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12:04 Uhr - 10.12.2020

Banken drehen den Hahn für Rohstoffbranche zu

Nach einer Reihe von Skandalen könnte sich der Zugang zu Finanzierung verengen.

Die Schweiz ist ein Riese im internationalen Rohstoffhandel. Doch die Branche wird regelmässig von Skandalen erschüttert. Die Politik sieht zwar Handlungsbedarf, lässt die Verantwortung zu einem guten Teil aber an die finanzierenden Banken abtropfen. Bei denen tut sich nun etwas. 

Öl, Metalle, Getreide oder Kaffee (Kaffee 131.71 +0.04%): In der Schweiz verdienten 2018 rund 500 Unternehmen mit 3 Mrd. Tonnen Rohstoffen rund 33 Mrd. Fr. – fast 5% der Wirtschaftsleistung. Die Giganten im Geschäft heissen Glencore (GLEN 239.25 +0.4%), Trafigura, Vitol, Mercuria und Gunvor und haben alle wichtige Niederlassungen hierzulande oder wie Glencore gleich ihren Hauptsitz. 

Wichtige Finanzakteure

Auch den heimischen Banken kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Laut einem Bericht der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman ist die Schweiz der attraktivste Finanzplatz, wenn es um die Finanzierung der Rohstoffbranche geht. Die weltweit grössten Player im Geschäft sind dabei Auslandbanken wie BNP Paribas und Société Générale (GLE 17.59 -0.58%), ING oder HSBC (5 401.55 -0.7%)

Unter den Schweizer Banken stechen laut der Nichtregierungsorganisation Public Eye die Grossbanken UBS (UBSG 12.71 -1.47%) und Credit Suisse (CSGN 11.54 -0.73%), die Kantonalbanken der Waadt (BCV), Genf (BCGE (BCGE 161.00 -0.31%)) und Zürich (ZKB) sowie die Genfer Banque de Commerce et de Placements (BCP) hervor. Doch die von ihnen finanzierte Branche hat in den vergangenen Jahren eine lange Liste von Skandalen produziert: Menschenrechtsverletzung, Umweltverschmutzung, Wirtschaftskriminalität. 

Erst Ende Februar hielt der Bundesrat in einem Bericht auf Anfrage des Parlaments fest: Das Hauptdelikt im Rohstoffsektor ist Korruption. «In diesem Zusammenhang ist es massgeblich, die Korruptionsbekämpfung im Rohstoffhandel zu verbessern.» Public Eye fordert seit Längerem, nach dem Vorbild der Finanzmarktaufsicht (Finma) eine Rohstoffmarktaufsicht (Rohma) einzurichten. Dem erteilte der Bundesrat eine Abfuhr und schob die Verantwortung quasi an die Banken weiter. So weisen Finma und Banken auf Anfrage auf ihre strengen Kontroll- und Vergaberegeln hin. 

Dennoch kam es in diesem Jahr zu einer Reihe von Betrugsfällen in der Branche. Unter anderem implodierte Hin Leong, einer der grössten Ölhändler Singapurs nach Jahren der gefälschten Zahlen. Laut Reuters müssen 23 Banken insgesamt 3,85 Mrd. $ abschreiben. Auch der Singapurer Ölhändler Zenrock, der seinen Europahauptsitz in Genf hat, kam wegen Betrugs dran. Laut Reuters versucht allein die Genfer BCP einen Schaden von 19 Mio. $ gerichtlich geltend zu machen. UBS und Credit Suisse mussten im dritten Quartal 54 Mio. bzw. 47 Mio. Fr. abschreiben wegen eines Betrugsfalls in der Branche, ohne das betreffende Unternehmen zu nennen. 

Rückzug grosser Player

Einige Banken gingen vor diesem Hintergrund jüngst über die Bücher. BNP Paribas schloss laut Bloomberg ihre Rohstofffinanzierung in der Schweiz. Société Générale zieht sich aus Singapur zurück. ABN Amro will das Geschäft ganz aufgeben und Rabobank überprüft es. Und die Schweizer Banken? Abgesehen von BCP, die sich nicht äussern will, teilen die erwähnten mit, ihr Geschäft in diesem Bereich stabil halten zu wollen. Bis auf BCP ist selbiges Geschäft aber auch klein im Vergleich zu den Gesamtbilanzen. 

So teilt BCV auf Anfrage mit, dass sie aufgrund des Umfelds das Kreditvolumen in diesem Bereich zwar auf 4% der Bilanz reduziert habe. Bei normalen wirtschaftlichen Bedingungen es aber wieder auf 6% steigern will. Bei BCGE soll das Geschäft laut Ratingagentur S&P rund 8% betragen. Die Bank musste deswegen in diesem Jahr vorbeugende Rückstellungen in der Höhe von rund 10 Mio. Fr. bilden. CEO Blaise Goetschin sagte unlängst im FuW-Interview, der Anteil im Geschäft solle stabil bleiben, auch weil die Marge hier «sehr gut» sei. 

Bei UBS macht das Geschäft im Vergleich zur Gesamtbilanz weniger als 1% aus. CS ist weniger transparent und weisst keine Zahlen dazu aus, dürfte laut Public Eye aber ungefähr in den Sphären der UBS liegen. Auch ZKB will das Geschäft stabil halten, eine Forcierung ist aufgrund des Ausstiegs grosser Konkurrenten nicht vorgesehen. Im Gegenteil könnten das Geschäfte vor allem bei den Grossbanken in Zukunft sogar schrumpfen, haben sie sich doch unlängst neue Nachhaltigkeitsziele gegeben, die sich mit einer skandalträchtigen und CO2-lastigen Branche nicht gerade gut vertragen. 

Es tut sich zaghaft etwas

Das könnte in Zukunft dazu führen, dass es für die Rohstoffbranche schwieriger wird, an Kredite zu kommen, meinen die Experten von Oliver Wyman. Public Eye wendet dagegen ein, dass die grossen erwähnten Rohstofffirmen mehr und mehr diese Lücke füllen und für die kleinen und mittleren Unternehmen der Branche als Schattenbanken dienen würden.  

Zumindest in der Finanzbranche tut sich zaghaft etwas. In Singapur wurde ein neuer Verhaltenskodex für das Rohstoffhandelsgeschäft zusammen mit den Banken erarbeitet. In Genf laufen Diskussionen innerhalb der Swiss Trading and Shipping Association, einem Zusammenschluss der Rohstoff- und Finanzbranche, wie man der Probleme Herr werden kann. Wie aus UBS zu hören ist, soll unter anderem der grossflächige Einsatz der Blockchain-Technologie in der Branche für die nötige Transparenz sorgen. So bleibt abzuwarten, ob das Krisenjahr 2020 vielleicht das Ende der Skandale in der Branche einleiten wird.

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