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10:25 Uhr - 19.05.2020

Versicherer sind dreifach belastet

Zurich Insurance muss beweisen, dass ihre US-Trumpfkarte weiter sticht. Konkurrent Allianz hat die Nase vorn.

Die Versicherungsunternehmen halten die Zerreissprobe aus. Die deutsche Allianz-Gruppe sei dank vielfältiger Diversifikation der Deckungsrisiken in vorteilhafter Lage, schrieb CEO Oliver Bäte den Aktionären. Thomas ­Buberl, in gleicher Funktion bei der französischen Axa, lobte in der aktuellen Berichterstattung die Belastbarkeit des Unternehmens. Und Zurich Insurance (ZURN 288.4 -0.28%) sieht ihr Geschäftsmodell gemäss CEO Mario Greco als besonders widerstandsfähig.

Die drei Branchenersten Europas ­erachten sich gerüstet, wegen wirtschaftlicher Schäden der Pandemie unter ­Betriebs-, Reise- und Krankheitsversicherungen ausserordentlich hohe Leistungen auszurichten. Am deutlichsten wird die Zurich-Gruppe. «Das könnte sich für 2020 auf etwa 750 Mio. $ belaufen», schrieb Greco den Aktionären. Im ersten Quartal sind schon mal 280 Mio. $ verbucht. Ergebniszahlen gab Greco nicht preis.

Bislang nur leicht gestresst

Zumindest leicht gestresst ist der Schweizer Konzern dennoch. Bis März ist die Solvenzquote von 198 auf 186% der erforderlichen Kapitalunterlegung geschrumpft. Eingerechnet darin ist die Auszahlung der Dividende 2019, die am 3. April die Anleger beglückte. Der Allianz-Konzern hat im ersten Quartal ebenfalls an Finanzkraft eingebüsst. Seine Solvenzquote fiel von 212 auf 190%. Für Axa sieht die Situation vergleichbar aus. Dabei ist zu betonen, dass die absolute Höhe der Wertung wie auch die Veränderung im schweizerischen Solvenzsystem leicht anders als im europäischen Regelwerk ist.

Von den drei Konzernen hat Axa zuletzt die bedeutendsten Veränderungen durchgemacht. Die US-Lebensversicherung wurde abgespalten und separat an der New Yorker Börse kotiert. Parallel dazu stemmte der französische Konzern die teure Akquisition des Industrieversicherers XL Group. Daraus folgende Effekte belasteten im vergangenen Jahr das Ergebnis, weshalb Axa 2019 mit knapp 6% eine nur halb so hohe Eigenkapitalrendite wie Allianz (ALV 156.88 1.96%) und Zurich Insurance herausholte.

Die beiden rentableren Branchenunternehmen sind denn auch in der mehrjährigen Performance der Aktien i­nklusive Dividenden voraus. Für Zurich Insurance kommt hinzu, dass sie mit der honorarbasierten Führung der US-Versicherungsgenossenschaft ­Farmers fast ohne eigenen Kapitaleinsatz ein Viertel des Konzerngewinns einnimmt. Diese Trumpfkarte könnte jedoch in nächster Zeit weniger stechen, falls in den USA die Privathaushalte und viele kleinere Firmen für längere Zeit darben.

Das Zurich-Management schätzt, dass die 750 Mio. $ Zahlungen unter Betriebs- und Reiseversicherungen dieses Jahr etwa der Summe entspricht, die das Unter­nehmen 2017 wegen der damaligen Serie von Hurrikans leistete. Die Konzerneinnahmen im ersten Quartal stiegen 3,5% auf 11,6 Mrd. $. Für Schadendeckungen wurden mit 9,7 Mrd. rund 7% mehr eingenommen. Lebens- und Gesundheits­versicherungen fielen 10% auf 1 Mrd. $ anteilige Prämien. Nachteilig habe sich hier ausgewirkt, dass besonders in den asia­tischen Betriebsteilen der Produktabsatz nach dem Pandemieausbruch rasch drastisch zurückging.

Ertragszahlen werden Mitte August mit dem Halbjahresabschluss bekannt. Ob und wie weit sich die Solvenzwertung im Verlauf des Jahres wieder verbessert, hängt wesentlich mit der konjunkturellen Situation auf allen Erdteilen zusammen und mit der Bewertung von Unternehmensanleihen, die Zurich im Investmentportolio hält. Buchverluste und Wert­minderungen hatten im ersten Quartal in ungenanntem Umfang zur verringerten Solvenzquote beigetragen.

Dividende kaum in Gefahr

Die Bremsung der Weltwirtschaft beeinträchtigt die Versicherer letztlich gleich dreifach: durch ausserordentliche Schadenzahlungen, durch Wertminderungen im Investmentportfolio und durch einen Absatzrückgang als Folge einer schwächelnden Konjunktur.

Aus heutiger Sicht ist deshalb zu befürchten, dass Allianz, Axa und Zurich Insurance einen Gewinnrückgang erleiden. Alle verfügen aber über ein dickes Kapitalpolster, das ihnen eine Dividendenzahlung für 2020 auf unverändertem Niveau erlauben sollte. Doch bis dahin ist es noch eine lange Zeit. Die Versichereraktien ­werden sich vermutlich vorerst nicht vom  Gesamtmarkt abheben. Weil Zurich ­Insurance wie beschrieben besonders in US-Haushalten und KMU exponiert ist, könnte sich das Geschäftsmodell von ­Allianz vorderhand besser bewähren.

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