellen Erholung profitiert, etwa Anleihen von Banken, vor allem nachrangige. Wir gehen davon aus, dass der europäische Bankensektor allmählich seine Restrukturierung abschliessen wird. Zudem wird er von den negativen Zinsen unterstützt. Bei den Staatsanleihen sind wir in Spanien, Irland und Portugal engagiert.

Warum nicht Italien?
Die Wirtschaft hat noch nicht von Reformen profitieren können, im Gegensatz etwa zu Spanien. Die Erholung Spaniens ist ähnlich wie die Irlands, hinkt ihr aber etwa eineinhalb Jahre hinterher.

Und hochverzinsliche Bonds? Man hat das Gefühl, die Anlageklasse werde seit sechs Jahren ununterbrochen empfohlen.
Das Gefühl trügt nicht. Aber auch hier ist die Sektorauswahl jetzt wichtiger denn je. Im US-Energiesektor etwa werden wir Ausfälle sehen. In Europa setzen wir auf Sektoren, die dagegen vom tiefen Ölpreis profitieren, etwa Konsum, Logistik und Reiseunternehmen.

Wann erwarten Sie den Anstieg der Zinsen in den USA?
Für Juni.

Damit sind Sie unterdessen ein Contrarian.
Ja, aber nicht, weil wir die Meinung geändert haben, sondern der Markt den Termin immer weiter nach vorne geschoben hat. Wir glauben, dass sich die US-Zinskurve abflachen wird. Das Fed wird die Zinsen moderat anheben. Das ist gut für das lange Ende der Kurve, nicht für das kurze. Wir kaufen lang laufende Treasuries und verkaufen fünfjährige.

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